In 35 Jahren
Fotografie ist Graffiti ein Stück des Alltags geworden, doch die
Abbildung dieser ist auch nach 35 Jahren die Ausnahme. Manche Sprayer
sind seitdem zu angesehenen Künstlern geworden, andere zu
"Normalbürgern" oder gehen ihr Leben lang ihrem Drang nach.
Zumeist ist dieser Drang illegal und gelegentlich werden auch in der
Freizeit mühevoll hergerichtete historische Zeitzeugen Opfer einer
Unart, die heute normal geworden zu sein scheint.
Nur wenige Stadtmotive sind heute ohne Werke der Graffitisprayer möglich.
Rollmaterial ist bevorzugtes Ziel zahlreicher Gruppen, zum Teil mit
erschreckender Professionalität und manchmal auch Brutalität.
Das Ziel der Künstler ist in der Regel Anerkennung – desto
spektakulärer die Werke, desto mehr Ruhm in der Szene.
Öffentliche Verbreitung der Motive und der Tags adelt meist die
Täter.
Strategie von Verkehrsbetrieben ist oft, diese Fahrzeuge umgehend
auszusetzen und keine Öffentlichkeit zu schaffen. In Zeiten von
Internet reicht es heute, die Objekte nach der Bemalung zu filmen – den
Rest Öffentlichkeit erledigt das Internet. Bei klassischen
Eisenbahnfotografen ist Graffiti meist verpönt, bemalte Züge
werden nicht fotografiert oder öffentlich gezeigt, um nicht
zusätzliche Plattformen zu bieten, manchmal hilft auch ein wenig
Retusche bei der Bildbearbeitung.
Heute musste der Autor dieser Website seinen eigenen Überzeugungen
untreu werden – dass Graffiti sich als Kunst etabliert hat, steht
allgemein außer Frage. Geblieben ist nicht selten blinde
Zerstörung – gerade bei Objekten, wo Menschen abseits vom
"Allgemeingut" ihr persönliches Herzblut investieren und diese
Arbeit so mit Füßen getreten wird.
Ein Graffiti machte die Runde, welches diese Überzeugungen in
Frage stellte – aber fraglos in die Abteilung Kunst einzusortieren ist,
auch wenn es illegal aufgetragen worden ist. Beim 472 060 schien die
verkehrsrote Farbgebung im Bereich der Kopfpartie abgerissen zu sein
und das seit bald 15 Jahren verschwundende ozeanblau/beige Farbkleid
kam wieder zum Vorschein. Ohne Tag oder weiterer Wagenbemalung
fährt der Triebwagen in diesem bemerkenswerten Outfit durch
Hamburg. Hier erreicht der 472 060 den Bahnhof Aumühle,
überraschend auf Gleis 3b – in der Abstellanlage wurde gerade ein
Zug aufgerüstet, welcher über Gleis 4 fahren sollte.
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