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Sonnabend, 6. September
2014
– Leichenfledderung?
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Wenn der
Leser die bisherigen drei September-Einträge des Fototagebuchs
liest, so könnte er den Eindruck gewinnen, dass die Fokussierung
aktuell etwas einseitig sein könnte. Dem kann ich nicht wirklich
widersprechen, ist aber aufgrund gewisser Umstände aktuell
naheliegend.
Streckenstilllegungen begleiten uns seit vielen Jahrzehnten – waren es
zunächst die einst zahlreichen Stichstrecken, so konzentrieren
sich die aktuellen Streckenstilllegungen heute meist auf Verbindungen
zwischen größeren Orten im
Osten, die bisher
immer noch eine gewisse Netzwirkung hatten. Seit 1997 ist manche
"Abbestellung" politisch motiviert, weil ein Bundesland keinen Verkehr
in das andere Bundesland mehr finanzieren will – Länderbahnen
lassen grüßen.
Zunehmend wird auch bei diesen Querverbindungen auf reale
Fahrgastzahlen geschaut und so manche Strecke, die die letzten fast 20
Jahre Regionalisierung überlebt hat, kommt angesichts der
eigentlich schon immer "knappen Kassen" in eine Neubewertung. Die von
der ODEG befahrene Mecklenburgische
Südbahn steht aktuell zwischen Malchow und Parchim zur
Abbestellung an. Entsprechend hat die DB im Januar 2014 den Abschnitt
Parchim – Karow zur Übernahme durch Dritte bzw. Stilllegung
ausgeschrieben.
Die von VT 650.86 durchfahrene Ausweichanschlussstelle (Awanst) Darze wird seit 2009 nicht
mehr bedient und ist Teil des zur Übernahme durch Dritte bzw.
Stilllegung ausgeschriebenen Streckenabschnitts Parchim – Karow.
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Vom Glanz
des Bf Karow(Meckl) ist nichts übrig geblieben. Von vier
Bahnsteiggleisen wird aktuell nur noch eines befahren, die
umfangreichen Anlagen der Gütergleise sind außer Betrieb.
Von einst sechs nördlichen Ausfahrsignalen sind heute nur noch
vier übrig, von denen nur noch eins benötigt wird – das
Empfangsgebäude ist seit Jahren leerstehend. Die
Fußgängerbrücke ist seit rund 14 Jahren gesperrt und
der Zugang zu den Zügen führt über das nicht mehr
befahrene Gleis 1.
Fünf Strecken führten einst zum Knotenbahnhof Karow – aus
Wismar, Parchim, Güstrow, Waren und Pritzwalk. Heute ist der mit
zwei Stellwerken ausgestattete Bahnhof nur noch Haltepunkt der von der
ODEG befahrenen Line R3 Hagenow – Neustrelitz. Zum Fahrplanwechsel im
Dezember ist im Zuge von Einsparmaßnahmen die Abbestellung des
Teilabschnitts Parchim – Malchow vorgesehen – damit verliert der
dazwischen gelegene Bahnhof Karow auch die letzte
regelmäßige Anbindung und ist ab Dezember 2014 ohne
planmäßigen Verkehr.
VT 650.91 verlässt auf der Fahrt nach Neustrelitz den Bf
Karow(Meckl). Am Bahnhofsgebäude ist ein Banner aufgehängt,
dass die Südbahn bleiben soll – entsprechende Proteste sind in
praktisch jedem betroffenen Ort zu sehen.
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Von
einstigen Glanzzeiten des Eisenbahnbetriebes zeugt dieser Wasserkran –
nach der Wende 1989 noch auf fast jedem größeren Bahnhof der
Deutschen Reichsbahn zu finden. Inzwischen im Zuge der Erneuerungen
fast überall verschwunden, erinnert der Wasserkran an betriebsame
Zeiten.
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Eigentlich
sollte im Bf Ganzlin bereits am vergangenen Dienstag ein Foto
entstehen, als die 212 249 von Lokomotion
zwei von der DB übernommene Loks der BR 151 von Mukran bzw.
Rostock-Seehafen nach Dessau zur Instandsetzung überführte.
Passend zur Durchfahrt verdunkelte jedoch eine Fotowolke das Motiv
völlig.
Seit September 2000 wird auf der Strecke Pritzwalk –
Karow nördlich der Landesgrenze
Brandenburg/Mecklenburg-Vorpommern bei Meyenburg
kein regelmäßiger
Personenverkehr mehr angeboten. Seit 2013 bietet die EGP in den
Sommermonaten an Sonnabenden über Meyenburg hinaus
verlängerte Zugfahrten nach Krakow am See bzw. Silbermühle
an. Die Nutzung der Fahrten ist nach bisherigen Beobachtungen alles
andere als zufriedenstellend – bei den beiden heute gesehenen Fahrten
war kein Fahrgast an Bord des anstelle des üblichen
Doppelstockschienenbusses eingesetzen VT 43. Ob die EGP diesen Verkehr
2015 noch anbieten wird?
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Ganzlin war
Endpunkt der von Röbel kommenden Strecke, seit den 1990er Jahren
als Museumsbahn genutzt. Durch vereinsinterne Streitigkeiten ging der
Museumsbetrieb vor einigen Jahren sprichwörtlich den Bach hinunter
– viele Museumsfahrzeuge wurden unter fragwürdigen Umständen
verschrottet. Um die lange betriebsfähige Museumslok 52 8029 tobte
ein erbitterter Kampf mit pressewirksamer Diebstahlsanzeige,
Zwangsversteigerung, einstweiliger Verfügung und am Ende doch
einer Versteigerung.
Ein leider abschreckendes Beispiel wie eine Museumsbahn nicht funktionieren sollte. Heute
herrscht in Ganzlin üblicherweise totale Betriebsruhe, allenfalls
aufgeweckt von gelegentlichen Überführungsfahrten oder
aktuell den sonnabendlichen Ausflugsfahrten.
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Abgesehen
von erneuerten Beleuchtungsanlagen und einem Fahrgastunterstand scheint
im Hp Gallin die Zeit stehengeblieben zu sein. Immerhin drei Reisende
wollen in Gallin zusteigen, der RegioShuttle-Triebwagen VT 650.91 ist
für den Rollstuhlfahrer sicher eine enorme Erleichterung im
Vergleich zu früheren Zeiten. Ab Dezember 2014 stellt sich die
Frage nicht mehr, dann wird kein Zug mehr den Haltepunkt Gallin
anfahren.
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Da der
Rollstuhlfahrer Hubliftunterstützung benötigte, war
während des Haltes noch eine Motivvariation möglich, die den
Haltepunkt komplett zeigt.
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Vielleicht
wird man sich dort in einigen Jahren auch wie auf der in diesem Bereich
2003 endgültig stillgelegten Strecke (Wismar
–) Borkow – Damerow (– Karow)
mittels Draisinen
fortbewegen können, wie hier im früheren Hp Damerow. Dann
sperrt ein Stopp-Schild die Fahrt der Draisinen für eine Vorfahrt
des Straßenverkehrs. Bei einer Streckenerkundung gelang mir noch
dieser nicht geplante Nachschuss auf eine Dreier-Gruppe Draisinenfahrer.
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Zum
Abschluss der Tour auf Pfaden der baldigen Einstellung der Restverkehre
ging es nochmals zum Bf Karow, wo die abendliche Ausflugsfahrt nach
Krakow am See mit VT 43 und null Fahrgästen pünktlich den
Bahnhof verließ. Auch wenn die touristische Bedeutung der
Strecken immer wieder betont wird, die Nutzung muss auch real erfolgen
– ohne diese wird kaum wer den Betrieb oder eines nicht mehr allzu
fernen Tages die Erneuerung der Infrastruktur bezahlen.
Es bleibt zu hoffen, dass man nicht in fünf oder zehn Jahren
Resümee ziehen muss, dass die heute noch betriebenen Strecken in
der Prignitz und an der Mecklenburgischen Seenplatte nur noch
Eisenbahngeschichte sind. In jenem Fall würden im Bahnhof Karow
nur noch Birken wachsen.
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Fotos
in Google Earth |
©
2014 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de |
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