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1. August – Verkehrstag am Schönberger Strand
28. August – 111 Jahre Straßenbahn Schöneiche
5. August – Dunkle Wolken über der Hochbrücke 29. August – KSW in Woltersdorf auf Linie
10. August – Schatten des ITS-Weltkongresses
11. August – Der letzte Nordliner aus Padborg
15. August – Mit der MaK über die OHE nach Munster
18. August – Spiel, Satz und Sieg
20. August – Mit dem Uerdinger auf den Spuren der VEV
21. August – Wolkenspiel mit 218 497
23. August – Wolkenkrimi mit Eurodual
25. August – Flix und Smart in Müssen

Sonntag, 29. August 2021 – KSW in Woltersdorf auf Linie

Hilfsgerätezug

Am Sonntagmorgen hieß es „Auf nach Woltersdorf“. Von der Unterkunft am Müggelsee führt der direkte Weg nach Woltersdorf über Erkner. Der historische Betrieb bei der S-Bahn in Berlin ist seit der von der S-Bahn Berlin 2009 selbst verschuldeten S-Bahnkrise eingestellt, historischer Fahrbetrieb muss künftig vom Verein Historische S-Bahn e.V. selbst organisiert und durchgeführt werden.
Die S-Bahn Berlin stellt
dem Verein nach der Aufgabe des Schuppens Hundekehle in Grunewald im Werk Erkner Kapazität zur Verfügung, in der Anfangszeit konnte der Verein das Werk einige Zeit ausschließlich nutzen. Inzwischen nutzt die S-Bahn das Werk wieder für den täglichen Betrieb, so dass einzelne Fahrzeuge im Freigelände geparkt sind.
Dazu gehört auch der frühere Hilfsgerätezug des S-Bw Friedrichsfelde aus den Triebwagen 278 005 und 007 sowie den Beiwagen
278 006 und 008, welcher aus einem Zug der der Bauart Bernau (ab 1940 ET/EB 169) hervorgegangen ist. Zu Beginn der 90er Jahre konnte der Verein einen ET 169-Kopf aus dem Raw Schöneweide bergen, der dort seit dem zweiten Weltkrieg als Schuppen gedient hatte. Mit Hilfe des Originalkopfes und weiteren erhaltenen EB 169 wäre der Wiederaufbau eines Museumszuges der Bauart Bernau denkbar gewesen.
In den 1990er Jahren schien dieses nicht unmöglich, doch haben sich seitdem die Rahmenbedingungen derart gewandelt, dass das Ziel eines Museumszuges der Bauart Bernau nicht mehr realistisch ist und auch der Stellplatz endlich ist. Wie sehr die Freiabstellung dem Hilfsgerätezug zusetzt, sieht man am Morgen in Erkner deutlich – der Materialwagen 278 007 ist inzwischen deutlich verwittert. Im Hintergrund der Prototyp der BR 270, der 270 001 und der Versuchszug-Triebwagen 275 959 der Bauart 1932a – welche derzeit ebenfalls keinen Hallenplatz haben.
Der zweite Triebwagen des 1999 zum 75. Bestehen der Berliner S-Bahn letztmals öffentlich im Betrieb gezeigten Hilfsgerätezuges – der Mannschaftswagen 278 005 – wurde zwischenzeitlich an das Deutsche Technikmuseum Berlin (DTMB) verkauft, wo er nach Realisierung der geplanten Erweiterung der Eisenbahnausstellung ausgestellt werden soll.

Tw 31

In Woltersdorf scheint beim dortigen Straßenbahnbetrieb die Zeit stehengeblieben zu sein. Hier gehören die inzwischen rund 60 Jahre alten Gothawagen seit den 1970er Jahren zum alltäglichen Straßenbild. Während sie auf dem Gebiet der früheren DDR ab 1990 fast überall nach und nach durch modernere Fahrzeuge ersetzt wurden, blieben die Gothawagen in Woltersdorf Alltag – Neufahrzeuge wurden nicht beschafft, die Triebwagen bei der Mittenwalder Gerätebau GmbH (MGB) grundlegend aufgearbeitet und im Frontbereich nur leicht modernisiert im historischen Erscheinungsbild weiterbetrieben.
Aktuell sind sieben Gothatriebwagen im Bestand vorhanden, drei werden für den täglichen Auslauf benötigt. Nach Aufgabe des planmäßigen Beiwagenverkehrs im Mai 2006 sind noch zwei Beiwagen der Bauart Gotha im Bestand, sie wurden seit 2015 nicht mehr im Linienverkehr eingesetzt und sind im Betriebshof abgeplant hinterstellt.


Tw 7

Ein Merkmal des Betriebes in Woltersdorf sind die historischen Fahrzeuge. Bereits Ende der 1960er Jahre wurden in Berlin historische Fahrzeuge zur Erhaltung vorgesehen, sie mussten die Gleise in Berlin verlassen und kamen über Umwege nach Woltersdorf, wo sie zwischengelagert und mit der Aufarbeitung begonnen wurde. Ab 1987 wurde der aus der Ursprungsausstattung der Woltersdorfer Straßenbahn stammende Wagen 2 aufgearbeitet und zwischen 1999 und 2003 von Grund auf neu aufgebaut.
Mit dem KSW-Triebwagen 7 besitzt die Woltersdorfer Straßenbahn den erstgebauten Kriegsstraßenbahnwagen (KSW), welcher 1944 nach Ende einer dreimonatigen Erprobungsphase in Berlin nach Woltersdorf kam – im Januar 1944 hatte eine Luftmine große Teile des eigenen Wagenparks schwer getroffen und Ersatz war dringend benötigt. Der Tw 7 diente formell noch bis 1996 als Betriebsreserve, erhielt 1992 eine sandbraune Lackierung, wie sie der Wagen bei Auslieferung 1943 getragen haben soll. Im Zuge der Restaurierung des 1986 ausgemusterten KSW-Beiwagens 22 erhielt der Triebwagen 7 im Jahr 1996 wieder die zu DDR-Zeiten übliche crémefarbene Lackierung.
Aus Anlass des Woltersdorfer Sommerfestes übernahm der Triebwagen 7 einen der beiden Plankurse der Linie 87. Anno 2021 ist dieses noch ohne große Abstriche möglich – als einzige Einschränkung gegenüber den Gothawagen verfügt der KSW-Triebwagen nur über 16 Sitzplätze, während der in Woltersdorf aktuell noch übliche Gothawagen 22 Sitzplätze besitzt. Tw 7 verlässt die Hst Thälmannplatz, im Hintergrund auf dem Militärfriedhof das Sowjetische Ehrenmal in Woltersdorf.

Tw 7

Woltersdorf ist am Rande des Berliner Urstromtals gelegen, die Gemeinde von starken Höhenunterschieden im Ort geprägt. Am zentralen Woltersdorfer Bereich mit Rathaus, Wochenmarkt und der St. Michael-Kirche passiert der Tw 7 die Rudolf-Breitscheid-Straße.

Tw 31

Bekanntestes Motiv der Woltersdorfer Straßenbahn sind die Bögen der Rudolf-Breitscheid-Straße vor dem Bauersee. Die Straßenbahn fährt hier im Gegenverkehr und wechselt die Straßenseite. Tw 31 fährt am noch recht verkehrsarmen Sonntagvormittag in Richtung Schleuse.
Neuester Gothawagen in Woltersdorf ist der Triebwagen 33, welcher in Dresden seit 1991 als Kinderbahn diente und 1997 an das Theater Junge Generation
abgegeben wurde, wo er lange für ein zuletzt nicht mehr aufgeführtes Musical (Linie 1) warb. 2008 übernahm ihn die Straßenbahn Woltersdorf und nahm ihn nach grundlegender Aufarbeitung (u.a. in Gera) im Mai 2018 in Betrieb. Von daher dachte niemand ernsthaft daran, dass das Gothawagenparadies Woltersdorf in absehbarer Zeit in Frage gestellt sein könnte.

Tw 31

Das 2013 neu gefasste Personenbeförderungsgesetz (PBefG) schreibt ab dem 1. Januar 2022 die Realisierung der vollständigen Barrierefreiheit im öffentlichen Personennahverkehr vor und lässt künftig in den Nahverkehrsplänen der Kommunen nur eng gefasste Ausnahmen zu. Für Woltersdorf schien eine solche Ausnahmeregelung geplant, doch verstarb die langjährige Geschftsführerin der Woltersdorfer Straßenbahn unerwartet im Dezember 2017.
Zunächst übergangsweise übernahm die benachbarte Schöneicher-Rüdersdorfer Straßenbahn GmbH (SRS)
im April 2018 die Betriebsführung der Woltersdorfer Straßenbahn, nach einem Verhandlungsverfahren mit Aufruf zum Wettbewerb ist die SRS seit Januar 2020 über einen Zeitraum von 22,5 Jahren für die Betriebsführung der Woltersdorfer Straßenbahn verantwortlich. Bereits bis 2004 hatte es eine gemeinsame Verwaltung der beiden Überlandstraßenbahnen östlich Berlins gegeben, ehe die Woltersdorfer Straßenbahn organisatorisch getrennt wurde und die damalige Prokuristin der SRS, Monika Viktor, die Geschäftsführung der Woltersdorfer Straßenbahn übernahm
Zum Foto oben: Tw 31 verlässt an der Blumenstraße aus Richtung Schleuse kommend die Schleusenstraße, wechselt die Straßenseite und wird gleich die Rudolf-Breitscheid-Straße bergauf fahren.

Tw 7

Die Engstelle an der Blumenstraße dürfte so manchem ortsunkundigen Autofahrer Schweißperlen auf die Stirn treiben. Frisch saniert zeigt sich die Einmündung der Blumenstraße.

Tw 7

Sonntagvormittag und kaum etwas los in Woltersdorf. Die Witterung lädt auch nicht unbedingt zu Aktivitäten am Vormittag ein. Der KSW 7 quert die Rüdersdorfer Straße – die Tatzlagermotoren sind unüberhörbar, als sich der KSW 7 die Steigung hinauf müht.

Tw 31

Im Juli 2021 schrieb die Woltersdorfer Straßenbahn unerwartet zwei bis vier Niederflurstraßenbahnen aus, welche ab 2023 geliefert werden sollen. Bei einer Beschaffung von vier Wagen wären die Gothawagen im Tagesgeschäft vollständig entbehrlich. Die Fahrzeuge sollen 2,40 Meter breit und klimatisiert sein, mindestens 30 Prozent Niederfluranteil und eine maximale Länge von 15 Metern haben – die aktuellen Gothafahrzeuge weisen eine Länge von 10,9 Metern auf. Als kleinster befahrbarer Radius wird 19 Meter angegeben.
Vor dem alten Schulgebäude fällt die Rudolf-Breitscheid-Straße stark ab und die Straßenbahn fährt in zwei Richtungen durch die Einbahnstraße, der Autoverkehr bergauf wird nördlich durch die Seestraße geleitet.

Tw 31

Markant das Natursteinhaus an der Ecke Berliner Straße/ Puschkinallee.

Tw 31

Die erhaltene Wartehalle Fasanenstraße wurde inzwischen mit Auftragsgraffiti bemalt, beim letzten Besuch in Woltersdorf im Juli 2014 war das Häuschen noch wild beschmiert.

Tw 31

Tw 31 an der Ecke Berliner Straße/ Puschkinallee mit den markanten Siedlungsbauten entlang der Berliner Straße.

Tw 7

Um den Berliner Platz hat sich die Szenerie seit der Wende deutlich verändert. Die im Hintergrund liegende Haltestelle Berliner Platz – 2006 als Ausweichstelle ausgebaut – ist seit Ende Mai 2006 Endstelle des in den Hauptverkehrszeiten pendelnden Einsatzwagens aus Rahnsdorf, während bis dahin die Beiwagen zwei Haltestellen weiter bis zum Thälmannplatz mitgeführt wurden.

Tw 31

Am Thälmannplatz ist die alte Wartehalle heute als Eiscafé umgenutzt. Für kurze Zeit kämpfte sich die Sonne durch die Wolken…

Tw 7

…so dass nochmals das markante Motiv Rudolf-Breitscheid-Straße aufgesucht wurde. Tw 7 fährt in einem kleinen Wolkenloch in Richtung Schleuse. Am Sonntagmittag muss der Fotograf schon Glück haben, dass kein Auto das Foto bombt.

Tw 31

Für den Rest des Tages hatte sich die Sonne wieder verzogen, was aber nicht von weiteren Fotos des solo und zum VBB-Tarif fahrenden Tw 7 abhielt, obgleich eher die Gothawageneinsätze dokumentiert werden müssten – der KSW-Triebwagen wird in Woltersdorf hoffentlich noch eine lange, betriebsfähige Zukunft haben. Hier passiert der Wagen an der Einmündung Berliner Straße/ Goethestraße ein mit Motiven der Woltersdorfer Straßenbahn gestaltetes Betriebsgebäude.

Tw 7

Zum Abschluss wurde vor der Rückreise der Tw 7 kurzerhand verfolgt, was entlang der Berliner Straße recht einfach möglich ist. Hier an der Einmündung Berliner Straße/ Robert-Koch-Straße.

Tw 7

Tw 7 an der Hst Fasanenstraße.

Tw 7

Die Schleusenstraße wurde 2019 einschließlich des letzten noch unsanierten Gleiskörpers saniert, dabei wurde auf die zeitweise angedachte Verlegung des Gleises auf die andere Straßenseite verzichtet, die Verlegung hätte den zweimaligen Wechsel der Straßenseite vermieden. Tw 7 verlässt die Hst Krankenhaus.

Tw 7

Im Hintergrund die Endhaltestelle Schleuse, ab dort führt die Strecke bis vor den Thälmannplatz stetig bergauf. An der Einmündung Schleusenstraße/ Flakenstraße wechselt die Bahn das zweite Mal die nun asphaltierte Straßenseite.

Fotos in Google Earth © 2021 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben