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Sonnabend, 30.
September 2023
– Ein Wismarer auf Heimatbesuch I
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Die
Strecke Bad Doberan – Kühlungsborn ist eine der Schmalspurbahnen,
die die DDR mit ihrem nicht abgelösten Dampfbetrieb überlebt
haben und deren gemein ist, dass das 1989 vorhandene Flair des
Eisenbahnbetriebs als Bestandteil der Tourismuskonzepte möglichst
erhalten bleiben soll. Nirgendwo sonst in Europa wird ein
derartiger Mikrokosmos bis heute unter
kommerziellen Aspekten im Alltagsbetrieb betrieben.
Bei den 1989 von der Deutschen Reichsbahn noch betriebenen
Schmalspurbahnen nimmt der Molli mit seiner Spurweite von 900 mm eine
Sonderstellung ein, diese Spurweite wurde neben auf dem Molli nur in
einigen
Industriebetrieben und bei der Inselbahn Borkum angewandt.
Im September 2019 – kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie – war die 99
331 der Mecklenburgische
Bäderbahn Molli GmbH (MBB)
auf der Borkumer Kleinbahn zu Gast und bespannte einige
Inselbahnzüge. Eigentlich sollte 2020 der Gegenbesuch des Wismarer
Schienenbusses T 1 der Borkumer
Kleinbahn und Dampfschiffahrtgesellschaft mbH
stattfinden, doch machte Corona diesen Plänen einen dicken Strich
durch die Rechnung. Dieses Jahr ist es endlich soweit, der T 1 der
Borkumer Kleinbahn ist zu Gast beim Mollli und fährt bis zum 3.
Oktober mehrmals täglich auf der Gesamtstrecke.
Heute am Morgen war der Wecker aus und auf einem Wohnmobilstellplatz
hupt morgens ganz sicher niemand munter durch die Gegend.
Regelmäßiges, wiederholendes Gehupe sorgte für ein
Munterwerden des Fotografen und zum Ende des Fotohalts am Hp
Steilküste entstand noch dieses Foto der Fotofahrt, die eine
Fotografengruppe zum Sonnenaufgang gebucht hatte und das Glück
hatte diesen auch weitgehend zu erleben.
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Eigentlich
sieht der Alltag beim Molli so aus: Ein Dampfzug, hier der erste des
Tages, fährt in den Hp Heiligendamm Steilküste ein. Die DDR
hat es technogisch zu ihren Zeiten nie geschafft, die Dampftraktion auf
den Schmalspurbahnen abzulösen. Die zuletzt von der Deutschen
Reichsbahn zuletzt noch betriebenen Schmalspurbahnen wurden noch in der
DDR als Kulturdenkmal definiert und sollten langfristig weiterbetrieben
werden.
Im Harz war kurz dem Mauerfall die Ablösung des
Dampftraktion durch umgebaute Loks der Reihe V100 angelaufen, doch am
Ende wurden statt 30 geplanter Loks nur 10 umgebaut – heute sind
nur noch drei dieser Loks betriebsbereit und werden
zu Rangierzwecken bzw. als Rückfallebene vorgehalten.
Beim Molli hat sich der Regelbetrieb bei allen der Schmalspurbahnen im
Osten Deutschlands am wenigsten gewandelt. Wie früher verkehrt der
Molli zumindest in der Hauptsaison im Stundentakt. Den Berufsverkehr
deckt der Molli heute nicht mehr in der früheren Form ab, dennoch
fährt bis heute ein früherer Umlauf an Wochentagen als an
Wochenenden. 99 2323 fährt mit dem ersten Personenzug des Tages in
den Hp Steilküste ein.
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Klassische Eisenbahn.
Meist reist der Fahrgast heute mit einem klimatisierten und
barrierefreien Zug in dem dem Fahrgast WLAN-Empfang und Ladesteckdosen
geboten werden. Eigentlich wäre bei diesem Komfort alles in
Butter, wenn der Bahnbetrieb in Deutschland heute nicht gezeichnet von
Personal-,
Fahrzeug- und
Infrastrukturmängeln wäre. Als die Gleise noch
Schienenstöße hatten, konnte man nach der Bahn die Uhr
stellen, die Loks funktionierten – oder es wurde kurz mit dem Hammer
nachgeholfen, die Wärmeregelung in den Zügen erfolgte
über die in
der Lok erzeugte Wärme bzw. die
Lüftung über offene Fenster.
Den Haltepunkt Steilküste verlässt der erste
Personenzug des Tages – hier fehlt zur Eisenbahn von damals nur
das
regelmäßige "Klack klack" der Räder auf den
Schienenstößen.
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Der
Molli verfügt in weiten Bereichen über eine historisierende
Infrastruktur, um dem Reisenden möglichst viel Eisenbahnerlebnis
zu
bieten. Dazu gehört auch die Telegrafenleitung, die vor rund zehn
Jahren im Zuge einer umfassenden Streckensanierung
abgebaut wurde und vor rund vier Jahren zwischen Fulgen und Bad Doberan
in zwei Bauabschnitten als
Nachbildung entlang der freien Strecke abseits der Orte wieder neu
errichtet wurde.
Am Hp Steilküste wurde ein Fernsprechhäuschen errichtet,
welches zusammen mit dem unbeschranlkten Bahnübergang ein nettes
Fotomotiv bietet. Der T 1 der Borkumer Kleinbahn durchfährt den
Haltepunkt Steilküste auf der ersten
planmäßigen Triebwagenfahrt nach Bad Doberan bei
leicht durchkommender Sonne.
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Als
der T 1 das erste Mal aus Bad Doberan zurückkehrt, hat sich die
Sonne durchgearbeitet und beleuchtet die Szenerie am Hp
Steilküste, wo sich hinter der Baumreihe direkt die Ostsee
befindet.
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So sieht beim Molli der Alltag
aus: Die Dampflok der Reihe 9932
fährt nach dem Halt im Hp Steilküste lautstark wieder an,
während die Wohnmobilisten auf dem Stellplatz Sanddornstrand den
Dampfzug nur beiläufig zur Kenntnis nehmen.
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Ein
Wismarer Schienenbus auf dem Molli, das ist Premiere – auch wenn mit
der einstigen Waggonfabrik Wismar
die
Wiege der Wismarer Schienenbusse quasi um die Ecke
liegt. Der Triebwagen T 1 der Borkumer Kleinbahn wurde 1940 in Wismar
gebaut und gehört der Bauart
Hannover Typ D an. Er wurde bereits
1936 für den Badeverkehr auf der Nordstrandbahn bestellt, aber
erst 1940 an die Borkumer Kleinbahn-
und Dampfschiffahrt AG (BKuD)
geliefert. Bis
zur Abstellung mangels Bedarfs im Jahr 1976 fuhr der T 1
planmäßig im Verkehr der Kleinbahn, seit 1971
hauptsächlich in verkehrsschwachen Zeiten.
Über verschiedene Stationen, u.a. in Viernheim, kam der Triebwagen
1997 zurück zur Borkumer
Kleinbahn. Dort wurde die begonnene Umspurung rückgängig
gemacht, der Triebwagen optisch im Auslieferungszustand
aufgearbeitet und die alten Benzinmotoren gegen moderne von
Daimler-Chrysler ausgetauscht. Seitdem wird der mit
Holzlattensitzbänken ausgestattete Triebwagen auf Borkum für
Charterfahrten und regelmäßige Ausflugsangebote
bereitgehalten.
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Abdampf
bzw. Rauch weht mit dem Wind davon, weder Kilometerstein noch
Telegrafenmast sind heute noch an den Eisenbahnstrecken zu finden. Im
Hintergrund Kühlungsborn, typisches Ostseebad mit den
neuzeitlichen Resorts – die 99
2323 erreicht den Hp Steilküste.
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Anfang
der 90er Jahre fanden die Streckenwanderungen des Verfassers noch
entlang des Gleises statt, den heutigen Radwanderweg von Heiligendamm
in
Richtung Bad Doberan entlang etwa eines Drittels der Streckenlänge
gab es damals nicht.
Heute sind die begleitend gepflanzten Bäume hoch gewachsen und
machen die Motivsuche zu einer Herausforderung. Bei km 5,6 ist der von
99 2322 bespannte Dampfzug noch mit Licht umzusetzen.
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Ein
wenig Geschichtliches zur Borkumer Kleinbahn: Die Inselbahn entstand
1879
als zunächst als Pferdebahn, um das Baumaterial für den Bau
des Neuen Leuchtturms zur
Baustelle zu bringen - 1888 wurde sie
erweitert und auf Dampflokomotivbetrieb umgestellt. Am 15. Juni 1888
nahm die neue Kleinbahn den Betrieb auf. Zur Zeit von Kaiser Wilhelm II.
wurde Borkum „Seefestung“ und in der Folge entstanden zahlreiche
militärische Anlagen auf Borkum. Die Kleinbahn wurde in diesem
Zusammenhang kontinuierlich ausgebaut, erreichte bis 1938 in der Spitze
eine Streckenlänge von fast 45 km mit sechs Dampflokomotiven und
70 Waggons.
Der zweite auf Borkum eingesetzte Wismarer Schienenbus, der T 2 der Bauart E, wurde vor dem 1936
bestellten T 1 am 10. April 1939 an das Reichsluftfahrtministerium (RLM)
für die Luftwaffe der Wehrmacht auf der ostfriesischen Insel
Borkum geliefert. Bestimmt war er für den Einsatz als
Verbindungsfahrzeug für die Fliegerhorst-Kommandantur auf den
Gleisen der Ostlandbahn und
der Borkumer Kleinbahn. Zum Einsatz für die Wehrmacht kam er dort
kurz vor und während des 2. Weltkriegs.
Am 24. Juli 1947 übernahm die Borkumer Kleinbahn das von
Kriegsschäden verschont gebliebene Triebfahrzeug von der nunmehr
aufgelösten Fliegerhorstes
Borkum-Reede,
bezeichnete ihn als T 2 und setzte ihn ab 1949 bis 1976 auf der
Inselbahn ein. Danach kam er über verschiedene Eigentümer zum
Öchsle
und wurde dort Ende der 80er Jahre nach einer Umspurung auf 760 mm
kurze Zeit ohne Personenbeförderung genutzt – ein regulärer
Betrieb unterblieb, da geforderte Nachweise zur Kippsicherheit auf
der Spurweite von 760 mm nicht erbracht werden konnten. Heute befindet
sich der T 2 in privatem Eigentum und ist an einem öffentlich
nicht bekannten Ort hinterstellt.
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Inzwischen
sind 33 Jahre nach der Wiedervereinigung vergangen. Damals noch
weitgehend analog, ist die Welt heute digital geworden – und in der
Wahrnehmung aktuell eine völlig andere. Die Wissenschaft muss sich
rechtfertiigen, dass sie faktenbasiert auf bestimmte Dinge hinweist,
die in europäische Gesetzgebung eingeflossen sind und für
alle EU-Länder Gültigkeit haben. Früher
hat man gesagt „für unsere Kinder“. Heute reduziert man das auf
die aktuelle, nicht anzutastende persönliche Freiheit.
Nationen haben Traditionen, mit denen sich viele identifizieren.
Welche Auswirkungen die Energiewende
für den denkmalgeschützten Molli haben wird, ist aktuell
nicht greifbar – beim Molli wird der Alltagsbetrieb mit klassischer
Steinkohle gefahren. Ob und wie es Lösungen für
Traditionsbetriebe geben wird, mal schauen …
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Die Sonne verzog sich
allmählich hinter Schlonz, als sich der T 1 zwischen Heiligendamm
und Bad Doberan befand.
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Praktisch
hinter den aufziehenden Wolken verzogen hatte sich die Sonne auf der
vermeintlich letzten Durchfahrt des T 1 nach Kühlungsborn West.
Was mit dem
Betrieb des T 1 auf dem Molli so einfach aussieht, ist eine
konzertierte Aktion aller Beteiligten, welche ohne
Überzeugungstäter an den richtigen Stellen nicht denkbar
gewesen wäre,
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Fotos
in Google Earth |
©
2023 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de |
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