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2. Juli – In der Prignitz knattert es weiter
3. Juli – Mit der Inselbahn unterwegs
4. Juli – Abschied von der Kleinbahn
16. Juli – Wandel auf den Dieselstrecken
19. Juli – Nicht nur EVB im Wandel
20. Juli – Rangierbetrieb in Ohlsdorf
24. Juli – Mit dem 628 201 an die Schlei
31. Juli – Verkehrstag in Skjoldenæsholm



Dienstag, 20. Juli 2021 – Rangierbetrieb in Ohlsdorf

218 057 PRESS

Das Werk Ohlsdorf ist zentraler Werkstattstandort für die S-Bahn Hamburg und am gleichnamigen Bahnhof gelegen. Alle Rangierfahrten von und zum früheren Bw-Bereich führen entlang des Bahnsteigs. Der Fotograf hat hier schon vor 35 Jahren viel Zeit zugebracht und ist oft nach der Schule bzw. der Arbeit eine Runde über Ohlsdorf gefahren um zu schauen, was es zu sehen gibt. Damals bestand der auf den Linien S1 und S11 eingesetzte Fahrzeugpark noch überwiegend aus Zügen der BR 471/871, die moderneren und „schnellen“ 470/870 bzw. 472/473 kamen meist nur zu größeren Arbeiten nach Ohlsdorf, sie wurden in Elbgaustraße der täglichen Wartung unterzogen.
Die Zeiten haben sich geändert, die damaligen Altbaufahrzeuge sind längst Geschichte und auch die damaligen Neubaufahrzeuge der BR 472/473 sind inzwischen fast komplett aus dem Einsatz verschwunden. Das Betriebswerk heißt nicht mehr Bw Hamburg (GSB), sondern schlicht Werk Ohlsdorf, die frühere AW-/Bw-Teilung gibt es in dieser Form nicht mehr. Betrieblich hat sich an der Aufgabenteilung nichts geändert – in Ohlsdorf werden auch heute noch die Hauptuntersuchungen der Züge durchgeführt. Das Werk ist inzwischen durchgreifend modernisiert bzw. neugebaut und viele früher im Betriebswerk in Ohlsdorf selbst durchgeführte Arbeiten sind heute fremdvergeben.
Auch die Ablauflogistik der Fahrten aus den Hallen hat sich gewandelt, das früher übliche Schleppkabel in den Hallen gibt es nicht mehr, die Hallenausfahrten müssen mit Rangierfahrzeughilfe durchgeführt werden. Viele Jahre verfügte das Werk in Ohlsdorf über drei Rangierloks
– von der die im AW-Bereich eingesetzte Akkukleinlok 382 001 wohl noch die höchste Laufleistung hatte. Im Bw-Bereich wurde das meiste mit eigener Kraft gefahren und Überführungen von Fahrzeugen in andere Werke waren bis auf gelegentliche Überführungen zur Unterflurdrehbank des Bw Hamburg 1 in Eidelstedt unüblich – die in Ohlsdorf beheimateten Kleinloks 333 028 und 104 waren meist arbeitslos abgestellt.
Durch die veränderten Rahmenbedingungen haben die
Überführungsfahrten zugenommen, neben den fremdvergebenen Instandhaltungen sind in Ferienwochen auch Inselbetriebe keine Seltenheit mehr, wo Fahrzeuge für die Fristarbeiten über Fernbahngleise ausgetauscht werden müssen.
Aufgrund von Bauarbeiten in Hasselbrook für die Ausfädelung für die S4 nach Bad Oldesloe ist seit dieser Woche die Strecke zwischen Berliner Tor und Barmbek für 2,5 Wochen gesperrt. Die im Werk Ohlsdorf zu wartenden Züge müssen aus dem Anfang 2019 eröffneten Werk Stellingen
über die Güterumgehungsbahn zugeführt werden. Bis zu viermal täglich werden daher Züge zwischen Stellingen und Ohlsdorf getauscht. Die seit Anfang 2021 in Ohlsdorf als Mietlok beheimatete 218 057 der PRESS, früher 218 462 der DB, schleppt den 490 123 aus dem Werk Ohlsdorf und wird ihn nach Stellingen überführen.

490 123

Die S-Bahn Hamburg mietet seit dem Verkauf der PZB-losen 333 028 und 333 104 Kleinloks mit PZB von anderen Verkehrsunternehmen an. Zuvor beschaffte sie 2006 einen Zweiwege-Unimog, welcher die Erwartungen in die Einsatzmöglichkeiten nie richtig erfüllen konnte. Ab August 2015 besaß die S-Bahn mit der bis Dezember 2014 von Braunschweig aus eingesetzten 218 474 eine eigene Lok der BR 218, mit der die Überführungsfahrten zum Werk Neumünster in Eigenregie übernommen wurden.
Im
Mai 2020 wurde die Lok nach Leipzig-Engelsdorf überführt und im Stillstandsmanagement der DB abgestellt – seitdem kommen in Ohlsdorf verschiedene Loks der BR 218 auf Mietbasis zum Einsatz. Hier wechselt der bereits mit Zugschlussaufklebern versehene 490 623 über den Gleiswechsel in die Kehre.

BR 490

Wurde die S1 früher in Ohlsdorf regelmäßig geschwächt und aus Poppenbüttel kommend wieder verstärkt, war dieses seit den 1990er Jahren nicht mehr üblich – das Trennen der Züge in Ohlsdorf kam erst mit Eröffnung der Flughafen-S-Bahn im Dezember 2008 zurück, wo seitdem der vordere Zugteil zum Airport und der hintere nach Poppenbüttel verkehrt.
Eigentlich kommen auf der S1 nur Züge der BR 474/874 zum Einsatz – da aber im Vorwege der Einführung der BR 490 die Wendezeiten am Airport so verlängert wurden, dass auf der Rückfahrt beide Zugteile wieder zur gleichen Fahrt vereinigt werden, könnten auch abweichende Baureihen zum Einsatz kommen. Dieses wurde bisher vermieden, da die Züge der BR 490 softwareseitig noch nicht den Stand erreicht haben, dass ohne baureihenspezifischen Zeitverlust Flügelbetrieb möglich ist.
So war es überraschend, dass auf der S1 erstmals ein zu flügelnder Umlauf mit der BR 490 verkehrte. Im Vordergrund die Seitenzielanzeige des Teils nach Poppenbüttel
mit grünem S1-Symbol, davor der Flügel zum Airport mit der vereinfachten gelben S1-Anzeige, nachdem die farbigen Symbole bundesweit aus den S-Bahnzielanzeigen verschwanden.

BR 490

Der zweite Teil nach Poppenbüttel mit 490 529 ist abfahrbereit, die Zielanzeige am Bahnsteig ist in Ohlsdorf je nach Anzeigemoment verwirrend – ob sich das im Zuge der derzeit laufenden, rund 10 Mio EUR teuren Anzeigerumrüstung auf neue farbige TFT-Anzeiger ändert?

335 013

Nachdem mit der Überführung des Tz 9123 eine Überführung nach Stellingen bereits im Kasten war, war nun Ziel eine der Umsetzfahrten mit Rangierlok festhalten zu können. Durch den baubedingten Entfall der S11 reduzierte sich die foto-blockierende Belegung von Gleis 2 deutlich, der Rest war Geduld und Hoffnung – sprich „Aussitzen“. Die letzte derartige Aktion hier ist wohl bald 30 Jahre her…
Meist war es der 2006 beschaffte Unimog, der die Rangierfahrten aus der Halle durchführte. Dieser ist derzeit abgestellt, seine Ablösung ist in Form der neuen „Kleinstlok HH“ vorgesehen. Nachdem am Vortag die Kleinlok 335-002 schadhaft war, war die Chance recht hoch, dass die seit einigen Tagen wieder im Gleisvorfeld stehende 1004 002 in den Rangierdienst eingreift. Lange passierte nichts, das Werk hatte mit den Zügen in den Hallen gut zu tun. Gegen 15 Uhr machte sich nicht die CRRC-Lok bereit, sondern die Köf III. Die vom Berliner Unternehmen Laeger & Wöstenhöfer GmbH & Co. KG (L&W) angemietete 335 013
– bei L&W als 335-002 bezeichnet – vertritt bei Bedarf den Unimog. Hier hat die 335-002 den 474 503 aus der Halle gezogen.

335 013 und BR 474

Auch eine Stunde später rangiert die 335 013 und nicht die CRRC-Lok – hier den 474 111. Gedanklich wurde das Fotoziel schon auf die Rückkehr der PRESS-218 aus dem Werk Stellingen reduziert.
Die 335 013
(14053/68) wurde Ende 2014 von DB Schenker an die Rhein-Neckar-Eisenbahnservicegesellschaft mbH verkauft, welche die Lok Anfang 2016 an L&W weitergab. Als Eigentümer ist die Behefa GmbH & Co. KG angeschrieben, die unter der gleichen Adresse wie L&W logiert.

335 013

Die Rangierloks bzw. der Unimog haben spezielle Übergangskupplungen, die beide verwendeten Schakutypen – Typ 10 und Typ 20 – kuppeln können. Der 474 111 legte nach dem Herausziehen aus der Halle in Höhe Bahnsteig seine Stromabnehmer an, die Rangierlok kuppelte ab und der 474/874 fuhr aus eigener Kraft in die Abstellung.
Danach kehrte im Rangiergeschäft
wieder Ruhe ein, die PRESS-218 ließ sich mit der Rückkehr Zeit und die zur Verfügung stehende Zeit lief allmählich ab. Ein letzter Takt sollte um 17.30 Uhr noch abgewartet werden, ehe es in Richtung Heimat gehen musste. Der Weg führte schon in Richtung Treppe, als in der Ferne ein Mitarbeiter zur CRRC-Lok ging. Sollte etwa??

1004 002

Und tatsächlich – das Spitzenlicht der 1004 002 leuchtete auf und nach wenigen Minuten bewegte sich die CRRC-Lok gen Bahnsteig. Im letzten Moment war das Aussitzen von einem nicht mehr erwarteten Erfolg gekrönt.
Die „Kleinstlok HH“ des chinesischen Staatskonzerns China Railway Rolling Stock Corporation (CRRC) wurde 2018 zur Innotrans in Berlin erstmals öffentlich gezeigt und im Mai 2019 nach Hamburg überführt. CRRC schaffte mit dem Auftrag im Juni 2018 den ersten Schritt in den deutschen Eisenbahnmarkt, mit der Ende Mai 2020 vollzogenen Übernahme des Kieler Unternehmens Vossloh Locomotives GmbH und dem Werk in Kiel-Suchsdorf konnte CRRC auch eine deutsche Lokschmiede in sein Portfolio für den europäischen Markt aufnehmen.

1004 002

Die für die S-Bahn Hamburg gebauten Loks 1004 001 und 002 sind eine Variante der CRRC-Rangierloks. Im Juni 2018 verkündeten DB und CRRC den Abschluss eines Vertrages über den Bau von zunächst vier „AZLoks“, mit einer Option über 16 weitere Loks. Bereits drei Monate später war die erste CRRC-Lok in Berlin zu sehen – mit der Ergänzung vor Ort, dass diese Lok nicht die eigentliche AZLok wäre. Auf dem Fabrikschild der Lok steht 3/2018, also vor dem AZLok-Vertrag mit der DB.
Der genaue Umfang der Bestellung bei CRRC ist bisher nur lückenhaft nachvollziehbar, die „Kleinstlok HH“ scheint ein bereits 2017 vereinbartes Projekt zu sein. Halter der 1004 001 und 002 ist CRRC, als Eigentümer ist CRRC ZELC Verkehrstechnik GmbH angeschrieben. Mit der S-Bahn Hamburg soll ein Vertrag über zunächst zwei Jahre Anmietung geschlossen sein, welcher in diesem Jahr auslaufen würde.

1004 002 und BR 474

Die „Kleinstlok HH“ hat eine Länge von 14.400 mm, leistet nach aktuellen Angaben 400 kW im kombinierten Hybrid-Modus, 250 kW im Dieselmodus und 150 kW mit den Lithium-Titanat-Akkus. Die Höchstgeschwindigkeit der Kleinstlok HH ist 80 km/h, die Anfahrzugkraft beträgt 100 kN.
Die „AZLok“ für DB Netz ist auf die Bedürfnisse der S-Bahn Berlin zugeschnitten und kann zusätzlich zum Diesel- bzw. Akkubetrieb auch aus der Stromschiene mit 800 V Gleichspannung versorgt werden. Im Stromschienenbetrieb hat die AZLok eine maximale Leistung von 750 kW, die auch im Hybridbetrieb Diesel+Batterie erreicht werden. Im Dieselbetrieb werden 600 kW erreicht, im Akkubetrieb 100 kW. Die Höchstgeschwindigkeit der 16.700 mm langen AZLoks beträgt 100 km/h, sie haben eine maximale Anfahrzugkraft von 180 kN.
Hier passiert der von 474 536 geführte S1-Flügel nach Poppenbüttel die auf Rückfahrt zur Werkstatt wartende 1004 002. Die Zahl der noch mit Rollband ausgerüsteten 474 nimmt rapide ab, nur noch eine Handvoll 474 steht zum Redesign an und die beim Redesign noch nicht mit dem neuen FIS ausgestatteten 474 werden derzeit verstärkt umgerüstet, so dass beide Programme zeitgleich abgeschlossen sein dürften.

1004 002

Die Loks 1004 001 und 002 sollen die Mietloks und den Unimog ersetzen. Bisher liegt nur eine Zulassung für den Bahnhofsbereich Ohlsdorf vor, ein Abnahmedatum ist noch nicht angeschrieben. Die Loks sind seit ihrer Anlieferung in Hamburg gelegentlich zu Messfahrten unterwegs gewesen, zuletzt standen sie im Werk Ohlsdorf meist im hinteren Bereich abgestellt.
Die 1004 002 kommt seit Jahresbeginn 2021 sporadisch im Rangierdienst zum Einsatz – ein Regelbetrieb, welcher auch die Überführungsfahrten auf Fernbahngleisen umfassen soll, scheint derzeit noch nicht absehbar.

1004 002

Die auf der Innotrans 2018 ausgestellte 1004 002 (0002/18) war ohne seitliche Folierung nach Berlin gekommen und erhielt diese noch vor Eröffnung der Messe – unterhalb der Beklebung war dabei das Betreiberlogo angebracht worden, welches nun der NVR-Nummer gewichen ist.

1004 002 und 474 047

Auch der Linienbetrieb der S-Bahn in Hamburg selbst wird absehbar moderner. Das europäische Zugsicherungssystem ETCS in Verbindung mit automatisiertem Zugbetrieb (Automatic Train Operation, ATO) wird im Herbst 2021 im Rahmen des Projekts Digitale Schiene Deutschland zum ITS-Weltkongress auf der Strecke Berliner Tor – Bergedorf eingeführt.
Die 64 vor wenigen Wochen bei ALSTOM
für die S4 bestellten Triebzüge der BR 490 werden bereits ab Werk mit der Technik ausgerüstet sein. Hier rangiert 1004 002 den seit Januar 2020 dem ETCS-Pilotprojekt dienenden 474 047 aus der Halle. Das Fahrzeug dient zusammen mit den Triebzügen 4046, 4048 und 4051 ausschließlich der Zulassung und Erprobung des ETCS und des ATO-Betriebes.

BR 474 und BR 490

Hier hat der Fotograf im Laufe der Jahre unzählige Fotos von Zügen – meist der BR 471/871 – angefertigt. Am Nachmittag steht die Sonne ideal und beim optimalen Sonnenstand ist das Licht auch im Sommer weg vom verpönten Hochlicht.
Die Zeiten haben sich geändert – die ab 1996 gelieferten Züge der BR 474/874 stehen beim nächsten Verkehrsvertrag zur Ablösung an, die 82 bislang bestellten Züge der BR 490 sind abgenommen und stehen – zumindest theoretisch – vollständig dem Betrieb zur Verfügung. 474 598 verlässt den Bf Ohlsdorf, daneben rangiert 490 626.

474 002

Damit der Bruch mit einem Blick zurück nicht allzu groß ist, hier ein Foto des am 16. Dezember 1996 gelieferten 474 002 bei Ankunft in Ohlsdorf. Die Triebzüge 4001 bis 4005 hatten die ersten Monate noch die zunächst geplante Lackierung analog der DT4 der Hamburger Hochbahn.  

BR 474

Zum Abschluss des Reigens erreichte auch die aus Stellingen überfällige Überführung Ohlsdorf. An der Spitze 474 542, am Zugschluss schiebt 218 057 der PRESS.

218 057 PRESS

Fast könnte man meinen diesellokbespannter S-Bahnverkehr. Aber diese Zeiten sind vorbei, zuletzt gab es solchen Betrieb bei der Hamburger S-Bahn im Winter 1987 auf der Strecke nach Aumühle. Heutige Fahrzeugtechnik und Zulassungsfragen würden einen solchen Betrieb sicherlich unmöglich machen. 218 057 schiebt den Zugverband in in die Kehre Ohlsdorf.

218 057 PRESS

Eigentlich hatte der Fotograf jetzt auf den gezogenen Verband spekuliert, doch kuppelte die 218 057 in der Kehre ab und setzte solo ins Werk aus. Der Vollzug der BR 474/874 dürfte ihr nach dem Anlegen der Stromabnehmer gefolgt sein, was aber nicht mehr abgewartet wurde, da der gesetzte Zeitrahmen für die Heimfahrt inzwischen doch sehr gedehnt war – aber nach stundenlangem Warten mit alle 50 Minuten den gleichen Zugverbänden wäre ein Abrücken kurz vor diesem Reigen ein ziemliches Fiasko gewesen und die Zeit der regelmäßigen Besuche in Ohlsdorf ist auch schon über 25 Jahre her…

Fotos in Google Earth © 2021 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben