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Sonnabend, 6. November 2021
– Dänische Gäste in Bremen
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Die Saison ist vorbei, die Tage sind wieder kurz und oft trüb. Für die Mitglieder des Fördervereins Sporvejshistorisk Selskab (SHS) des Dänischen Straßenbahnmuseums in Skjoldenæsholm ist der Herbst
Reisezeit, sie besuchten dieser Tage Bremen. Eigentlich war der Besuch
schon im Herbst 2020 geplant, doch ließ die Corona-Pandemie die Reise
2020 nicht zu.
Zunächst war auch Hamburg ein Reiseziel, doch sind die
historischen U-Bahnwagen in Hamburg seit April 2019 nicht
einsatzbereit, so dass Hamburg als straßenbahnlose Stadt entfallen
musste. In Bremen wird die Straßenbahn seit rund 25 Jahren wieder erweitert und dabei auch das Umland (Lilienthal) erreicht bzw. auf bestehende Eisenbahnstrecken nach Mittelshuchting und
Leeste (im Bau bzw. Planung) erweitert.
Seit 1989 kümmert sich der Verein Freunde
der Bremer Straßenbahn e.V. (FdBS) um die Erhaltung der historischen Straßenbahnen. Was 1990 mit zwei Zügen der Hansa-Großraumwagen
begann, umfasst heute einen
repräsentativen Querschnitt durch die Bremer
Straßenbahngeschichte. Der
Großraumzug aus den Triebwagen 811 und Beiwagen 1806 wurde in
den vergangenen Jahren nach langjährigem Einsatz als historischer
Zug
gründlich überholt und dabei praktisch in den Originalzustand
von 1954
zurückversetzt. Hier durchfährt der Zug nach dem
Ausrücken aus dem
Betriebshof Sebaldsbrück – auch gleichzeitig Heim der Freunde der
Bremer Straßenbahn – die Hst Schloßparkstraße.
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Die Siedlungsstruktur in Bremen
wird durch das Altbremer Haus
geprägt, entlang der Straßen stehen in der gesamten Stadt die
zwei- oder dreigeschossigen Häuser, oft als Einfamilienhäuser angelegt.
Der Großraumzug hat am Hauptbahnhof die Gäste aus Dänemark aufgenommen
und die Fahrt geht gen Walle. Hier passiert der Zug die
Sankt-Magnus-Straße, im Hintergrund links die Wilhadi- und rechts die St.Marien-Kirche.
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Nur rund einen Kilometer Luftlinie
entfernt liegt der Holz- und
Fabrikenhafen, an dessen östlichem Rand die zweite den
Stadtbereich um Walle und Gröpelingen erschließende Straßenbahnstrecke
verläuft, hier an der Kreuzung Nordstraße/ Emder Straße.
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Seit
August 2014 fährt die Bremer Straßenbahn mit dem dritten Bauabschnitt der Linie 4 auch in das
niedersächsische Umland – vom an der Bremer Stadtgrenze gelegenen
Borgfeld aus wurde die Straßenbahn nach Lilienthal bzw.
Falkenberg verlängert. Durch die dörfliche
Hauptstraße fährt der Zug aus Tw 801 und Bw 1806.
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Westlich der Brücke über die Wümme verläuft die Grenze zwischen Bremen
und Niedersachsen
entlang der Wümme. Der Zug erreicht an der auf der Brücke
gelegenen Hst
Truperdeich Bremer Stadtgebiet. Am Mehlandsdeichweg entscheidet dagegen
die Straßenseite, in welchem Bundesland man wohnt …
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Die bis 1849 erbaute Horner Mühle
wird bereits seit 1933 nicht mehr mit Wind betrieben, 1938 wurden ihre
Ruten demontiert. Erst Jahrzehnte später erhielt sie im Zuge von
denkmalgerechten Sanierungen ihre Flügel zurück, 2017 wurde
die Mühlentechnik umfangreich erneuert.
Die heute wieder betriebene Linie 4 ist ein Projekt der 1990er und
2000er Jahre. 1972 wurde die alte Linie 4 nach Horn eingestellt und
1998 in einem ersten von drei Bauabschnitten bis zur Horner Mühle
wiedereröffnet. 2002 wurde der zweite Bauabschnitt nach Borgfeld
eröffnet und 2014 zum aktuellen Endpunkt im niedersächsischen
Lilienthal verlängert.
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Zeit
für einen Fahrzeugtausch. Die Reisegruppe ist an der Domsheide
ausgestiegen und der Großraumzug macht sich wieder auf den Weg in
Richtung Sebaldsbrück. Hier passiert der Zug entlang der Straße Bei den drei
Pfählen den Hastedter Wochenmarkt.
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Zunächst
kommt jedoch ein anderes, inzwischen auch museumsreifes Fahrzeug
gefahren. Die ab 1993 in Serie gebauten Niederflurwagen aus dem Hause AEG bzw. Adtranz stehen vor dem Ersatz durch
neue Züge der Reihe Avenio
aus dem Hause Siemens.
Aktuell sind bereits rund ein Drittel der Züge ausgemustert, ein
Verkauf der niederflurigen Triebwagen stand aufgrund des starken
Verschleisses an den Zügen nicht zur Diskussion.
Der 3077 gehört zu den GT8N, die für die Erhaltung als
Museumsfahrzeug in der engeren Wahl stehen. Inwieweit langfristig eine
fahrfähige Erhaltung möglich ist – und mit welchen
Einsatzmöglichkeiten – ist noch fraglich, die technischen
Voraussetzungen
dafür werden aktuell mit Einlagerung von Teilen und der Zugauswahl
geschaffen.
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Der
Wegmann-Stadtbahnzug
vom Typ GT4f hat bereits Eingang in die Museumssammlung gefunden – Ende 2013 endeten die Linieneinsätze der ab 1973 gebauten Fahrzeuge,
seither wird das Straßenbahnnetz in Bremen vollständig
niederflurig betrieben.
Der GT4f 557 wurde vor genau vier Jahren als historischer Triebwagen
fertiggestellt, der passende Beiwagen GB4f 747 wartet noch auf den Abschluss
der Hauptuntersuchung und die Neulackierung. Hier kommt der Tw 557
entlang der Hastedter Heerstraße mit dem markanten
Wandgemälde gefahren.
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Mit
dem Tw 701 ist ein unmittelbares Nachkriegsfahrzeug der Bremer
Straßenbahn mit Bremer Wurzeln erhalten geblieben. Der Wagen
entstand 1947 bei der Bremer
Maschinenbau und Dockbetrieb GmbH als Teil einer Serie von je 25
Trieb- und Beiwagen nach Plänen der ab 1940 gebauten Lindner-Triebwagen. Der noch bis
1985 zu innerbetrieblichen Zwecken genutzte Triebwagen 701 (zuletzt 886)
wurde vom Verein ab 1991 von Grund auf neu aufgebaut und zum
125-jährigen Bestehen der Bremer Straßenbahn 2001
fertiggestellt. Langfristig sollen noch bis zu zwei Beiwagen für den
701
dazukommen, die passenden Wagenkästen sind in Sebaldsbrück
als Rohbau bzw. Arbeitsreserve vorhanden.
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Nach
Zustieg der Reisegruppe an der Domsheide führte der Weg
zunächst ins vornehme Viertel Schwachhausen zur Kulenkampffallee.
Entlang der Hartwigstraße der Tw 557 …
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gefolgt an der Ecke Fitgerstraße vom Tw 701.
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Die
77 bestellten Züge der Reihe Avenio hören in
Bremen auf den Namen „Nordlicht“, 35 der betrieblich als GT8N-2
bezeichneten Triebwagen erhalten für die auf EBO-Strecken
projektierten Streckenverlängerungen über Huchting hinaus EBO-Zulassung
und
Fahrzeugnummern ab 3401 ff.. Hier der Tw 3202 nach Huchting in der
Hartwigstraße.
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Von
der Kulenkampffallee kommend Tw 557 an der Hst Bulthauptstraße
entlang der Hartwigstraße. Links an der gelben Hauswand ist
eine Rosette aus Zeiten erhalten, wo die Fahrleitungsanlage an den
Hauswänden aufgehängt war.
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Der
Tw 701 folgte dem Tw 557 stets im Sichtabstand.
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Nun
ist auch in Bremen die Zeit nicht stehen geblieben und es entstehen
neue Stadtviertel. Die hafennahe Überseestadt wird seit 2006 von
der Straßenbahn erschlossen, zum Anschluss des Europahafens mit dem
Kellogg-Werk wurde ein Streckengleis auf rund 800 Metern als
Vierschienengleis
ausgeführt. Seit 2018 ist das Kellogg-Werk geschlossen und das Gleis
wird
vom Güterverkehr nicht mehr befahren.
Der GT8N 3023 passiert entlang der Straße Auf der Muggenburg
seinen auf der Linie 5 eingesetzten Nachfolger 3207 vom Typ GT8N-2.
Für die Linie 5 wird eine Erweiterung in die hintere
Überseestadt zum Waller Sand vorbereitet, wo derzeit ein neues
Stadtviertel entsteht.
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In
dieser Umgebung wirkt der unweit entstandene „Dockwagen“ 701 an der
Hst Eduard-Schopf-Allee wie aus einer anderen Welt, da hilft auch das
an die Vergangenheit erinnernde Straßenschild „An der Reeperbahn“
nicht. Doch wo war der vorausfahrende GT4f 557 geblieben? …
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Da durch die Überseestadt auch eine Runde entgegen des Uhrzeigersinns
möglich ist war naheliegend, dass der fehlende GT4f 557 den Schlenker
andersherum fährt. Und sowar es, der
Tw 557 erschien in Gegenrichtung. Im Hintergrund als Kontrast zur
modernen Bürowelt die aufgegebenen Gebäude des Kellogg-Werks, von wo aus mit der Überseeinsel ein weiteres, nachhaltiges Stadtviertel entstehen soll.
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Kontraste
auch an der Hst Sebaldsbrück. GT8N-2 3242 trifft auf den
GT8N 3021, welcher die letzten Einsatzmonate erlebt. Fast könnte
man meinen „Spur H0 trifft auf Spur TT“. Bis zum GT8N hatten die
Straßenbahnwagen eine Breite von 2,30 Meter oder weniger, ab dem GT8N-1
sind es 2,65
Meter. Zur Verkleidung der Dachausrüstung ist bei den GT8N-2 der Umriss
höhergezogen.
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Als
vierter historischer Triebwagen rückte am Nachmittag der Tw 134
aus dem Depot Sebaldsbrück aus. Der Wagen 134 wurde 1904 als Eigenbau
in der Werkstatt Walle der Bremer Straßenbahn AG als offener
Plattformwagen gebaut. 1924 erhielt das Fahrzeug geschlossene
Plattformen mit Schiebetüren und ein neues Fahrgestell mit größerem
Achsstand. Der Tw 134 blieb so bis 1954 im Liniendienst, ehe er zum
Lehrwagen LW 1 umgebaut und noch bis 1974 zur Fahrerausbildung genutzt
wurde.
Bis 1979 diente der Wagen als Rangierwagen ehe er endgültig abgestellt
wurde. 1991/92 wurde der Tw 134 in Bremens Partnerstadt Rostock bei den
dortigen Verkehrsbetrieben grundlegend aufgearbeitet und ist seitdem im
weitgehenden Zustand von 1939 einsatzfähig. Eine Vorstellung
dieses und der anderen historischen Wagen der BSAG findet sich im Fototagebuch anlässlich der Inbetriebnahme
des Museumswagens GT4f 557 im November 2017.
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Tw
134 an der Hst Schloßparkstraße im von Mercedes-Benz industriell
geprägten Stadtteil Sebaldsbrück.
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Im Hochsommer beginnt gegen 16.30 Uhr die fototechnisch wieder interessante
Tageszeit, jetzt im November steht die blaue Stunde vor der Tür. Tw 134
an der Hst Bennigsenstraße.
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Die
blaue Stunde ideal genutzt. Durch mehrere Störungen im
Innenstadtbereich und an der Strecke nach Arsten kam der Ablaufplan für
die Besucher aus Dänemark durcheinander, welche daher zum Betriebshof
Neustadt gefahren waren und auf den Wagen 134 warteten. Kurzerhand
wurden die drei Museumsfahrzeuge des Nachmittags nebeneinander
aufgestellt und am Avenio 3217 eine Begrüßungsanzeige eingestellt. Gut,
wenn die Nachrichtentechnik der Verkehrsbetriebe im Vorwege flexibel
ist und spezielle Anzeigen zentral auf alle Fahrzeuge einspielen kann.
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Parade
von GT4f 557, Tw 701, Tw 134 und dem GT8N-2 3217 vom Typ Avenio. Der
Avenio von Siemens wird auch zum Einsatz kommen, wenn die Straßenbahn im Raum
København vsl. 2025 – 53 Jahre nach
der Stilllegung in København
– in Form der Hovedstadens Letbane
zwischen Lundtofte und Ishøj wieder eingeführt wird. Im
Straßenbahnmuseum Skjoldenæsholm ist das Mock-Up des
künftigen Kopenhagener Fahrzeugs ausgestellt.
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Zeitlich
wieder fast dem Ablaufplan entsprechend erreichten die drei Fahrzeuge
im Konvoi die Schleife Weserwehr. Eigentlich sollte der Plankurs
vorbeigelassen werden, welcher zunächst eine Minute hinter den
Museumswagen folgen sollte. Doch erschien der Wagen am Weserwehr nicht
und die Abfahrtsprognose an der Haltestelle zählte nach oben. So wurde
die Rückreise vorzeitig angetreten – zurück blieben am Weserwehr
zahlreiche auf den Plankurs wartende Fahrgäste, die sich wohl ob des
unerwarteten Déjà-vu wunderten …
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Im
Depot bleiben musste „Molly“, der 1900 gebaute Triebwagen 49. Das
betriebsfähige Fahrzeug hat die ab 1959 erforderlichen Änderungen nach
BOStrab nicht erhalten, so hat „Molly“ weder Magnetschienenbremse noch
Blinker. Mittels einer Sondergenehmigung und ohne
Fahrgäste darf der Tw 49 dennoch im Streckennetz fahren, was bei Veranstaltungen gerne
praktiziert wird – die aktuellen Zeiten verschaffen „Molly“ allerdings
einen ungewohnt ruhigen Ruhestand. Dahinter der nahezu fertiggestellte
Pferdebahnwagen 23, für den eine Zulassung im Pferdebahnbetrieb auf
Bremens Straßen angestrebt wird.
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Reisekomfort
anno 1900. Dahinter der Stadtbahnwagen 557 von 1976.
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Museumsfahrzeug
der Zukunft? Der letztgebaute GT8N 3078 ist zu einem Werkstattaufenthalt im Btf
Sebaldsbrück abgestellt. Die Rolle des Museumszuges machen wohl die
drei jüngsten GT8N unter sich aus.
Schon bei den Fahrzeugen der 1970er Jahre war und ist es schwer, ihren
Wert als Museumsfahrzeug zu rechtfertigen. Doch war dieses einst auch
bei einem Großteil der zur Ausmusterung stehenden Fahrzeugen
so – so dass manch heute „wertvolles“ Fahrzeug nur über Kunstgriffe
überhaupt erhalten blieb, weil im Erleben erst einmal einfach nur „alt und verkommen“.
Nicht selten muss eine Generation vergehen, bis der Wert
als Museumsexponat von den dann Aktiven – oder Entscheidungsträgern –
überhaupt wahrgenommen wird. Von daher wäre es sträflich, die
zur Ausmusterung anstehenden Niederflurwagen der ersten Generation
vollständig zu verschrotten – was in Bremen zum Glück auch Konsens ist,
es nicht zu tun.
Neuland ist allerdings die Frage einer Betriebsfähigkeit der Fahrzeuge.
Bei Wagen ohne Leistungselektronik ist es einfache Handwerkskunst, die
Fahrzeuge am Leben zu halten. Bei modernen Fahrzeugen muss Elektronik
betriebsfähig gehalten werden, bei der ein Hammer eher kontraproduktiv
ist und funktionierende Hard- und Software zur Wartung der Elektronik vorgehalten werden. Dem noch einfach zu betreibenden Material fehlt aktuell das
nostalgische Flair – was wieder einen Großteil der Vermarktung
von
historischen Fahrzeugen ausmacht. Und ob die Technik noch
funktionsfähig und wartbar sein wird, wenn die Fahrzeuge in
späteren
Generationen – die fraglos kommen werden – historisches Flair
erreicht haben?
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Noch
sind die verschiedenfarbig gestalteten Köpfe der GT8N in Bremen
Alltag. Mit jedem der in Auslieferung befindlichen GT8N-2 wird ein GT8N
ausgemustert und verschrottet – während so mancher Betrieb noch an
der vollständigen Ablösung der letzten Hochflurfahrzeuge
doktort, wird in Bremen bereits die erste Niederflurgeneration ersetzt.
Danke an die
Freunde der Bremer Straßenbahn und die Mitglieder des
Sporvejshistorisk Selskab für die Gastfreundschaft.
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Fotos
in Google Earth |
©
2021 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de |
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