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3. September – Woltersdorf vor dem Wandel
6. September – Woltersdorf noch mal mit Sonne
8. September – V6E 3644 stilecht mit Beiwagen
9. September – Tag der Straßenbahn 2023
22. September – V6E am Spätsommerabend
23. September – Rund um den Salzwagen
24. September – Vielfalt in Skjoldenæsholm
30. September – Ein Wismarer auf Heimatbesuch I



Sonnabend, 30. September 2023 – Ein Wismarer auf Heimatbesuch I

T 1

Die Strecke Bad Doberan – Kühlungsborn ist eine der Schmalspurbahnen, die die DDR mit ihrem nicht abgelösten Dampfbetrieb überlebt haben und deren gemein ist, dass das 1989 vorhandene Flair des Eisenbahnbetriebs als Bestandteil der Tourismuskonzepte möglichst erhalten bleiben soll. Nirgendwo sonst in Europa  wird ein derartiger Mikrokosmos bis heute unter kommerziellen Aspekten im Alltagsbetrieb betrieben.
Bei den 1989 von der Deutschen Reichsbahn noch betriebenen Schmalspurbahnen nimmt der Molli mit seiner Spurweite von 900 mm eine Sonderstellung ein, diese Spurweite wurde neben auf dem Molli nur in einigen Industriebetrieben und bei der Inselbahn Borkum angewandt.
Im September 2019 – kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie – war die 99 331 der Mecklenburgische Bäderbahn Molli GmbH (MBB) auf der Borkumer Kleinbahn zu Gast und bespannte einige Inselbahnzüge. Eigentlich sollte 2020 der Gegenbesuch des Wismarer Schienenbusses T 1 der Borkumer Kleinbahn und Dampfschiffahrtgesellschaft mbH stattfinden, doch machte Corona diesen Plänen einen dicken Strich durch die Rechnung. Dieses Jahr ist es endlich soweit, der T 1 der Borkumer Kleinbahn ist zu Gast beim Mollli und fährt bis zum 3. Oktober mehrmals täglich auf der Gesamtstrecke.
Heute am Morgen war der Wecker aus und auf einem Wohnmobilstellplatz hupt morgens ganz sicher niemand munter durch die Gegend. Regelmäßiges, wiederholendes Gehupe sorgte für ein Munterwerden des Fotografen und zum Ende des Fotohalts am Hp Steilküste entstand noch dieses Foto der Fotofahrt, die eine Fotografengruppe zum Sonnenaufgang gebucht hatte und das Glück hatte diesen auch weitgehend zu erleben. 

99 2323

Eigentlich sieht der Alltag beim Molli so aus: Ein Dampfzug, hier der erste des Tages, fährt in den Hp Heiligendamm Steilküste ein. Die DDR hat es technogisch zu ihren Zeiten nie geschafft, die Dampftraktion auf den Schmalspurbahnen abzulösen. Die zuletzt von der Deutschen Reichsbahn zuletzt noch betriebenen Schmalspurbahnen wurden noch in der DDR als Kulturdenkmal definiert und sollten langfristig weiterbetrieben werden.
Im Harz war kurz dem Mauerfall die Ablösung des Dampftraktion durch umgebaute Loks der Reihe V100 angelaufen, doch am Ende wurden statt 30 geplanter Loks nur 10 umgebaut – heute sind nur noch drei dieser Loks betriebsbereit und werden zu Rangierzwecken bzw. als Rückfallebene vorgehalten.
Beim Molli hat sich der Regelbetrieb bei allen der Schmalspurbahnen im Osten Deutschlands am wenigsten gewandelt. Wie früher verkehrt der Molli zumindest in der Hauptsaison im Stundentakt. Den Berufsverkehr deckt der Molli heute nicht mehr in der früheren Form ab, dennoch fährt bis heute ein früherer Umlauf an Wochentagen als an Wochenenden. 99 2323 fährt mit dem ersten Personenzug des Tages in den Hp Steilküste ein.

Dampfzug

Klassische Eisenbahn. Meist reist der Fahrgast heute mit einem klimatisierten und barrierefreien Zug in dem dem Fahrgast WLAN-Empfang und Ladesteckdosen geboten werden. Eigentlich wäre bei diesem Komfort alles in Butter, wenn der Bahnbetrieb in Deutschland heute nicht gezeichnet von Personal-, Fahrzeug- und Infrastrukturmängeln wäre. Als die Gleise noch Schienenstöße hatten, konnte man nach der Bahn die Uhr stellen, die Loks funktionierten – oder es wurde kurz mit dem Hammer nachgeholfen, die Wärmeregelung in den Zügen erfolgte über die in der Lok erzeugte Wärme bzw. die Lüftung über offene Fenster.
Den Haltepunkt Steilküste verlässt der erste Personenzug des Tages – hier fehlt zur Eisenbahn von damals nur das regelmäßige "Klack klack" der Räder auf den Schienenstößen.

T 1

Der Molli verfügt in weiten Bereichen über eine historisierende Infrastruktur, um dem Reisenden möglichst viel Eisenbahnerlebnis zu bieten. Dazu gehört auch die Telegrafenleitung, die vor rund zehn Jahren im Zuge einer umfassenden Streckensanierung abgebaut wurde und vor rund vier Jahren zwischen Fulgen und Bad Doberan in zwei Bauabschnitten als Nachbildung entlang der freien Strecke abseits der Orte wieder neu errichtet wurde.
Am Hp Steilküste wurde ein Fernsprechhäuschen errichtet, welches zusammen mit dem unbeschranlkten Bahnübergang ein nettes Fotomotiv bietet. Der T 1 der Borkumer Kleinbahn durchfährt
den Haltepunkt Steilküste auf der ersten planmäßigen Triebwagenfahrt nach Bad Doberan bei leicht durchkommender Sonne.

T 1

Als der T 1 das erste Mal aus Bad Doberan zurückkehrt, hat sich die Sonne durchgearbeitet und beleuchtet die Szenerie am Hp Steilküste, wo sich hinter der Baumreihe direkt die Ostsee befindet.

99 2322

So sieht beim Molli der Alltag aus: Die Dampflok der Reihe 9932 fährt nach dem Halt im Hp Steilküste lautstark wieder an, während die Wohnmobilisten auf dem Stellplatz Sanddornstrand den Dampfzug nur beiläufig zur Kenntnis nehmen. 

T 1

Ein Wismarer Schienenbus auf dem Molli, das ist Premiere – auch wenn mit der einstigen Waggonfabrik Wismar die Wiege der Wismarer Schienenbusse quasi um die Ecke liegt. Der Triebwagen T 1 der Borkumer Kleinbahn wurde 1940 in Wismar gebaut und gehört der Bauart Hannover Typ D an. Er wurde bereits 1936 für den Badeverkehr auf der Nordstrandbahn bestellt, aber erst 1940 an die Borkumer Kleinbahn- und Dampfschiffahrt AG (BKuD) geliefert. Bis zur Abstellung mangels Bedarfs im Jahr 1976 fuhr der T 1 planmäßig im Verkehr der Kleinbahn, seit 1971 hauptsächlich in verkehrsschwachen Zeiten.
Über verschiedene Stationen, u.a. in Viernheim, kam der Triebwagen 1997 zurück zur Borkumer Kleinbahn. Dort wurde die begonnene Umspurung rückgängig gemacht, der Triebwagen optisch im Auslieferungszustand aufgearbeitet und die alten Benzinmotoren gegen moderne von Daimler-Chrysler ausgetauscht. Seitdem wird der mit Holzlattensitzbänken ausgestattete Triebwagen auf Borkum für Charterfahrten und regelmäßige Ausflugsangebote bereitgehalten.

99 2323

Abdampf bzw. Rauch weht mit dem Wind davon, weder Kilometerstein noch Telegrafenmast sind heute noch an den Eisenbahnstrecken zu finden. Im Hintergrund Kühlungsborn, typisches Ostseebad mit den neuzeitlichen Resorts – die 99 2323 erreicht den Hp Steilküste.

99 2322

Anfang der 90er Jahre fanden die Streckenwanderungen des Verfassers noch entlang des Gleises statt, den heutigen Radwanderweg von Heiligendamm in Richtung Bad Doberan entlang etwa eines Drittels der Streckenlänge gab es damals nicht.
Heute sind die begleitend gepflanzten Bäume hoch gewachsen und machen die Motivsuche zu einer Herausforderung. Bei km 5,6 ist der von 99 2322 bespannte Dampfzug noch mit Licht umzusetzen.


T 1

Ein wenig Geschichtliches zur Borkumer Kleinbahn: Die Inselbahn entstand 1879 als zunächst als Pferdebahn, um das Baumaterial für den Bau des Neuen Leuchtturms zur Baustelle zu bringen - 1888 wurde sie erweitert und auf Dampflokomotivbetrieb umgestellt. Am 15. Juni 1888 nahm die neue Kleinbahn den Betrieb auf. Zur Zeit von Kaiser Wilhelm II. wurde Borkum „Seefestung“ und in der Folge entstanden zahlreiche militärische Anlagen auf Borkum. Die Kleinbahn wurde in diesem Zusammenhang kontinuierlich ausgebaut, erreichte bis 1938 in der Spitze eine Streckenlänge von fast 45 km mit sechs Dampflokomotiven und 70 Waggons.
Der zweite auf Borkum eingesetzte Wismarer Schienenbus, der T 2 der Bauart E, wurde vor dem 1936 bestellten T 1 am 10. April 1939 an das Reichsluftfahrtministerium (RLM) für die Luftwaffe der Wehrmacht auf der ostfriesischen Insel Borkum geliefert. Bestimmt war er für den Einsatz als Verbindungsfahrzeug für die Fliegerhorst-Kommandantur auf den Gleisen der Ostlandbahn und der Borkumer Kleinbahn. Zum Einsatz für die Wehrmacht kam er dort kurz vor und während des 2. Weltkriegs.
Am 24. Juli 1947 übernahm die Borkumer Kleinbahn das von Kriegsschäden verschont gebliebene Triebfahrzeug von der nunmehr aufgelösten Fliegerhorstes Borkum-Reede, bezeichnete ihn als T 2 und setzte ihn ab 1949 bis 1976 auf der Inselbahn ein. Danach kam er über verschiedene Eigentümer zum Öchsle und wurde dort Ende der 80er Jahre nach einer Umspurung auf 760 mm kurze Zeit ohne Personenbeförderung genutzt – ein regulärer Betrieb unterblieb, da geforderte Nachweise zur Kippsicherheit auf der Spurweite von 760 mm nicht erbracht werden konnten. Heute befindet sich der T 2 in privatem Eigentum und ist an einem öffentlich nicht bekannten Ort hinterstellt.


99 2323

Inzwischen sind 33 Jahre nach der Wiedervereinigung vergangen. Damals noch weitgehend analog, ist die Welt heute digital geworden – und in der Wahrnehmung aktuell eine völlig andere. Die Wissenschaft muss sich rechtfertiigen, dass sie faktenbasiert auf bestimmte Dinge hinweist, die in europäische Gesetzgebung eingeflossen sind und für alle EU-Länder Gültigkeit haben. Früher hat man gesagt „für unsere Kinder“. Heute reduziert man das auf die aktuelle, nicht anzutastende persönliche Freiheit.
Nationen haben Traditionen, mit denen sich viele identifizieren. Welche Auswirkungen die Energiewende für den denkmalgeschützten Molli haben wird, ist aktuell nicht greifbar – beim Molli wird der Alltagsbetrieb mit klassischer Steinkohle gefahren. Ob und wie es Lösungen für Traditionsbetriebe geben wird, mal schauen …

T 1

Die Sonne verzog sich allmählich hinter Schlonz, als sich der T 1 zwischen Heiligendamm und Bad Doberan befand.

T 1

Praktisch hinter den aufziehenden Wolken verzogen hatte sich die Sonne auf der vermeintlich letzten Durchfahrt des T 1 nach Kühlungsborn West. Was mit dem Betrieb des T 1 auf dem Molli so einfach aussieht, ist eine konzertierte Aktion aller Beteiligten, welche ohne Überzeugungstäter an den richtigen Stellen nicht denkbar gewesen wäre,

Fotos in Google Earth © 2023 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben