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Sonntag, 6. Mai
2018
– Historischer Linienverkehr in Bremen
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Seit einigen Tagen herrscht
über dem Norden Deutschlands ein stabiles Hochdruckgebiet mit
klarer Luft, wie sie hierzulande nur selten anzutreffen ist. Passend
dazu stand in Bremen der jährliche historische Linienbetrieb an,
bei dem alle betriebsfähigen Museumszüge der Bremer
Straßenbahn eingesetzt werden. In den Jahren zuvor hatte es nicht
geklappt, doch nun passte Zeit und Wetter perfekt zusammen.
Die historischen Fahrzeuge werden von der Bremer Straßenbahn AG (BSAG)
und den Freunden der Bremer
Straßenbahn e. V. (FdBS) gemeinsam erhalten und sind im
Betriebshof Sebaldsbrück beheimatet, welcher zu einem
Großteil von den historischen Zügen und Bussen genutzt
werden kann. Triebwagen 49 „Molly“
rückt am 6. Mai als erster historischer Triebwagen aus der Halle
in Sebaldsbrück aus.
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Der Triebwagen 49 ist der
älteste erhaltene Bremer Straßenbahntriebwagen, entstammt
einer Serie von 147 Fahrzeugen und wurde im Jahre 1900 von der Bremer
Straßenbahn in eigener Werkstatt gebaut.
Im Gegensatz zu den meisten Fahrzeugen der gleichen Bauart wurde der Tw
49 – abgesehen von der 1921 eingebauten Perronverkleidung als
Wetterschutz für den Fahrer – nicht modernisiert und verkehrte
zwischen 1954 und 1956 als Werbewagen. Danach war der Wagen abgestellt
und für das Focke-Museum vorgesehen. Die Abgabe kam nicht
zustande, 1962 wurde der Wagen als historischer Wagen 149
hergerichtet – einschließlich des seit 1936 in Bremen nicht mehr
gebräuchlichen Stangenstromabnehmers, mit dem der Wagen jedoch
nicht im Netz verkehren konnte.
1992 wurde „Molly“ gründlich aufgearbeitet und erhielt für
Fahrten im BSAG-Netz einen Scherenstromabnehmer. Da dem Wagen u.a. die seit
1960 in der Bundesrepublik vorgeschriebene Magnetschienenbremse fehlt,
ist der Wagen nicht für den Fahrgastbetrieb zugelassen.
Hier steht der Tw 49 zusammen mit dem AT 6 und dem
Hansa-Großraumzug 811/1806 zur Abfahrt zum Waller Friedhof
bereit.
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2016/17 wurde der Tw 49 im Rahmen
der turnusmäßigen Hauptuntersuchung von Lehrlingen der BSAG
optisch aufgearbeitet – die Farbgebung orientiert sich jetzt näher
am historischen Vorbild, nachdem im Zuge der Arbeiten aus alten
Anstrichsschichten Farbproben genommen
werden konnten. Auf der Fahrt zum Waller Friedhof verlässt der Tw
49 gefolgt vom – zur Absicherung mitfahrenden –
Arbeitswagen AT 6 die Bürgermeister-Hildebrand-Straße.
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An der Schleife am Waller Friedhof
liegen die Wurzeln der Bremer Straßenbahn. Hier nahm die „Große Bremer Pferdebahn“ im
September 1879 ihre Remise für die Pferdebahn zur Börse in
Betrieb. Heute ist davon und der späteren ersten Hauptwerkstatt
nur noch die 1992 eröffnete Kulturwerkstatt
westend übrig, welche zusammen mit den Gleisen im Pflaster
an die frühere Nutzung erinnert.
Der Großraumzug 811/1806 hat als erste 10E die Schleife am Waller
Friedhof erreicht.
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Wo heute ein Park angelegt ist,
standen früher die Werkstätten. Der Großraumzug
811/1806 verlässt die Schleife Waller Friedhof, wo der Tw 49 auf
dem früheren Gleis nach Gröpelingen den Tag über
ausgestellt ist.
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In der Sankt-Magnus-Straße
fährt der „Ackerwagen“ GT3 917 gen Waller Friedhof. Die ab 1955
gebauten Fahrzeuge basieren auf zunächst als Zweiachser
projektierten Fahrzeugen, deren Konstruktion angepasst wurde
und einen einachsigen Nachläufer erhielt.
Von den 28 gebauten
Zügen ist neben einigen zu Zweiachsern umgebauten Arbeitswagen nur
der Triebwagen 917 erhalten geblieben, welcher nach 1977 für
einige Jahre zum Partywagen wurde. Nach rund 20-jähriger
Abstellzeit wurde der Wagen 2001/02 zum Museumsfahrzeug aufgebaut und
steht seitdem betriebsfähig zur Verfügung.
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Tw 134 entstammt der gleichen Serie
wie Tw 49 und wurde 1904 in der Waller Hauptwerkstatt der Bremer
Straßenbahn gebaut. 1924 und 1939 wurden umfangreiche
Modernisierungen am Fahrzeug durchgeführt, so dass kaum noch
Ähnlichkeit zur Molly besteht. Seit 1954 wurde der Wagen als
Lehrwagen genutzt und entsprechend umgebaut – nach Ersatz durch einen
neuen Fahrschulzug wurde der Triebwagen zwischen 1974 und 1979 noch als
Rangierwagen genutzt, ehe er für die historische Sammlung
abgestellt wurde. 1991/92 wurde der Wagen in der Partnerstadt Rostock
durch die RSAG umfassend aufgearbeitet, seitdem steht das Fahrzeug im
Zustand von 1939 für Sonderfahrten zur Verfügung – hier biegt
er von der Utbremer Straße in die Sankt-Magnus-Straße ein.
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Tw 917 erreicht von der
Sankt-Magnus-Straße
die Wartburgstraße.
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Für Bremen eher nicht typisch sind
klassische Mehrfamilienhäuser – entlang der meisten
Wohnstraßen stehen die Altbremer Häuser, oft als
Einfamilienhäuser projektiert. Entlang der
Daniel-von-Büren-Straße und
Nachkriegsmehrfamilienhäusern fährt der
Hansa-Großraumzug 811/1806.
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Markant sind die Bremer
Großraumwagen, welche ab 1953 von der Hansa-Waggonbau GmbH gebaut
wurden. Die letzten dieser Fahrzeuge schieden 1990 aus dem Bestand aus
– der Zugverband 811/1806 ist betriebsfähiger Museumszug
und oft auf den Stadtrundfahrten eingesetzt. Zwischen 2009 und 2015
wurden die Fahrzeuge gründlich aufgearbeitet und weitgehend in den
Originalzustand zurückversetzt, hier in der Falkenstraße.
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Neuester Zugang in der historischen
Flotte ist der „Stadtbahnwagen“ 557 vom Typ GT4f. Die zwischen 1973 und
1977 gebauten Fahrzeuge waren der letzte klassische
Straßenbahntyp für Bremen, ehe Anfang der 1990er Jahre die
Niederflurgeneration in Deutschland Einzug hielt.
Ende 2013 endeten die
letzten Einsätze der GT4f – der Tw 557 wurde nach Einsatzende 2011
als Museumswagen vorgesehen, aufgearbeitet und in den Zustand der
frühen 1980er Jahre versetzt. Der passende Beiwagen 747 befindet
sich noch in
der Aufarbeitung. An der Hst St.-Jürgen-Straße steht der Tw
557 zur Fahrt zum Waller Friedhof bereit.
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Auf der Hamburger Straße ist
der Großraumzug 811/1806 unterwegs.
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Form und Farbe an der Hst
St.-Jürgen-Straße.
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Klare Luft, starke Farben. Fast
könnte man meinen, ein Polfilter wäre zum Einsatz gekommen
oder stark an den Farben gedreht. Mitnichten – ein klarer Maitag, als
der Tw 917 entlang der Hamburger Straße durch die Ostvorstadt
fährt.
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Die 10E des Historischen
Linienverkehrs verlässt an der Georg-Bitter-Straße die
Straße Bei den drei Pfählen bzw. den Linienweg der Linie 10
und befährt die Verbindung zur Hamburger Straße.
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Es bedarf kaum der Werder-Fahne,
um zu erkennen in welcher Stadt wir sind. Allerdings ist für den
Ortsunkundigen kaum zu erkennen, dass das Weserstadion um die Ecke
liegt und die vom Tw 557 erreichte Hst Weserstadion die An- und
Abreisestation für Fußballspiele im Stadion ist.
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Heute ist kein Fußball und
entsprechend entspannt geht es an der Hst Weserstadion zu.
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Tw 134 verlässt Am Schwarzen
Meer den Kiez, oder besser gesagt das Viertel.
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Das Wetter lud zu Ausfahrten ein.
Vor der Hst. St.-Jürgen-Straße traf dieses aus den 1980er
Jahren stammende Mercedes SL-Cabrio auf den doch etwas älteren
Hansa-Oldtimer.
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Der Historische Linienverkehr
bringt einen Hauch der Normalität der 1970er Jahre in die Stadt
zurück, als sich GT4f 557 und GT3 917 an der Humboldtstraße
begegnen. In den Wagen sitzt nicht der gemeine Straßenbahnfreund,
sondern der eine Zeitreise erlebende (Zufalls-)Fahrgast.
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Es bedarf schon
Überzeugungsarbeit, den Zufallsgast zu bewegen, in den Zug aus
einer anderen Zeit einzusteigen. Tw 701 in der Hst Sielwall. Der Wagen
gehört zu einer Serie von 25 in der unmittelbaren Nachkriegszeit
bei der Bremer Maschinenbau und
Dockbetrieb GmbH nach Plänen der Lindner-Triebwagen
gebauten Trieb- und Beiwagen. Bis 1970 – noch auf schaffnerlosen
Betrieb umgebaut – wurde der Wagen 701 im Linienverkehr eingesetzt, ehe
er bis 1985 als Rangierwagen 886 diente. Zwischen 1991 und 2001
wurde das Fahrzeug gründlich aufgearbeitet. Mittelfristig soll der
Wagen einen aus dem Wagen SS1 umzubauenden Beiwagen erhalten,
diese zuletzt bei einer externen Firma durchgeführten Arbeiten
stagnieren seit einiger Zeit.
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Tw 701 biegt vor klassischer
Backsteinfassade auf die Straße Am Dobben ein.
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Letzte Runde für den Tw 701,
ein kurzer Zwischenhalt an der Utbremer Straße.
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Die Ausstellung am Waller Friedhof
nähert sich dem Ende, der AT 6 hat sich auf den Weg zum Waller
Friedhof gemacht, um „Molly“ wieder nach Sebaldsbrück zu
begleiten. Der AT 6 entstand 1981 aus dem früheren GT3 850, der
Nachläufer wurde beim Umbau verschrottet. Das Fahrzeug wird bis
heute von der BSAG für betriebliche Zwecke eingesetzt, mit Hilfe
der Kanzel kann u.a. auch die Lage der Fahrleitung kontrolliert werden.
Hier biegt der AT 6 von der Wartburgstraße in die
Sankt-Magnus-Straße ein.
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Ein Bild eines modernen Zuges?
Nein, nicht wirklich – die Zeit bleibt nicht stehen und die in den
1990ern unter Mitwirkung der BSAG entwickelten und von AEG/Adtranz
gebauten GT8N stehen
ab 2019 zur Ausmusterung an. Die Fahrzeuge der ersten
Niederflurgeneration weisen starke Schäden an den Fahrwerken und
Wagenkästen auf, deren grundhafte Beseitigung nach Gutachten
nicht mehr wirtschaftlich ist – zahlreiche Fahrzeuge fielen zur
Untersuchung und Behebung der akuten Mängel einige
Zeit aus. Die BSAG hat 77 Neubaufahrzeuge vom Typ Avenio bei SIEMENS bestellt, die ab Herbst
2019 zur Auslieferung kommen werden.
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Auf der Rückfahrt von Walle
zum Betriebshof Sebaldsbrück gibt es abends vom Sonnenstand her
nur wenige Stellen, wo die einrückenden Züge fotografisch
festgehalten werden können. Der Fotograf war verwundert, dass
außer ihm an der so ziemlich einzig möglichen Fotostelle vor der Hst
Wartburgstraße nur ein weiterer Fotograf stand. Molly verkehrt
mangels Zulassung für den Personenverkehr höchst selten im
öffentlichen Netz, Fotos auf dem Streckennetz dürften sooo
zahlreich nicht in den Archiven schlummern.
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Mit Hochdruck wird in Bremen seit
2009 der Wiederaufbau des 1888 gebauten Pferdebahnwagens 23 verfolgt.
Der Wagen wird nach und nach neu aufgebaut, das Fahrwerk (ex Salzlore S4) konnte aus
Wehmingen übernommen werden. Im Vergleich zum Besuch im
November 2017 hat der Wagen wieder deutliche Fortschritte gemacht – die
Fertigstellung kommt in greifbare Nähe.
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Zum Abschluss des Fahrtages werden
die historischen Fahrzeuge gerne vor den Hallen des Btf
Sebaldsbrück aufgestellt. Hier stehen alle fünf Akteure des
Historischen Fahrtages zum Fototermin aufgereiht. Der Hansa-Gelenkwagen
446 ist derzeit zur Hauptuntersuchung und fehlt daher in der
Aufstellung.
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„Molly“ Tw 49 beginnt mit dem
Wegstellen der Fahrzeuge.
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Tw 49 hat an den Pferdebahnwagen 23
gesetzt und rangiert ihn auf sein Abstellgleis. Nach Ende des
Pferdebahnbetriebs 1892/93 wurden die Pferdebahnwagen zunächst
unverändert hinter den neu angeschafften elektrischen Triebwagen
betrieben, ehe sie umgebaut wurden und neue Fahrgestelle erhielten.
Wagen 23 wurde 1925 als Wagen 283 ausgemustert und ohne Fahrgestell in
Bremen-Walle als Kleingartenhäuschen aufgestellt, ehe er 2007
durch Zufall gefunden und 2009 geborgen wurde.
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Fotos
in Google Earth |
©
2018 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de |
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