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Donnerstag, 5. Mai 2022
– Mit der 99 5906 von Nordhausen nach Wernigerode
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Im Harz verkehren Schmalspurbahnen
seit dem Jahr 1896, 1897 wurden die ersten Dampfloks der Bauart Mallet
ausgeliefert. Praktisch die gesamte Geschichte der
Schmalspurbahnen im Harz – zunächst bei der Nordhausen-Wernigeroder
Eisenbahn-Gesellschaft (NWE) und ab den 50er Jahren des 20.
Jahrhunderts unter der Regie der Deutschen
Reichsbahn bei der Selketalbahn
– ist bisher eng mit den Lokomotiven verbunden. Das das Netz heute
betreibende Unternehmen Harzer
Schmalspurbahnen GmbH (HSB) wirbt aktiv mit der markanten
Silhouette der Malletloks.
Nun wird es kommende Woche nach über 120 Jahren das erste Mal
sein, dass bei den Schmalspurbahnen im Harz auf
längere Sicht keine Malletlok mehr im Einsatzbestand stehen wird.
Die HSB würdigt den bevorstehenden Abschied der 99 5906 mit
mehreren Fahrten – die letzte davon wird am 15. Mai in Hasselfelde
enden und die Lok direkt in den dortigen Schuppen einziehen.
Heute war die erste Fahrt dieser Reihe, die Fahrt begann eindrucksvoll
mit einer Ausfahrt aus dem Bf Nordhausen Nord, welcher als letzter
Bahnhof im Netz der HSB noch über Formsignale verfügt.
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Bis 2019
fuhren in der Regel die beiden 1897 gebauten Loks 99 5901 und 5902
den Traditionszug zum Brocken, die 1918 ursprünglich für die
deutschen
Heeresfeldbahnen gebaute 99 5906 war seit 2016 Reserve für
Sondereinsatze, nachdem sie lange Jahre zuvor meist den zweiten
Dampfumlauf im
Selketal gefahren hatte.
Nun ist die finanzielle Lage im Harz seit vielen Jahren wenig rosig,
die Zuschüsse für den Dampfbetrieb waren lange auf dem Stand
von 1992
gedeckelt und die HSB mussten die Kostensteigerungen aus eigener Kraft
erwirtschaften. Ging dieses über rund 20 Jahre weitgehend ohne
nach
Außen sichtbare Folgen, ist diese Entwicklung seit 2013 für
den
Außenstehenden nicht mehr zu übersehen. 99 5906 passiert auf
ihrer Abschiedstournee die Kalkfelsen bei Niedersachswerfen.
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Viele
Personale gingen aufgrund der recht niedrigen Löhne zu
Wettbewerbern, die mehr zahlen können, so
dass sich Zugausfälle seit 2016 häuften, zahlreiche Fahrzeuge
für den
Sonderverkehr gingen mit Fristablauf aus dem Betrieb und selbst der
Bestand für den täglichen Auslauf wurde zusammengestrichen.
Für
Sondereinsätze sind in der Saison praktisch keine Loks mehr
vorhanden
und eine Diesellok der BR 199.8 ist fest im Betrieb eingeplant.
Für die
öfter notwendigen Ersatzleistungen hat inzwischen eine zweite
Diesellok
wieder einen Heizkessel erhalten – die drei letzten Loks der BR 199.8
unterhielt die HSB eigentlich nur noch für den bis 2015 noch
betriebenen Schotterverkehr nach Nordhausen und für
Rangierdienste.
Alle anderen Loks wurden an Adtranz
verkauft bzw. sind seit den 1990er Jahren abgestellt.
Hier steht 99 5906 mit ihrem Sonderzug im Bf Eisfelder Talmühle.
Hier gehörte die 99 5906 bis in die 50er Jahre, zwischen 1984 bis
1989 und wieder ab 2002 zu den Stammgästen. Ist heute so manches
Bahnhofsgebäude entlang des HSB-Streckennetzes nur noch ein
Schatten seinerselbst, so konnte zu Beginn der 2000er Jahre das
Bahnhofsgebäude des einsam gelegenen Bahnhofs Eisfelder
Talmühle als Gaststätte und Pension wieder einer Nutzung
zugeführt werden.
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Nachdem die
99 5901 und 5902 bereits seit geraumer Zeit defekt
abgestellt sind und auf eine (bisher
nicht genehmigte)
Hauptuntersuchung warten, trifft es kommende Woche die letzte noch
betriebsfähige Malletlok der HSB. Die Lok war zu Beginn
der 1990er Jahre zentraler Punkt eines Streits zwischen DR, dem DEV und
den Landkreis Wernigerode, welcher mittels einer Einstweiligen
Verfügung den Abtransport der von der DR an den DEV verkauften 99
5906
aufgrund des Denkmalschutzes der Schmalspurbahnen im Harz untersagte.
Die HSB arbeitete die Lok bis 2002 wieder betriebsfähig auf und
setzte
die Lok fortan zusammen mit 99 6001 im Selketal ein, welches damit
wieder praktisch ausschließlich von langjährigen
Selketalmaschinen
bedient wurde.
Hier steht die Lok wie scheinbar alltäglich im Bf Eisfelder
Talmühle zur Fahrt nach Gernrode bereit – der neue Bahnsteig wurde
zu Beginn des Jahres 2011 gebaut. Allerdings stand die Lok bei ihren
Planeinsätzen seit 2010 stets tendervoraus im Bf Eisfelder
Talmühle, da der Zug in Stiege durch die bis 1984 für den
Güterverkehr gebauten Wendeschleife fuhr und so das Umsetzen der
Lok gespart werden konnte.
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Seit den 1990er Jahren Alltag im
Harz. Die HSB reduzierte den täglichen Dampflokauslauf nach
Betriebsübernahme drastisch, ihr Ziel war ein durchgehender
Dampfbetrieb zum Brocken und auf den weiteren Zweigen des Netzes
täglich mindestens einen Dampfzug fahren zu lassen. Dieses klappt
in der
Regel bis heute. Kamen zunächst noch die Loks der 199.8 auf den
künftig als Triebwagenleistungen geplanten Fahrten zum Einsatz,
übernahmen nach und nach neu- oder umgebaute Triebwagen die
anderen Verkehre.
Der (als Teil des
SPNV-Angebots Nordhausen – Ilfeld) nach
Nordhausen ausfahrende 187 017 wurde 1999 als Teil
einer vier Triebwagen umfassenden Serie im früheren Raw Halberstadt und ab 2002 als VIS Halberstadt firmierenden Werks
für die HSB
gebaut und baute auf dem im DB-Werk Wittenberge gebauten
Prototyp 187 015
auf. Die ursprünglich mitentwickelte 750mm-Variante wurde nie
gebaut.
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Links vom Wasserkran, an dem die 99
5906 Wasser nimmt, stand bis in die Nachkriegszeit ein
einständiger Lokschuppen. Dort überstand der GHE T1 als
einziges Triebfahrzeug der GHE die Wirren des 2. Weltkriegs.
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Parallelausfahrten sind bei der HSB
täglich planmäßig, aber nicht derart spektakulär
wie hier bei 99 5906 zusammen mit 99 7245, der Nordhäuser
Stammlok. Derzeit gibt es nur in Alexisbad um 15.04 Uhr
planmäßig eine Doppelausfahrt eines Dampfzuges und eines
Dieseltriebwagens, welche aber nicht ganz unwesentlich vom Engagement
der Triebfahrzeugpersonale abhängt. Die 99 7245 fährt je nach
Lokpersonal von Nordhausen mit Kamin voraus, oder Tender voraus. Heute
ist die Konstellation perfekt. 99 7245 wie auch 99 5906 befinden sich
im Zustand der 1980er Jahre bei der Deutschen Reichsbahn, inklusive der
weißen Markierungen für eingeschränkte Profilfreiheit
bei Transport auf Regelspurgüterwagen. Effektiv völlig
zeitlos fahren die beiden Zügen aus dem Bf Eisfelder Talmühle
aus.
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Nachdem die Sonne die vergangenen
Tage fast unentwegt geschienen hat, schwächelt sie im Harzer Raum
heute. Entlang des Tiefenbachtals
bei Sophienhof liegt völlig abseits dieser Teich. Die Lichtwerte
waren grenzwertig, bei Sonne wäre das Licht ohnehin von
schräg hinten gekommen. So kann man philosophieren, ob die
Wolkenbildung bei diesem Motiv nicht doch von Vorteil war.
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Die Fotostelle Kälberbruch
würde jetzt auch im völligen Gegenlicht liegen. Der durch die
Dürrejahre ab 2018 geschwächte Baumbestand im Harz war ein
gefundenes Fressen für den Borkenkäfer, welcher sich
über die einst gezielt gepflanzten Fichten hermachte und sie
großflächtig absterben ließ. So ist auch die ehemalige
Holzverladestelle Kälberbruch nun aus völlig neuen Winkeln
ablichtbar. Die markante Bude ist zunehmend aber nur noch ein Schatten
ihrerselbst und hat nur noch eine begrenzte Lebensdauer.
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Die älteren Leser des
Fototagebuchs werden sich noch gut an die Zeiten bis 1989 erinnern
können. Damals wäre hier bei Sorge kein Foto möglich
gewesen, die Harzquerbahn
fuhr hier direkt an der innerdeutschen Staatsgrenze entlang, eine
Annäherung zu Fuß wäre unmöglich gewesen – in den
Zügen fuhren stets Mitarbeiter der Staatssicherheit mit, welche die
Reisenden im Blick behielten – die Durchfahrt mit den Zügen durch
diesen Bereich unterlag trotz aller Nähe zur Staatsgrenze keinen
Beschränkungen. Inzwischen ist der einstige Grenzstreifen hinten
rechts im Bild zum dichten Wald geworden.
Alle Zeiten überdauert hat ein Brückenwiderlager der 1945 an
der innerdeutschen Grenze unterbrochenen Südharz-Eisenbahn, dessen
längst ungenutztes Brückenbauwerk zwischen Sorge und
Brunnenbachsmühle 1958 bis auf das noch heute erhaltene Widerlager
abgebrochen wurde. Das zweite Brückenwiderlager fiel den
Grenzsicherungsmaßnahmen der DDR zum Opfer.
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Die Kirchstraße in
Wernigerode-Hasserode steht als letztes großes Sicherungsprojekt
noch im Projektplan der HSB. Die als verkehrsberuhigter Bereich geltene
Straße verfügt aktuell über keine technische Sicherung
für den Autoverkehr. Alsbald soll diese technische Sicherung
nachgeholt werden und damit sich sicherlich auch die markante Form der
Kirchstraße nachhaltig verändern. 99 5906 rollt langsam
leicht eingeraucht durch die Kirchstraße.
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Die 199 874 ist die aktuell letzte
199.8 der HSB im betriebsfähigen Bestand, die noch keinen
Heizkessel wiedererhalten hat und somit nur in den Sommermonaten vor
Reisezügen einsetzbar ist. Die klappbaren Pufferbohlen für
den aufgegebenen Rollbockverkehr haben die beiden Loks 199 872 und 874
inzwischen verloren. Rechts im Bw Wernigerode die 99 222.
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Die 99 222 ist die letzte erhaltene
Lok der 1931 beschafften Reihe 99.22, welche von der BMAG in Berlin gebaut wurden. Die
Lokomotiven der Reihe 99.22 sollten preußische Lokomotiven
insbesondere im Bereich der Reichsbahndirektion Erfurt, aber auch auf
bayerischen, badischen und württembergischen Strecken ersetzen.
Gebaut wurden letztlich nur drei Lokomotiven, die auf der in
Thüringen gelegenen Schmalspurbahn Eisfeld – Schönbrunn
eingesetzt wurden.
Die 99 221 und 223 wurden im 2. Weltkrieg nach Norwegen zur Thamshavnbane verschifft, wo sie
bis 1953 nach der vollen Wiederaufnahme des elektrischen Betriebes
verschrottet wurden. Auf Basis des Einheitslokentwurfs wurden ab 1954
die Neubaulokomotiven der Baureihe 99.23 beim LKM in Babelsberg gebaut, die
rechts im Bild stehen und bis heute die Basis des Dampfbetriebs im Harz
stellen.
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Fotos
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©
2022 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de |
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