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Mittwoch, 16. Juni 2021
– Reise in die Zeitblase
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Der Weg heute sollte eine
Zeitreise, dieses Mal im „Westen“ und im Bundesbahnland werden. Ende Mai führte der Weg bereits einmal in
eine Zeitblase, damals im „Osten“ im Reichsbahnland und
aus der Sicht des mehr oder minder zufälligen Betrachters. Aber
trotz aller Nostalgie und Reiz des Vergänglichen muss man sachlich feststellen, das Herz des in Hamburg
aufgewachsenen Fotografen schlägt bei der Bundesbahn einige Takte höher.
Die Zeitreise begann rund 11 Stunden nach dem letzten Foto an fast
gleicher Stelle. Während das Sammlungsgebiet
Deutsche Reichsbahn zum 31. Dezember 1993 abgeschlossen wurde,
ist das Sammlungsgebiet Deutsche
Bundesbahn nie so richtig abgeschlossen worden – obgleich die
Geschichte der alten DB ebenfalls zum 31. Dezember 1993 endete.
Im Osten gibt es einige Fahrzeugparks, die historisch stimmig zu den
Triebfahrzeugen der späten DR-Zeit passen – im Westen sind zwar
auch
zahlreiche Wagen der Nachkriegsbauarten erhalten, allerdings sind
stimmige Züge aufgrund der Verstreutheit der Wagen kaum
darzustellen,
bzw. manch vorhandener Bestand wurde durch Insolvenz oder Verkauf
aufgelöst. Einen Anbieter eines durchweg stimmigen Nachkriegszuges
der
Deutschen Bundesbahn gibt es allerdings und dieser war Ziel der Reise
über drei Tage. Zunächst fährt das aktuelle
Premium-Produkt der DB, der ICE4, in Form des ICE616 nach
Dortmund auf Gleis 5 des Kölner Hauptbahnhofs ein.
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Nein, das ist nicht der ICE545 nach
Berlin Stadtb…, äh Ostbahnhof. Auf Gleis 5 fährt nach rund 15 Monaten
pandemiebedingter Pause erstmals wieder der Rheingold
ein (Der Historiker wird jedoch
blitzgescheit feststellen, dass der Aussichtswagen ein für den F-Zug
Rheinpfeil beschaffter Wagen ist – die Fahrt heute erinnert auch an
den Rheinpfeil, wie er 1971 verkehrte).
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Inzwischen wird am Bahnsteig das
richtige Ziel Nürnberg angezeigt, die Zeitreise kann beginnen. An Gleis
5 steht der „außerplanmäßig“ auf den Laufweg Köln – Nürnberg verkürzte
TEE Rheinpfeil mit der
passenden Rheinpfeil-Lok 112 309 nach Nürnberg bereit.
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Auch eine Zeitreise kann die Zeit
nicht aufheben. So ist das Zuglaufschild des TEE Rheinpfeil in den seit den 1990er Jahren üblich
gewordenen Halterungen in den Türfenstern angebracht. Erst mit der
Digitalisierung der Zuglaufanzeigen ist die Anzeige des Zuglaufes
wieder an die ursprüngliche Stelle der Wagen zurückgekehrt. Sichtlich
stolz zeigt der zusteigende Reisende auf das Zuglaufschild – eine
Erinnerung an seine Kindheit, der ein nicht unwesentlicher Teil des
Zuges seine Existenz zu verdanken hat.
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Die Fernschnellzüge
Rheingold und Rheinpfeil erhielten 1962 bzw. 1963 Aussichtswagen der Gattung AD4üm mit einer Glaskanzel, welche ihnen nach den amerikanischen Vorbildern den Namen Domecar einbrachte.
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Reiseerlebnis
pur sind die Plätze im mit goldbedampften Scheiben versehenen
Aussichtswagen, die einst auf der bis heute ein Erlebnis bildenden
linken Rheinstrecke zum Einsatz kamen. Die Wagen wurden bereits 1973,
rund zehn Jahre nach ihrem Bau, aus dem Einsatz in den 1965 zum TEE
hochgestuften F-Zügen zurückgezogen.
1976 wurden sie an die Internationale Apfelpfeil-Organisation (IAO), nach Insolvenz der Gesellschaft an das Reisebüro Mittelthurgau verkauft, welche die Wagen wieder in TEE-Farben lackierte. Von von 1999 bis 2002 kamen die Wagen in Schweden bei der Veolia-Tochter Tågkompaniet
zwischen Stockholm und dem nördlich des Polarkreises gelegenen
Narvik zum Einsatz, ehe sie wieder nach Deutschland bzw. in die
Niederlande verkauft wurden.
Der Wagen 10554 wurde zunächst von der Vulkan-Eifel-Bahn Betriebsgesellschaft (VEB) übernommen, er wird seit 2007 von der AKE im Rheingold eingesetzt und ist zentraler Bestandteil der AKE-Fahrten.
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In
der mittleren Ebene des Aussichtswagen ist eine Bar angesiedelt. Ab
1964 wurden anstelle der Aussichtswagen für die lokbespannten
TEE-Züge ab 1964 14 neue Barwagen der Reihe ARD4üm-64 in
Dienst gestellt, die bis 1982 bei der DB im Dienst blieben. Die
fünf gebauten Buckelspeisewagen der Reihe WR4üm und die
fünf Aussichtswagen wurden von der DB früh außer Dienst
gestellt. Von den Barwagen und den Buckelspeisewagen ist je ein
Exemplar beim Freundeskreis Eisenbahn Köln e.V. (FEK) erhalten gelbieben, beide Wagen sind wie ein weiterer Aussichtswagen beim FEK betriebsfähig.
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Zu
jedem 1. Klasse Bereich gehörte bei TEE und IC ein
Großraumwagen der Reihe Ap4vüm, hier der 56 80 18-95 001-0.
Neben den Abteilwagen der Reihe Av4üm waren diese Wagen die
Königsklasse im
DB-Fernreiseverkehr. Je nach Vorliebe fand jeder seinen passenden Platz
und konnte den gehobenen Komfort genießen.
Wenn man in die
praktisch fertiggestellten Großraummittelwagen des 2004
gestoppten VT11.5-Projektes schaut, wird man in der Standard keine
Unterschiede finden. Im Gegensatz zu den verstreuten Resten des VT11.5-Projekts konnten die AKE-Wagen bis heute als Zeitzeugen fahrfähig erlebt werden.
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Individuell
die Sitze einstellen, ohne den Hintermann einzuengen, die
Fußstützen auf die die passende Höhe einstellen und
letztlich das Licht am Platz nach eigenen Wünschen einstellen.
Heute Fremdwörter – auch in der 1. Klasse der DB, wo die 1. Klasse
manchesmal nur noch in der Sitzfarbe einen Unterschied zur 2. Klasse macht
und im Buchungsportal gerne verramscht wird.
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Klassischer Blick entlang der Abteile. Der im Foto zu sehende Avmz hat die letzten Betriebsjahre beim ALEX
im bayerischen Nahverkehr verbracht und kam noch kurzzeitig beim HKX
zwischen Hamburg und Köln zum Einsatz. Drei dieser ehemaligen
ALEX-Wagen sind heute beim AKE für den Rheingold im Bestand.
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Ein vielen noch vertrauter Anblick, die
schwankenden Wagenübergänge. Laut, zugig und oft nur
mühsam zu öffnen. Automatische Türöffnungshilfen
gab es nur bei den TEE-Wagen der 1. Klasse. Die zweite Klasse
musste mit manuell zu öffnenden Türen auskommen oder
besaß nur Rolläden bzw. Falttüren – mit entsprechend in
die Wagen durchgehendem Lärm. Erst ab den IC-Großraumwagen der
2. Klasse wurden auch in der 2. Klasse automatische Türen zum
Standard.
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Messingrahmen
für Zuggattung und Zugnamen, Wagennummer und Zuglauf. Das Groß der heute erhaltenen
Zuglaufschilder von einst dürfte auf dem „normalen“ Schwundweg den Weg in
die heutige Zeit gefunden haben.
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Die Halbspeisewagen der Reihe ARüm-65 bzw. ARmh217 hatten einen der 1. Klasse zugeordneten Bereich, welcher bei Bedarf als Speisebereich genutzt werden konnte.
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Das klassische Speiseabteil mit der Trennung zum erweiterten Speiseabteil. Der heutige 56 80 85-92 151-4 wurde 1969 bei Wegmann gebaut und 2005 bei der DB ausgemustert, über ARRIVA
bzw. den ALEX – wo der Wagen im „Kakadu-Lack“ purpurrot/kobaltblau
gehalten war – kam der Wagen zur AKE, die 2015 den Wagen in den
TEE-Farben lackierte.
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Das
Highlight einer Reise auf den Schienen in Deutschland ist die Reise
entlang der linken Rheinstrecke zwischen Bonn und Mainz. Hier verkehrte
noch bis 1987 unter dem Namen Rheingold der letzte TEE der Deutschen
Bundesbahn. Lokbespannte EuroCity
haben die Nachfolge angetreten, die schweizerischen SBB betreiben noch
heute Aussichtswagen in den EC – ihr Ende ist aber absehbar.
Bei Boppard ein Blick auf den TEE Rheinpfeil mit seinen vier
klassischen TEE-Wagen und einer Bespannung aus zwei Loks der BR 112,
welche 1991 im Zuge der Integration der Loks der Deutschen Reichsbahn
in das Nummernsystem der DB zur BR 113 wurden.
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Auf
dieser Aufnahme bei Hirzenach auch die Auflösung, wie denn bei
einem klimatisierten TEE aus dem Zugfenster Aufnahmen entstehen
können. Der AKE Rheingold führt seit 2015 den Clubwagen WGmh824.0 56 80 89-80 600-0 mit, welcher 1976 bei der Waggon-Union in Berlin gebaut wurde und für den Einsatz im AKE Rheingold die TEE-Farben erhielt.
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Die
Fahrt im Aussichtswagen ist stets ein Erlebnis – besonders nachhaltig,
wenn die Klimaanlage ausfällt. Davor ist auch der AKE nicht
gefeit. Die Wagen hatten über ein Jahr Standzeit und manche
Schwachstelle zeigt sich erst unter Last. Aber mit etwas Umluft
lässt es sich im Domecar aushalten.
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Gestern
zeigte der Blick auf die Zuglok etwas modernere Traktionstechnik, aber
diese Form und Farbe ist einfach unschlagbar. Die Rheingold-E10.12
haben im Gegensatz zu den Rheinpfeil-E10.12 nie Umlaufgriffstangen
besessen.
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Zuglaufschild
des heute etwas im Zuglauf eingekürzten TEE-Rheinpfeil. Die
seitlich angebrachten Zuglaufschilder wandelten sich in der Gestaltung
und je nach Druckverfahren regelmäßig. Von den
Wagenaußenseiten verschwanden sie in den 1990er Jahren und wurden
in die Drehfalttüren bzw. bei Nahverkehrswagen in Fensterbereiche
an den Wagenenden verlagert.
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Die Landschaft hat sich etwas gewandelt – das klassische Maintal über Gemünden wurde über die Nantenbacher Kurve umfahren. In Richtung Ansbach ging es entlang des Würzburg-Ochsenfurter Maintals, hier am 1860 im Rundbogenstil erbauten Bahnhofsgebäude von Ochsenfuhrt.
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Schließlich
war das Ziel des Tagesetappe erreicht – Nürnberg. Die
glänzende 112 309 lässt in Nürnberg Rbf die 103 224
sprichwörtlich vor Neid erblassen.
Gehörte ab 2005 in den ersten Jahren stets eine Lokomotive der BR 103 zum von DB Nostalgiereisen
betriebenen TEE Rheingold – welcher ab 2007 durch eine Kooperation mit
der VEB bzw. der AKE u.a. um eines der aus Schweden
zurückgekehrten Domecars ergänzt wurde – zog sich die DB Ende
2012 mehr oder minder Knall auf Fall aus dem Betrieb des Rheingolds mit
allen der DB gehörenden Fahrzeugen zurück und der nun AKE
Rheingold genannte Zug war erstmal nur noch ein Schatten seinerselbst.
In den folgenden Jahren konnte der Bestand an TEE-Fahrzeugen beim AKE
zwar wieder mit eigenen Fahrzeugen erweitert werden – aber eine Lok der
BR 103 war ab Ende 2012 für den AKE-Rheingold nicht mehr
verfügbar.
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Zum Zeitpunkt der Ausmusterung der BR 103 bei DB Fernverkehr wurden
keine Fahrzeuge an extern verkauft, die museal erhaltenen Loks blieben
im Eigentum von DB Fernverkehr und gingen nach der Gründung der
Deutsche Bahn Stiftung gGmbH auf diese über. Nur die 103 136 war über
Siemens an das Bayerische Eisenbahnmuseum e.V. (BEM)
in Nördlingen gekommen. 2014 verkaufte DB Systemtechnik bei
Fristablauf ihre 103 222 – hier kam Railadventure zum Zuge, welches die Lok seitdem im typischen Railadventure-Design meist vor
Überführungen oder vor dem unternehmenseigenen und völlig
neugestalteten Domecar einsetzt.
2002 konnte auf private Initiative hin die 103 224 über einen Leihvertrag mit DB
Fernverkehr vor der Verschrottung gerettet werden, sie wurde im
Anschluss bei den Regentalwerken
in Neumark(Sachsen) äußerlich aufgearbeitet und für eine geplante Ausstellung im
Deutschen Dampflokmuseum (DDM) in Neuenmarkt-Wirsberg zunächst
geschützt hinterstellt. Nach Ablauf des Leihvertrages mit der DB und Übereignung
der 103 224 in das Stiftungsvermögen der Deutsche Bahn Stiftung zog das
DB Museum die Lok ab und stellte sie fortan im DB Museum in Nürnberg im
Außengelände ab.
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Die
Jahre der Freiausstellung ohne Lokpflege haben an der Lok Spuren
hinterlassen. Im Coronajahr 2020 eröffnete sich die vielleicht einmalige
Chance, das „verlorene Kind“ wieder in die Familie zu holen. Das DB
Museum ging auf das Angebot, die 103 224 gegen die 132 zu tauschen
ein.
Das DB Museum hatte die 103 132 im Jahr 2018 an das von Tobias Richter
geführte Unternehmen verkauft, die 2003 abgestellte Lok war aber
seit Jahren geplünderter Ersatzteilspender und in sehr
mäßigem Zustand. Die 103 224 dagegen war 2002 noch mit
eigener Kraft zur optischen Aufarbeitung nach Neumark gefahren und
vollständig. So wurden im Hause TRI Nägel mit Köpfen
gemacht und die Lok gekauft. Im Gegenzug wird die 103 132 nach einer
optischen Aufarbeitung an das DB Museum übereignet und vsl. wieder
in Nürnberg ausgestellt.
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Nun ist es soweit, die 103 224 wird von TRI abgeholt. 112 268 setzt sich an die Lok.
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Inmitten von modernen Drehstromlokomotiven zieht die 112 268 die 103 224 etwas vor, um sie an passender Stelle zu parken.
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Der Lack von 103 224 ist in den fünf Jahren in Nürnberg unverkennbar stumpf geworden.
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Doch
das muss nicht sein, sagt sich der neue Eigentümer der Lok. Was
wird zuerst geputzt? Natürlich das Lokschild, das Heiligtum einer
jeden 103!
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Alleine putzen macht keinen Spaß, eine 103 ist groß und bietet viel Fläche zum putzen.
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Der Dirigent gibt den Takt an und keine Stelle der Lokfront bleibt unbeachtet.
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Nun ist die Lok von vorne wieder vorzeigbar und es ist Zeit für den symbolischen Eigentumswechsel. Goodbye DB, welcome TRI.
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Bevor
die Reise in das Nachtlager weitergeht musste noch ein Familienfoto
sein. Das Motto der Fahrt war TEE Rheinpfeil 1971, auch wenn die 103
224 erst 1973 in Dienst gestellt wurde. Entsprechend sind beide E10.12
in der EDV-Beschriftung ab 1968 angereist. Die 112 309 wird
üblicherweise als E10 1309 eingesetzt.
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Kein Vergleich mehr zum ersten
Nebeneinanderfoto mit 112 309 weiter oben. In den kommenden Monaten
wird die Lok in Dessau einer Hauptuntersuchung unterzogen und dabei
vsl. die auch bei den E10.12 verwendeten, originalen TEE-Farbtöne
Beige (RAL 1001) und Weinrot (RAL 3005) erhalten, wie sie bis 1974 Anwendung fanden. In Zusammenhang mit der Einführung des neuen ozeanblau/elfenbeinfarbenen Farbschemas (RAL 5020/RAL 1014 bzw. Purpurrot (RAL 3004)) waren diese Farbtöne ab 1974 geändert worden.
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Die Loks werden zusammengestellt und der Zug für die morgige Fahrt in Richtung Dessau vorbereitet.
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Fotos
in Google Earth |
©
2021 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de |
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