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Sonntag, 15. Mai 2022
– Strahlender Sonnenschein über Halberstadt
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Nach den Fotoreihen der vergangenen
Tage sollte es heute etwas ruhiger angehen – die Zuführung der 99
5906 nach Nordhausen fuhr bereits um 6 Uhr ab Gernrode, da ließ
der Autor dann Mallet Mallet sein und stieg bei ganztägig sonniger
Prognose zum Vormittagszug aus Quedlinburg ein. Dieses Motiv hätte
der Autor auch gerne am Vortag mit 99 5906 gemacht – doch zu unsicher
war die Aussicht, ob die Szenerie am Morgenmotiv Bad Suderode nicht
völlig überrannt würde (Anm:
wurde es am Ende nicht, bei 99 6001 heute herrschte mehr
Bahnsteigbetrieb als bei 99 5906 gestern).
Während angesichts der Sonnenprognose noch Pläne für den
weiteren Tag im Harz geschmiedet wurden, erblickte der Fotograf am
Himmel in Richtung Brocken Quellwolken. Eine Erscheinung, die die
letzten Tage im Harz stets begleitend war, nicht selten frustrierend
und der nun aus dem Weg gegangen werden sollte. Bei der Suche eines
neuen Ziels fiel Halberstadt ins Auge. Schnell erreichbar, in
Heimatrichtung und ausreichend vom Brocken mit seinen Quellern entfernt.
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Halberstadt mit seinen 11,7
Kilometern Streckenlänge ist einer der kleinsten
Straßenbahnbetriebe in Deutschland. Die knapp unter Betrieb
erreichte Wende überstand der verschlissene Betrieb dank
Gebrauchtfahrzeugen aus Stuttgart und Freiburg, die Gleis- und
Infrastrukturanlagen wurden bis 2009 mit großzügigen
Förderungen umfassend saniert.
2005 konnten in einem abschließenden Schritt fünf
Neubaufahrzeuge vom Typ Leoliner
bei der LEOLINER Fahrzeug-Bau
Leipzig GmbH (FBL), 100-prozentiges Tochterunternehmen der Leipziger Verkehrsbetriebe GmbH,
bestellt werden (seit 2007 firmiert
das Tochterunternehmen als HeiterBlick GmbH). Als
Betriebsreserve sind noch einige Fahrzeuge vom Typ GT4 im Bestand, da
nur der Bedarf für den täglichen Auslauf beschafft wurde.
Hier passiert der Triebwagen 4 auf der Fahrt zum Sargstedter Weg den
Bahnübergang Klusstraße.
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Trotz aller
Sanierungsmaßnahmen ist es nie ruhig um den Fortbestand der
Halberstädter Straßenbahn geworden. Zwischen 2003 und 2005
wurde die Stilllegung intensiv diskutiert, aber am Ende die fünf
Neubauwagen bestellt. In den Jahren 2011 und 2015 kam das Thema wieder
auf die Tagesordnung. Große laufende Investionen in die
Infrastrukur finden bis heute nicht statt, so dass mit Blick auf 2025
erneut eine Stilllegung ins Spiel kam, welche trotz dann fälliger Rückzahlungen
von Fördermitteln – deren Bindefrist 2033
ausläuft – günstiger ausfallen würde, als der
Weiterbetrieb bis 2033.
Im Jahr 2019 wurde die Halberstädter
Verkehrsgesellschaft (HVG) mit der Durchführung des
Straßenbahnbetriebs bis 2033 betraut. Damit sind aktuell die
Grundlagen gegeben, dass die Straßenbahn bis dahin weiter rollen
kann. Da derzeit keine Perspektive über das Jahr 2033 hinaus
vorhanden ist, finden auch keine nachhaltigen Erhaltungsmaßnahmen
statt, so dass das Netz 2033 ohne bis dahin wegweisende Entscheidungen
durch und durch sanierungsfällig sein wird – in einer Stadt die
seit Jahren mit ihrer Straßenbahn auf Kriegsfuß steht. Tw 5
in der Heinrich-Julius-Straße, im Hintergrund die markante Kirche
St. Martini
mit ihren beiden ungleichen Türmen.
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Aus dem 16. Jahrhundert stammt das
Eckhaus an der Dominikanerstraße, Ecke Gröperstraße.
Halberstadt verfügt über eine Vielzahl solcher Bauten, obwohl
die Stadt im 2. Weltkrieg schwerste Zerstörungen erlitt. Die Wende
rettete vieler dieser Bauten, welche zu DDR-Zeiten kaum durchgreifend
saniert werden konnten. Noch 1992 war der Bau völlig verfallen. Tw
4 auf dem Weg zum Sargstedter Weg. Nach links in die
Gröperstraße zweigt die Strecke zum Friedhof (und zum Betriebshof) ab, sie wird
seit 2012 an Sonntagen nicht von Linienfahrzeugen befahren.
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Markant die Voigtei. Bis 1993
Endstation für die Straßenbahn mit einem fotogenen
Wendedreieck in der damals noch nicht sanierten Altstadt. Seit 1993
wird die Straßenbahn zu einer Wendeschleife am Sargstedter Weg
weitergeführt.
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Der Blick in die andere Richtung in
der Voigtei. Der enge Bogen in der Voigtei ist nur eingleisig
ausgeführt, in diesem Bereich lag das einstige Wendedreieck. Die
Neubaustrecke zum Sargstedter Weg ist wieder zweigleisig trassiert.
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Triebwagen 4. An Sonntagen fahren
in Halberstadt nur zwei Triebwagen.
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Das Gefälle in der Voigtei
lädt zur Nutzung von etwas Höhe geradezu ein. Triebwagen 4
kommt aus dem Sargstedter Weg gefahren. An Sonntagen herrscht wenig
Autoverkehr, so dass auch kein Auto das Foto bombte. Triebwagen 4
erreicht die Stelle des früheren nördlichen Teils des
Wendedreiecks, an das sich die Neubaustrecke anschließt. Nach
links zweigte die Haltestelle Voigtei ab.
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Beim Nachfahren auf den Tw 4
entsprechend des Sonnenstandes erblickte der Autor in der heute nicht
befahrenen Gröperstraße einen Zug stehen. Kurzerhand das
Auto am Fahrbahnrand geparkt, Kamera genommen und zum Abzweig
gespurtet. Sogleich erschien der GT4 166 quietschend im Gleisbogen. Der
Wagen wurde 2006 als Kinderbahn „Ha Ki Ba“ hergerichtet. und
entsprechend gestaltet. Der Einsatz scheint relativ selten zu sein, es
gibt im Web nur wenige Fotos des Zuges im Netz fahrend – einige Jahre
war der Tw 166 zudem abgestellt.
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Die Zeit reichte locker, um den
Triebwagen 4 auf der Fahrt nach Klus wieder einzuholen. Einmal
in der Stunde befährt an Wochenenden ein Zug den Außenast
nach Klus, unter der Woche ist nach Klus kein Betrieb.
Tw 4 hat an der
Hans-Neupert-Straße entsprechend der Netzgestaltung bereits auf
Bahnhof umgeschildert – die Schleife Klus ist für den Triebwagen
kein Ziel, sondern nur eine Haltestelle. Der Weg dorthin geht zu Lasten
der Wendezeit am Bahnhof, aber ein optimaler Weg diese Ausflugsstrecke
ins Netz einzubinden.
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Bei der Rückfahrt nach dem
Foto zum nächsten Fotopunkt sah der Autor den Tw 166 an der Hst
Herbingstraße stehen, er wartete auf die Rückkehr des Tw 4
von der eingleisigen Strecke nach Klus. Umgehend dorthin
zurückgekehrt wurde Tw 166 wieder an der Hans-Neupert-Straße
erwartet. Die Kindergruppe stieg zuvor an der Hst Kirschallee in den
Zug.
Halberstadt verfügt über einen großen Bestand an
Sonderfahrzeugen, dessen Zahl die Zahl der Linienwagen sogar
übersteigt. Letztmals wurde 2013 ein
Auslauf praktisch aller Sonderwagen auf die Beine gestellt, die Wagen
kamen damals zusätzlich zu den Linienwagen zum Einsatz. Inzwischen
ist der eine oder andere Wagen mit Fristablauf abgestellt.
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An der Westerhäuser
Straße liegt einer der letzten Bahnübergänge mit
WSSB-Technik. Eigentlich sind diese Anlagen seit über zehn Jahren
nicht mehr zulässig, doch war die große Zahl der damals noch
vorhandenen Anlagen Anlass dazu, für jede Anlage
eine Ausnahmegenhmigung mit Ablaufdatum festzulegen. Passend für
die Querung von RE75621 nach Magdeburg stand der Tw 4
an der Kreuzung von Straßen- und Eisenbahn.
Bereits 2017 ergab
sich über die damals noch unsanierte Straße ein
Blick auf 95 027, welche in Blankenburg
für Fahrten auf der Rübelandbahn
betriebsfähig gehalten wird. Die damals noch vorhandenen, für
WSSB-Bahnübergänge typischen Schrankenbäume wurden im
Januar 2018 durch einen
offenbar von der Sonne geblendeten Autofahrer gefällt und durch
runde
Exemplare ersetzt.
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Im Sommer 2021 meldete der Anbieter Abellio Deutschland nach
ergebnislosen Verhandlungen mit den Aufgabenträgern mit seinen
Töchtern Insolvenz an. Sichtbarer Ausdruck der Verwerfungen am
deutschen SPNV-Markt.
Während Abellio in Nordrhein-Westfalen zum 31. Januar 2022 den
Betrieb einstellte und über Notvergaben andere Anbieter
einsprangen, wird Abellio das Dieselnetz
Sachsen-Anhalt noch bis Ende 2023 statt bis Ende 2032 bedienen.
1648 947 passiert als RE75618 nach Blankenburg die Westerhäuser
Straße und erreicht gleich den Bf Halberstadt-Spiegelsberge. Zu
Ende 2023 wird nun ein neuer Betreiber gesucht, der Abellio
ablösen wird.
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Für einen Wechsel musste die
Höhe am Bahnübergang Westerhäuser Straße kurz
eingefahren werden – just in diesem Moment näherte sich der Tw
166, welcher 2006 den Triebwagen 30 der Bauart Gotha als Kinderbahn ablöste.
Der Tw 30 wurde anschließend als historischer Wagen restauriert
und 2013 wieder in Betrieb genommen.
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Der Triebwagen 5 war im September
2020 in einen Unfall zweier Leoliner verwickelt, wo ein Triebwagen an
der Kühlinger Straße für den entgegenkommenden Fahrer
offenbar unerwartet nach links abbog. Beide Triebwagen wurden schwer
beschädigt und fielen rund ein Jahr aus, in dieser Zeit
gehörten GT4 unter der Woche wieder zum regelmäßigen
Bild in Halberstadt. Nach seiner im Oktober 2021 abgeschlossenen
Instandsetzung erhielt der Tw 5 Werbung für die NOSA GmbH – die Holding der Stadt
Halberstadt, innerhalb derer auch die Straßenbahn Halberstadt
betrieben wird.
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Warum St. Martini zwei ungleiche
Türme hat, ist historisch bis heute nicht belegt. Es gibt einige
Theorien – dass das Geld am Ende nicht reichte ist vielleicht die
naheliegenste Theorie, wenn man an die Bauzeit der Kirche denkt, welche
über mehrere Jahrhunderte ging.
Auch die Zerstörungen des 2. Weltkriegs, denen St. Martini zu 82
Prozent zum Opfer fiel, konnten an der Erscheinung der Kirche nichts
ändern – bis 1954 wurde die markante Erscheinung der Kirche wieder
hergestellt. Tw 4 tritt auf dem Foto dezent in den Hintergrund.
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Die aktuelle Hst Voigtei in der
Altstadt erreicht zum Abschluss der aktuellen Fotoreihe der Tw 5 auf
der Fahrt zum Sargstedter Weg.
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Fotos
in Google Earth |
©
2022 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de |
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