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1. August – Verkehrstag am Schönberger Strand
28. August – 111 Jahre Straßenbahn Schöneiche
5. August – Dunkle Wolken über der Hochbrücke 29. August – KSW in Woltersdorf auf Linie
10. August – Schatten des ITS-Weltkongresses
11. August – Der letzte Nordliner aus Padborg
15. August – Mit der MaK über die OHE nach Munster
18. August – Spiel, Satz und Sieg
20. August – Mit dem Uerdinger auf den Spuren der VEV
21. August – Wolkenspiel mit 218 497
23. August – Wolkenkrimi mit Eurodual
25. August – Flix und Smart in Müssen

Sonnabend, 28. August 2021 – 111 Jahre Straßenbahn Schöneiche

KTNF6 29

Eine der beiden Überlandstraßenbahnen im Berliner Raum, die Schöneicher-Rüdersdorfer Straßenbahn (SRS), beging im vergangenen Jahr ihr 110. Bestehen. Die Feier zum Jubiläum fiel coronabedingt aus und wurde nun zum 111. Geburtstag in kleinem Rahmen nachgeholt.
Der Betriebshof der SRS an der Dorfstraße in Schöneiche öffnete heute seine Pforten für einen Tag der öffenen Tür, als Zubringer aus Friedrichshagen waren Fahrten mit dem historischen Eigenbau-Triebwagen 73 und dem Düwag-Gelenkwagen 47 im Angebot. Die Freiwillige Feuerwehr Schöneiche zeigte am Tw 29 ihre Eingleistechnik.


A91

Der Turmwagen A91 ist der letzte Altwagen im Betriebsbestand der SRS. Er stammt aus Krefeld und war dort 1918 in Dienst gestellt worden. Die Geschichte des Wagens liest sich abenteuerlich: Die Straßenbahn Skutari – Kadiköy im asiatischen Teil Istanbuls (damals Konstantinopel) wollte Mitte der 1910er Jahre 14 Trieb- und 16 Beiwagen beschaffen, die Bergmann Elektrizitätswerke vergaben den Bauauftrag an die Sächsische Waggonfabrik in Werdau. 1915 wurde der projektausführenden französischen Finanzgruppe die Konzession entzogen und die Fahrzeuge nicht ins Osmanische Reich geliefert – vier der Triebwagen wurden anstattdessen nach Krefeld geliefert, wo der heutige A91 zunächst als Tw 166 und ab 1920 als Tw 258 verkehrte.
1922 wurden die Tw 258 und 259 nach Schöneiche verkauft, wo sie zunächst als Tw 6 und 7 zum Einsatz kamen. Seit 1925 dient der damalige Wagen 6
als Arbeitswagen, er erhielt 1953 einen neuen Aufbau und ist als Turmwagen A91 bis heute unverzichtbar.

A91

Im Vorlauf zu den Zusatzfahrten zum S-Bahnhof Friedrichshagen wurde der A91 auf das Ausrückgleis in Richtung Rüdersdorf umgesetzt und passend hinter dem Trenner geparkt. Ein mittelfristiger Ersatz ist durch den Bochumer Düwag-Arbeitswagen 677 geplant, welcher seit 2017 in Schöneiche weilt – dessen Aufarbeitung und Anpassung an die geplanten Aufgaben bisher aber nicht begonnen wurde.

Tw 73

Nur vor dem Zweiten Weltkrieg beschaffte Wagen in Schöneiche waren fabrikneu, spätere Erneuerungen musste der Betrieb mit viel Kreativität bewerkstelligen – diese Kreativität führte zur Modernisierung von Vorkriegswagen. Nach einer Modernisierung des Triebwagen 52 (ehemals Tw 2) mit Plattformen aus der Rekowagenfertigung des Raw Schöneweide ging der Betrieb dazu über, mit Unterstützung aus Schöneweide komplett neue Wagenkästen zu bauen und im Wesentlichen nur noch die Drehgestelle weiter zu verwenden.
Im Januar 1970 wurde der bis dahin eigenständige Betrieb in Schöneiche dem VEB Kraftverkehr Fürstenwalde und in der Folge dem Kraftverkehrskombinat Frankfurt (Oder) unterstellt, der Eigenbau in Schöneiche wurde danach eingestellt – Neubaufahrzeuge waren für Schöneiche nicht vorgesehen. Nur Rekowagen aus dem Raw Schöneweide waren verfügbar, die sich aufgrund ihrer einfachen Bauart auf der 1.000mm-Strecke aufschaukelten und zu einem starken Verschleiß an den Gleisanlagen führten. In den 1980er Jahren konnten auch gebrauchte Gothawagen mit deutlich besseren Fahreigenschaften erworben werden.
Der Triebwagen 73 entstand 1966 in Schöneiche unter Verwendung zahlreicher Komponenten aus dem Schöneweider Rekowagenbau
und wurde 1975 zum Triebwagen 62II umgezeichnet. Nach Ausmusterung zu Beginn der 1990er Jahre wurde der Triebwagen in Schöneiche bis 1996 restauriert und dabei wieder zum Tw 73. Hier hat Tw 73 auf der ersten Fahrt des Tages die Hst Rahnsdorfer Straße verlassen und fährt entlang der Puschkinstraße in Richtung Friedrichshagen.

Tw 47

Auch nach der Wende war in Schöneiche keine Finanzkraft vorhanden, Neufahrzeuge zu beschaffen. Die SRS übernahm zwischen 1992 und 1994 aus Cottbus acht Tatra-Triebwagen vom Typ KT4D, welche teilweise modernisiert wurden und die Reko- und Gothawagen ersetzten.
Um die nicht modernisierten KT4D ersetzen zu können, wurden von 1999 bis 2011 insgesamt 14 sechsachsige Düwag-Gelenktriebwagen aus Heidelberg übernommen, zehn wurden für den Einsatz umgebaut – die letzten GT6-Zugänge ersetzten dabei bereits die ersten GT6-Fahrzeuge aus Heidelberg.
Bis 2018 waren die Düwags bei der SRS unverzichtbar – aktuell kommen nachmittags an Schultagen wieder zwei Düwag-Triebwagen zwischen Friedrichshagen und Jägerstraße im Pendelverkehr zum Einsatz. Triebwagen 47 fährt entlang der Puschkinstraße und hat soeben den Bunzelweg gequert.


Tw 52 und Tw 47

Mit den Artic-Triebwagen 401 und 402 kamen 2018 bzw. 2019 zwei moderne Niederflurzüge – gebraucht aus Helsinki übernommen – nach Schöneiche, die hier als Triebwagen 51 und 52 bezeichnet werden. Helsinki gab die beiden 2013 von Transtech gebauten Prototypen vergleichsweise günstig ab und beschaffte ersatzweise zwei zusätzliche Serienwagen. Hier treffen sich Vorgänger und Nachfolger an der Hst Rahnsdorfer Straße.

KT6DNF 27

Zwischen 2009 und 2011 beschaffte die SRS als Ersatz für die verbliebenen KT4D aus Cottbus drei KTNF6 und konnte so erstmals Betrieb mit Niederfluranteil anbieten. Diese Fahrzeuge waren Ende der 1990er Jahre in Cottbus aus KT4D entstanden, indem eine Niederflursänfte zwischen die beiden Wagenhälften eingehängt wurde. Triebwagen 27 entstand aus dem Cottbuser Tw 142 und fährt hier entlang der Puschkinstraße.

Tw 73 und Tw 47

Die Tw 73 und 47 pendelten im 20-Minutentakt zwischen Friedrichshagen und dem Betriebshof, meist trafen die Wagen in der Puschkinstraße aufeinander.

Tw 73

Für den Autoverkehr ist die Puschkinstraße eine Sackgasse. Im Vergleich zu den 1995 entstandenen Aufnahmen mit den letzten Einsätzen der Rekowagen hat sich in Schöneiche nicht viel verändert, die damals noch vorhandene Fahrleitungsanlage aus den Anfangstagen – bereits als Hochkettenfahrleitung angelegt – wurde zwischenzeitlich ersetzt.

Tw 47

Tw 47 in der Puschkinstraße.

Tw 73

Die Kirschenstraße zeigt sich in der Bebauung meist klassisch. Abgesehen von der Asphaltierung der Straße hat sich hier in den Jahren nur wenig verändert.

Tw 47 und Tw 73

Treffen der beiden Sonderkurse an der Hst Goethepark.

Tw 73

Die heutige Straßenbahn wurde nach dem Preußischen Kleinbahngesetz von 1892 errichtet und verband ab 1910 Friedrichshagen mit Schöneiche, zunächst kamen benzolbetriebene Loks mit Wagen zum Einsatz, erst nach der Verlängerung nach Kalkberge bis 1912 wurde die Strecke bis 1914 elektrifiziert und vierachsige Straßenbahntriebwagen kamen mit Zweilichtspitzensignal zum Einsatz. Tw 73 kann mit seiner Erscheinung seine Geschichte nicht verleugnen.

Tw 52

Modern und niederflurig dagegen der Artic-Triebwagen 52 an der Hst Goethepark mit der bestens gepflegten Wartehalle aus den Gründertagen.

KTNF6 27

Triebwagen 27 an der Kreuzung Kirschenstraße/ Ahornstraße.

Tw 73

An gleicher Kreuzung Tw 73 entlang der Villenkolonie des frühen 20. Jahrhunderts, als die Orte am Rande von Berlin wuchsen und Anschluss an die Verkehrswege nach Berlin suchten.

Tw 47

Blick in die Gegenrichtung mit Triebwagen 47.

Tw 73

Tw 73 an der Kreuzung Kirschenstraße/ Waldstraße.

Tw 73

Geradlinig durch langgezogenes Waldgebiet läuft zwischen Friedrichshagen und Schöneiche die Schöneicher Landstraße, parallel dazu die Straßenbahn.

KTNF6 27

Ausfahrt von Triebwagen 27 aus Friedrichshagen.

Tw 73

Triebwagen 73 erreicht Friedrichshagen, auch hier scheint die Zeit fast stehengeblieben zu sein.

Tw 73

Ausfahrt Tw 73 gen Schöneiche.

Tw 73

Zeitweise war die Wetterprognose für das gesamte Wochenende unterirdisch. Am Ende sollte die Sonne am Sonnabend über Schöneiche sechs Stunden scheinen, gegen Mittag setzte sie sich tatsächlich gegen die Wolken durch. Hier Tw 73 wieder an der Hst Goethepark.

Tw 51

Triebwagen 51 in der Kirschenstraße nahe der Ahornstraße.

Tw 73

Wenige Meter weiter wieder der Triebwagen 73. Von den Eigenbautriebwagen blieb nur der Tw 73 erhalten – der 1970 gebaute Triebwagen 65 wurde 1993 nach Halle verkauft, wo er einige Jahre als historischer Triebwagen einsatzfähig war. 2003 wurde der Tw 65 nach Schöneiche zurückgegeben, wo er als Ersatzteilspender für den Tw 34 und den Eigenbau-Beiwagen 113 diente und die Reste verschrottet wurden.

Tw 73

Das Innere von Triebwagen 73. Kein Vergleich zu früheren Jahren…

Tw 61

…wo der Pflegezustand der Wagen (hier Wagen 61 im September 1984) zu wünschen ließ und den damals gerade 15-jährigen Autor der Fototagebuchs – im Foto rechts sitzend – im Erleben der DDR sechs Jahre vor ihrem Ende wohl prägte.

Tw 34 und KT4D 22

Tw 34 und Bw 20 stammen aus Nachlieferungen von 1929 bzw. 1925 und wurden von der Gottfried Lindner AG in Halle-Ammendorf gebaut und noch bis 1975 im Linienverkehr eingesetzt. Die auf Druck des damaligen Geldgebers Knorr-Bremse mit Druckluftbremse ausgestatteten Fahrzeuge standen bis 1993 als historische Fahrzeuge einsatzbereit zur Verfügung, sie sind seitdem mit umfangreichen Aufarbeitungsbedarf abgestellt, die nötigen Arbeiten sind nicht absehbar. Vor rund zehn Jahren standen die Fahrzeuge zu Ausstellungszwecken noch unter Spannung, dieses scheint man den Fahrzeugen inzwischen nicht mehr zuzutrauen.
Der teilmodernisierte KT4D 22 – 1993 aus Cottbus übernommen – wird seit 2011 nicht mehr im Linienverkehr eingesetzt. Seinen letzten Streckeneinsatz hatte der Tw 22 im April 2012. Seitdem steht der Wagen am Nebenstandort der SRS in Schöneiche abgestellt, ein Verkauf nach Lwiw in der Ukraine zerschlug sich. Auch fast zehn Jahre nach Fristablauf ist der Tw 22 noch vorhanden und stand zum Tag der offenen Tür unter Spannung.

Tw 3

Mit dem 1914 gebauten Tw 3 der Schöneicher-Rüdersdorfer Straßenbahn steht noch ein Fahrzeug der elektrischen Ursprungsausstattung der SRS zur Verfügung. Der Triebwagen diente unter der Nummer A93 noch bis 2012 als Hilfsgerätewagen, ehe er 2013 zur BMS-Stahlbau GmbH nach Ostritz überführt wurde, wo der Wagenkasten des Wagens saniert wurde. Inzwischen steht der Wagen wieder in Schöneiche, eine Komplettierung zur Triebwagen 3 scheint aktuell nicht absehbar.

Tw 73

Triebwagen 73 hat die Hst S-Friedrichshagen verlassen und kreuzt die Schöneicher Straße in Friedrichshagen.

Tw 73

Die letzte Runde führte den Triebwagen 73 nach Rüdersdorf, dessen heutige Endschleife Alt-Rüdersdorf im Oktober 1977 als Ersatz für die zugunsten des Kalkabbaus aufzulassende Trasse nach Kalkberge in Betrieb genommen wurde. Auf der Rückfahrt aus Rüdersdorf passiert der Tw 73 den Fotografen an der Schöneicher Straße in Rüdersdorf.

KTNF6 29, KT4D 22 und Tw 34

2014 wurde von der SRS auch der Prototyp des KTNF6 – der Tw 172 – übernommen. Das Fahrzeug gelangte 2009 von Cottbus nach Szeged in Ungarn, ein Umbau auf Regelspur scheiterte dort. Die Aufarbeitung des Wagenkastens erfolgte nach der Übernahme bei der IFTEC GmbH in Leipzig, die Komplettierung wurde in Eigenleistung in Schöneiche durchgeführt.
Der jetzt als Tw 29 bezeichnete – und für die Freiwillige Feuerwehr werbende – Wagen konnte inzwischen erste Probefahrten absolvieren, eine Zulassung für den Linieneinsatz wird noch für den Herbst 2021 angestrebt. Hier setzt der Tw 29 nach Ende der Eingleisübungen im Betriebshof auf ein anderes Gleis um und muss dazu kurz auf die Dorfstraße rangieren.


KT4D 22

Zu fortgeschrittener Zeit setzte auch der KT4D 22 um – ihm kam die Aufgabe zu, die Tw 34 und Bw 20 wieder unter das schützende Dach zu rangieren. Die Remise war bis 2011 einige Jahre nur über eine Kletterweiche an das Straßenbahnnetz angeschlossen, seit einer Gleiserneuerung ist der für den täglichen Betrieb nicht benötigte Bereich wieder vollständig an das Gleisnetz angebunden. Dass das Gleis selten befahren wird, zeigt der Funkenregen am führenden Rad des KT4D 22.
Man hört gelegentlich etwas von musealer Erhaltung des Tw 22 munkeln, doch dürfte eine nachhaltige Erhaltung in Schöneiche kaum absehbar sein, harrt doch noch der Tw 3 der Aufarbeitung und auch der Betrieb des Tw 73 will im knapp finanzierten Betrieb der SRS finanziert sein.


KT4D 22 und Tw 53

Nach dem Verschub von Tw 34 und Bw 20 unter das Dach rangiert der KT4D 22 auf das Gelände des SRS-Betriebshofes und trifft dabei auf das erste Neufahrzeug der Schöneicher Straßenbahn seit über 90 Jahren.
Der Škoda Artic 53 wurde im März 2020 als letztes Artic-Fahrzeug fertiggstellt und an die SRS ausgeliefert. Mit dem Fahrzeug kann der tägliche Auslauf verlässlich niederflurig bedient werden. Das betriebliche Zusammentreffen vom 2012 abgestellten KT4D 22 und dem 2020 in Betrieb genommenen Artic 53 ist chronistisch eigentlich nicht möglich, doch wie man sieht – nichts ist unmöglich…


Fotos in Google Earth © 2021 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben