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1. August – Verkehrstag am Schönberger Strand
28. August – 111 Jahre Straßenbahn Schöneiche
5. August – Dunkle Wolken über der Hochbrücke 29. August – KSW in Woltersdorf auf Linie
10. August – Schatten des ITS-Weltkongresses
11. August – Der letzte Nordliner aus Padborg
15. August – Mit der MaK über die OHE nach Munster
18. August – Spiel, Satz und Sieg
20. August – Mit dem Uerdinger auf den Spuren der VEV
21. August – Wolkenspiel mit 218 497
23. August – Wolkenkrimi mit Eurodual
25. August – Flix und Smart in Müssen

Freitag, 20. August 2021 – Mit dem Uerdinger auf den Spuren der VEV

VT 2

In Niedersachsen gab bzw. gibt es eine Reihe von Privatbahnen, die spätestens in den 1980er Jahren ihren Personenverkehr eingestellt haben und zum Teil auch den Güterverkehr und damit ihre Strecken aufgaben. Die Vorwohle-Emmerthaler Eisenbahn-Gesellschaft AG (VEE) gehört dazu – sie stellte 1965 den Personenverkehr auf der VEE ein und wollte auch den Güterverkehr aufgeben, was damals die örtliche Wirtschaft und Politik verhinderte.
Im Mai 1967 gründeten der Landkreis Holzminden, die anliegenden Gemeinden und die örtliche Industrie für den Weiterbetrieb der VEE eine Auffanggesellschaft, die Vorwohle-Emmerthaler Verkehrsbetriebe GmbH (VEV), die VEE wurde daraufhin noch im gleichen Jahr aufgelöst. Die VEV nahmen 1968 auch den 1965 eingestellten Personenverkehr wieder auf, ab 1974 kurzzeitig nochmals auf der Gesamtstrecke. 1975 wurde der Personenverkehr wieder auf den Abschnitt Emmerthal – Kirchbrak reduziert und dort noch bis 1982 aufrechterhalten.
Zuletzt nutzte die VEV Uerdinger Schienenbusse für den Personenverkehr, darunter den 1960 für die Kleinbahn Weidenau - Deuz gebauten VT27. Der VT27 wurde 1968 nach Einstellung des Personenverkehrs an die Eisenbahn AG Altona - Kaltenkirchen - Neumünster (AKN) verkauft, die ihn bis 1977 als VT2.24 einsetzte. Nach Zugang der Neubaufahrzeuge vom Typ VT2E wurde der VT2.24 an die VEV verkauft, wo er bis zur Einstellung des Personenverkehrs 1982 als VT2 zum Einsatz kam. Seit 1983 ist der Triebwagen Eigentum der IG Schienenbus Seelze e.V. (ISS) und seit 2011
als VT96 901 leihweise beim Förderverein Eisenbahn Rinteln-Stadthagen e. V. (FERSt) im Einsatz.

V60 762

Der Güterverkehr verlor an Bedeutung und ab dem Jahr 2000 war die VEV bis auf die gelegentliche Bedienung des Kernkraftwerkes Grohnde auf gesamter Länge ohne Verkehr, die VEV-Strecke wurde nur noch zum Abstellen von nicht benötigten Kesselwagen genutzt. Ab 2003 ruhte der Betrieb östlich des Kernkraftwerkes praktisch völlig.
Der Abschnitt Emmerthal – Bodenwerder war die Jahre formal nicht stillgelegt, wurde von den VEV aber vernachlässigt – was im Juni 2011 zum Einschreiten des Eisenbahnbundesamtes (EBA) führte, welches nötige Instandhaltungsarbeiten an der nicht stillgelegten Strecke einforderte. Östlich Bodenwerder wurde die Strecke ab 2013 als Draisinenstrecke genutzt – im weiteren Verlauf ab Dielmissen bis Vorwohle das Gleis um 2006 abgebaut.
Auf dem Foto könnte eine 364 oder 365 am Rande des Weserberglands Kesselwagen zur Abstellung von Emmerthal nach Grohnde fahren, wie es vor rund zwanzig Jahren gelegentlich vorkam. Real war es am 20. August 2021 im Rahmen einer Fotofahrt und mit der V60 762 der Dampfeisenbahn Weserbergland e.V. (DEW).

V60 762

Die 364 762 wurde wie der VT2 im Jahr 1960 gebaut und von Henschel als V60 762 (30051/60) an die Deutsche Bundesbahn ausgeliefert. Die seit 1979 in ozeanblau/beige lackierte Lok wurde 2006 bei der DB ausgemustert und an die Rhein-Sieg-Eisenbahn GmbH (RSE) abgegeben. Im April 2019 wurde die Lok von der RSE an die DEW verkauft, die die Lok seit ihrer Hauptuntersuchung vornehmlich im Wagenabstellverkehr von und nach Hameln einsetzt – im Rahmen einer Neulackierung in ozeanblau/beige Ende 2020 wurde die Lok als V60 762 beschriftet.
2012 wurde die Infrastruktur der VEV zur Übernahme durch Dritte ausgeschrieben, im Jahr 2015 übernahm das an der Vorwohle-Emmerthaler Eisenbahn gelegene Unternehmen Kieswerk Lammert + Reese GmbH & Co. KG die Strecke und begann zügig mit der Wiederbefahrbarmachung bis zum Kieswerk in Bodenwerder. Im Dezember 2015 fuhr der erste Güterzug mit Kies, heute wird die Strecke zweimal wöchentlich mit Kieszügen befahren – gelegentlich wird in Grohnde Holz auf die Bahn umgeschlagen.

VT 2

Im Vorwege der Bereisung der früheren VEV-Trasse wurde der VT96 901 mit zeitgenössischer Werbung für das noch heute gebraute „Allersheimer Urpils“ und mit VEV-Logos versehen. Der einmotorige Schienenbus wurde bei der AKN mit vom Führerstand aus umschaltbarer Zugspitzen-/ Zugschlussbeleuchtung versehen – was so ziemlich die einzige äußerlich sichtbare Modernisierung in seinem Fahrzeugleben gewesen sein dürfte, ehe er im Alter von 23 Jahren in Seelze zum Museumsfahrzeug wurde.

VT 2

Heute sind von der am 9. Oktober 1900 eröffneten, 32 Kilometer langen VEE noch zwölf Kilometer in Betrieb. Wenn man rund acht Stunden Zeit für diese zwölf Kilometer Strecke hat, kann die Zeit entspannt für die Motivgestaltung – und Warten auf Sonne – genutzt werden.

V6 0762

Am Fuße des 236 Meter hohen Ruhbergs beginnt der steigungs- und kurvenreiche Abschnitt der Strecke. V60 762 nahe des auf der anderen Weserseite gelegenen Ortes Hajen.

V60 762

Die Streckenneigung macht es erforderlich, dass die beladenen Sand- und Kieszüge aus Bodenwerder in zwei Teilen bis zum Bahnhof Grohnde gefahren werden müssen, ehe sie dort zu den fertigen Ganzzügen vereinigt werden. Nach Bodenwerder hat die V60 762 mit den beiden Kesselwagen leichtes Spiel.

VT 2

Die Wolken wurden dichter, aber einmal kam die Sonne noch heraus und tauchte den VT96 901 in etwas Sonnenlicht.

VT 2

In Hehlen war Mittagspause und die im Uerdinger Reisenden konnten sich im Ort in der Bäckerei stärken, ehe die Rückfahrt angetreten wurde. Nahe des Bü An der Fähre wird der VT96 901 von einem Trecker überholt. In Hehlen dürfte der ungewohnte, aber von früher bekannte Gast sicher zum Tagesgespräch geworden sein.

V60 762

Vor der Kulisse des an der B83 gelegenen Werkes der Kalkwerk Hehlen GmbH erklimmt die V60 724 die Steigung gen Grohnde.

V60 762

Vor der Landschaft des Weserberglandes V60 762 mit ihren beiden Kesselwagen. Angesichts der aktuell vorherrschenden Witterung war die Fahrt perfekt getimt, der Himmel zog rund um die Mittagspause zu und am späten Nachmittag klarte es nochmals auf.

VT 2

Der nahende Herbst wird allmählich sichtbar. Einfahrt in den Bahnhof Grohnde.

V60 762

Durchblick auf die Gemeinde Grohnde. V60 762 auf der Brücke über die Bahnhofstraße.

V60 762

Die beiden Akteure des Tages im Bahnhof Grohnde. Die Strecke Emmerthal – Bodenwerder wurde ab 2017 für rund neun Millionen EUR saniert und der Ausbau über das 2013 verabschiedete Schienengüterfernverkehrsnetzförderungsgesetz (SGFFG) vom Bund gefördert. Neben dem Aufbau der Verladeeinrichtungen im Kieswerk Bodenwerder wurde u.a. der Bahnhof Grohnde mit seinen drei Gleisen umfassend saniert. Nach ersten Holzzügen im Jahr 2018 wurde im Mai 2019 der regelmäßige Sand- und Kieszugverkehr aus Bodenwerder aufgenommen.

V60 762

Sechs Atomkraftwerke werden in Deutschland aktuell noch betrieben. Das Kernkraftwerk Grohnde (KWG) wurde zwischen 1975 und 1984 errichtet – der Druckwasserreaktor hat eine thermische Nennleistung von 3.900 Megawatt, die elektrische Nettoleistung liegt bei etwa 1.360 Megawatt.
Nachdem noch 2010 eine Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke beschlossen wurde, wurde nach der Katastrophe von Fukushima im März 2011 im Juni 2011 das Atomgesetz mit großer Mehrheit erneut geändert, so dass spätestens Ende 2022 das letzte deutsche Atomkraftwerk vom Netz geht. Für das 1984 in Betrieb gegangene KWG bedeutet der Atomausstieg, dass es bis Jahresende 2021 abgeschaltet werden muss – es kann seit Frühjahr 2019 nur noch durch von anderen, bereits stillgelegten Kernkraftwerken übertragene Reststrommengen am Netz gehalten werden.

V60 762

Maximal vier Monate werden die hinter dem Reaktorgebäude des KWG gelegenen Kühltürme noch im Zuge der Energieerzeugung Dampfwolken abgeben. Der Abschluss des Rückbaus des KWG ist zum Jahr 2040 vorgesehen.

VT 2

Energieerzeugung auf drei Ebenen: Links die von Politik und Wirtschaft gerne als saubere Energieerzeugung gepriesene Kernkrafttechnik, rechts Stützpfeiler der neuzeitlichen Energiewende – die Windkraftanlagen (WKA). In der Mitte der klassische Dieseltriebwagen wie er in Form des einst „die Nebenbahnen rettenden“ Schienenbusses eigentlich längst im Ruhestand ist.
Aber auch der „moderne“ Dieseltriebwagen wird keine große Zukunft mehr haben – neue Fahrzeugprojekte für nichtelektrifizierte Strecken basieren entweder auf der Hybridtechnik mit Batterien als Energiespeicher oder der Wasserstofftechnik. Die Zukunft wird zeigen, welche der „sauberen“ Energieträgerformen sich durchsetzen wird und wie sauber sie in der Ökobilanz wirklich sind.

Fotos in Google Earth © 2021 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben