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Sonntag, 1. März 2020
– Düwag-Revival wider Willen
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Am
Sonntag führte der Weg ins Pfälzische nach Ludwigshafen. Die einst
großzügig kalkulierten Fahrzeugbestände der Verkehrsunternehmen sind
längst auf das betrieblich absolut notwendige reduziert worden –
unvorhergesehene Entwicklungen können in solchen Fällen kaum noch
abgedeckt werden und Kreativität ist im Falle des Falles gefragt.
Führte 2017 in Berlin z.B. die allgemeine Wagenknappheit zur
Wiederinbetriebnahme von Museumswagen der Reihe D57 für den
Linienverkehr auf der U55, war in Ludwigshafen im Spätsommer 2019 die Sperrung der maroden Hochstraße Süd
für die Wiederinbetriebnahme von drei bei Düwag 1963 gebauten
Garnituren der Reihe ET6/EB6 verantwortlich. Zwei der Züge waren seit
Jahren nicht mehr im Linieneinsatz, einer diente noch für
Sonderfahrten. Die Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (rnv)
beschloss im Herbst 2019 die Reaktivierung der Züge – deren teilweise
Verschrottung bereits beschlossene Sache schien – und will diese
zumindest bis zur Lieferung der 80 bei Škoda bestellten Neufahrzeuge der Familie ForCity Smart
zu den Hauptverkehrszeiten auf der Linie 6 einsetzen. Mit der
Reaktivierung der Züge war auch eine Neulackierung der bisher klassisch
beige mit brauen Zierstreifen lackierten oder mit Ganzwerbung
versehenen Züge verbunden.
Der Verein FTM-Depot 5 Rhein-Neckar e.V.
bot am 1. März mit dem bereits in der Vergangenheit für Sonderfahrten
genutzten ET6/EB6-Verband 1017/1057 eine Sonderfahrt durch das RNV-Gebiet an – beste Gelegenheit dieses Kapitel aktueller
Verkehrsgeschichte abzuarbeiten, für die planmäßig nur zu
HVZ-Zeiten vorgesehenen Einsätze wäre die Anreise aus Hamburg doch
recht aufwendig.
Der Bahnhof in Bad Dürkheim ist Endstation der als Eisenbahn gewidmeten und 1911/13 eröffneten Rhein-Haardtbahn
(RHB) – einer der wenigen Überlandlinien, die im Westen Deutschlands bis
heute überlebt haben. Die 1963 beim Bau noch als GT6/GB6-Züge bezeichneten
Neubauzüge verkehrten nach Umstellung der Linie von 1.200V auf 600V auf
dieser Linie, ehe in den 1990er Jahren Niederflurzüge die Nachfolge
antraten.
Hier steht der 1017/1057 auf seiner alten Stammstrecke, erstmals in
aktueller Lackierung des Nachfolgeunternehmens RNV am Bahnhof Bad
Dürkheim.
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Vor der Kulisse des Haardt, einem Teil des Pfälzerwaldes,
ist hier der Verband nahe Bad Dürkheim unterwegs. Die Strecke nach Bad
Dürkheim wird noch bis 2021 umfassend modernisiert – nach Erneuerung
der Signaltechnik, des Oberbaus, der Bahnsteige und der
Fahrleitungsanlage stehen noch die Erneuerung der Bahnübergänge sowie
der Ausbau der P&R-Anlagen an.
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„Die
autogerechte Stadt“ war 1959 der
Titel eines durch das damalige Bundesministerium für Wohnungsbau
geförderten Buches. Ludwigshafen hat diese Ausführungen versucht
konsequent umzusetzen – mit heute für die Stadt fatalen Folgen.
Ergebnis ist eine baufällige Infrastruktur, welche in Teilbereichen an
Hässlichkeit nicht zu überbieten ist.
Ab 1959 wurden in Ludwigshafen aufbauend auf dem Projekt Visitenkarte
bis 1981 nach und nach Hochstraßenabschnitte gebaut. Die Straßenbahn
sollte innerstädtisch zu einer U-Straßenbahn werden – für eine nach
üblicher Definition gerade eben zur Großstadt gewordene Stadt mit
aktuell knapp über 170.000 Einwohnern eigentlich völlig
überdimensioniert.
Wer heute Ludwigshafen mit der Bahn erreicht, steigt in einer
schmucklosen Betonwüste aus, welche 1969 eröffnet wurde und den 1847
eröffneten Kopfbahnhof ablöste. Im Bahnhof wurden seitdem kaum
Modernisierungsarbeiten durchgeführt, nach dem Verlassen der
Bahnhofshalle findet sich der Reisende auf einem kahlen Vorplatz wieder
und nach dem Abstieg in die Unterwelt in einem renovierungsbedürftigen
Tunnelbahnhof, mit Rolltreppen aus der Eröffnungszeit, meist
stillgelegt – das Umfeld nicht weniger erneuerungsfällig.
Nur noch zwei von vier Bahnsteiggleisen sind im regulären Betrieb, die
anderen beiden Gleise werden seit 2008 nur noch innerbetrieblich
befahren – erst in Folge der Hochstraßensperrung mit entsprechender
Umorganisation des Liniennetzes fahren hier seit Ende Januar 2020 wieder Züge mit Fahrgästen.
Seit Dezember 2008 ist ein wesentlicher Teil der U-Straßenbahn
Ludwigshafen außer Betrieb, der C-Tunnel Hauptbahnhof – Danziger
Platz – Rathaus (unten) wurde stillgelegt und die Rampe zur
Rheinuferstraße inzwischen zugeschüttet. Der C-Tunnel war technisch bis zur Hst Rathaus noch bis März 2019 als
Stichstrecke befahrbar, bis neue ESTW-Technik die alte Relaistechnik
ersetzte. Am Hauptbahnhof ist der C-Tunnel seitdem mit einer Blechwand
vom Streckennetz abgetrennt.
Die Haltestelle Hauptbahnhof Ostausgang ist seit Dezember 2008
geschlossen, die Gleise dienen nur noch betriebsinternen Zwecken. Im Hintergrund die zur Hochstraße West
gehörende Brücke über den neuen Hauptbahnhof, welche neueren Datums ist
und nicht gesperrt werden musste.
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Seit
November 2019 sind auch die Verbindungen unterhalb der
einsturzgefährdeten Hochstraße Süd für jeden Verkehr gesperrt. Die
Streckenäste nach Luitpoldhafen und Rheingönheim werden linienmäßig nicht
befahren – der Betriebshof Rheingönheim kann jedoch erreicht werden, im
aktuellen Liniennetz werden auf den Ein- und Aussetzfahrten auch
Fahrgäste mitgenommen. Bis zum Abschluss der in Kürze startenden
Abrissarbeiten an der Hochstraße wird die Hst Hoheneckenstraße nur von
Ein- oder Aussetzfahrten bedient.
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Unmittelbar
vor dem 2. Weltkrieg beschafften zahlreiche Verkehrsbetriebe neue, für
damalige Zeiten hochmoderne Fahrzeuge. Meist blieben es Einzelstücke,
nicht wenige davon wurden im Krieg zerstört. Im Jahr 1939 beschaffte die Rhein-Haardtbahn die beiden Triebwagen 1121 und 1122 von der Waggonfabrik Fuchs.
Der Wagen 1121 ging 1943 verloren, der 1122 wurde noch bis 1965 auf der
RHB eingesetzt und durch die Düwag-GT6 1013-1018 mit den pasenden Beiwagen ersetzt.
Obwohl
seine Verschrottung mehrfach verfügt wurde blieb der Tw 1122
erhalten, 1977 an die Deutsche Gesellschaft für Eisenbahngeschichte (DGEG)
abgegeben und nach Viernheim verbracht. Nach der Auflösung der Sammlung
1988/89 kam das Fahrzeug zunächst nach Bruchhausen-Vilsen und 1997 nach
Bad Dürkheim. Mit Hilfe von Schrotterlösen konnte die IG Nahverkehr
Rhein-Neckar e.V. (IGN) den Wagen im Jahr 2001 kaufen und bis 2008
grundlegend aufarbeiten. Seitdem ist der Triebwagen im RNV-Bereich nach BOStrab und EBO zugelassen.
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Im
Betriebshof Rheingönheim sind diverse Vertreter der Düwag-Bauarten
hinterstellt, Zugang aus dem Jahr 2013 ist der Tw 154, ehemals Tw 455
in Mannheim. Die Wagen des „Typ Mannheim“ wurden als Weiterentwicklung
des klassischen Düwagwagens ab 1969 gefertigt und wiesen diverse
Neuerungen auf, unter anderem hatten die Wagen auch Klimaanlagen
erhalten – damals im Straßenbahnbereich ein völliges Novum.
Die letzten Wagen des Typs gingen in Mannheim im Jahr 2003 außer
Betrieb und wurden 2005 nach Helsinki verkauft. 2013 konnte die IGN
in Absprache mit der RNV den Tw 154 aus
Helsinki erwerben und auf dem RNV-Netz hinterstellen. Für die Zukunft
ist die betriebsfähige Aufarbeitung des Fahrzeugs vorgesehen.
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Mit
dem Fahrschulwagen 152 der früheren VBL und dem 1991 mit einem
Niederflurmittelteil versehenen GT8N 501 der früheren MVV-V sind zwei
weitere typische Vertreter der Düwag-Triebwagen vorhanden.
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Der
1971 gebaute GT8 156 ist in der originalen Farbgebung ebenfalls seit
Jahren hinterstellt. Daneben der 1994 ebenfalls von DUEWAG gebaute 6MGT
2201 in der aktuellen Farbgebung der RNV.
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Markante RNV-Gesichter: Düwag, Variobahn und 6MGT, aufbauend aus den Kasseler
NGT6C entwickelt. Der Tw 1015 war rund zehn Jahre abgestellt, bis die
unerwartete Entscheidung für die Reaktivierung fiel. Im Januar 2020
machte der Zug wenige Wochen nach Inbetriebnahme Schlagzeilen in der
Presse, nachdem im im Betriebshof Rheingönheim abgestellten Triebwagen
ein Schwelbrand ausgebrochen war.
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Bis
zum Abschluss der Abrissarbeiten an der Hochstraße Süd kommen die drei
ET6/EB6-Züge auf der Linie 7 zum Einsatz, welche am Ebertpark
wendet. Hier biegt der Tw 1017 in die Wendeanlage an der Ebertstraße
ein.
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ABB Henschel entwickelte ab Beginn der 1990er Jahre eine zu 100% niederflurige Straßenbahn, der Prototyp mit der Bezeichnung Variobahn
wurde 1993 nach Chemnitz geliefert und dort jüngst außer
Dienst gestellt. Die damals noch selbstständigen Verkehrsbetriebe
an Rhein&Neckar gingen ab 1998 die gemeinsame Beschaffung von Fahrzeugen an und entschieden sich, bei Bombardier Fahrzeuge des weiterentwickelten Typs Rhein-Neckar-Variobahn
zu beschaffen.
Nach dem Aufgehen der Verkehrsbetriebe VBL, MVV und HSB
in die RNV wurden die zunächst je nach Betrieb unterschiedlich
lackierten Fahrzeuge weitgehend komplett in die aktuelle RNV-Farbgebung
umlackiert. Hier fährt der RNV6 2217 in die Hst Ebertpark/Fichtestraße ein.
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Wurden in der Vergangenheit die Farbgebungen der drei Betriebe an Rhein&Neckar kompromisslos an das Corporate Identity der
Unternehmen angepasst, wurden die aktuellen RNV-Farben bei der
Kurbelwagenreaktivierung 1:1 auf das originale Design der Düwagwagen
übertragen.
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Am Vormittag passten die Wolkenlücken meist perfekt zu den Fotostellen, so auch an der Hst Ebertpark/Fichtestraße.
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Am
Friedenspark war nur ein ultrakurzer Halt möglich, da ein Linienwagen
direkt hinter dem Zug erschien. So mussten wenige Sekunden für „das“
passende Foto reichen.
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Am
Betriebshof Käfertal befand sich früher die Hauptwerkstatt der OEG. Von
der OEG wurden 1988/89 die GT8K beschafft, welche auch über eine
Klimaanlage verfügen – Düwagwagen der letzten klassischen Generation.
Der Tw 4115 wirbt für das Freizeitbad Miramar in Weinheim. Rechts der
Fahrleitungsüberwachungswagen 4357, welcher 1963 von der Waggonfabrbik AG in Rastatt als Großraumwagen 76 für die OEG gebaut worden ist-
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Im
vorherigen Foto schummelte sich bereits das wohl markanteste Fahrzeug
der OEG in das Bild. Aus Anlass des schnellbahnartigen Ausbaus der
Verbindung Mannheim – Heidelberg beschafften die OEG ab 1928 über die Waggonfabrik Fuchs in Heidelberg 21 moderne Halbzüge aus Trieb- und Steuerwagen, welche
auch in Doppeltraktion verkehren konnten. Mit Umstellung des
verbliebenen 1.200V-Betriebes auf 600V endete im März 1974 der Einsatz
der Halbzüge bei der OEG. Drei davon blieben als historische Fahrzeuge
erhalten.
1992 wurde einer der beiden bei der OEG verbliebenen Halbzüge zu einem
Salonwagen umgebaut, eine Brauerei sponsorte diesen Umbau bei dem der
Zug eine dunkelgrüne, an eine Bierflasche erinnernde Lackierung
erhielt. Der Halbzug 45/46 mit Steuerwagen 46 an der Spitze war an
diesem Nachmittag anderweitig gechartert und traf in Käfertal auf
seinen modernen Nachfolger 1017 von 1963, welcher inzwischen auch schon
(fast) historisch ist.
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Nach einer Schleifenfahrt startete der Zug in Richtung Stadtmitte Mannheim, um die Chartergäste einzusammeln.
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Die Strecke Mannheim-Käfertal – Heddesheim wurde von der OEG zunächst als
schmalspurige Nebenbahn betrieben und ist seit 1946 elektrifiziert.
Einst mit klassischer Eisenbahnsignaltechnik ausgerüstet, ist die
Strecke nach Heddesheim heute wie alle anderen Eisenbahnstrecken der
RNV mit ESTW-Technik und dem Ks-Signalsystem ausgestattet. Hier zieht
der Verband 1017/1057 in der Endstelle Heddesheim zum gewöhnlichen
Haltepunkt vor.
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Außerhalb
Heddesheim verläuft die Strecke klassisch als Überlandstrecke, welche
von diversen Freileitungen gezeichnet ist. Elektromobilität hat eben
auch ihren Preis...
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An
die Rollbühlstraße grenzen die früheren Produktionsanlagen von BBC. Sie
haben ihren Ursprung in einer Vereinbarung von 1898 zwischen der Stadt
Mannheim und der Schweizer Firma „Brown, Boveri & Cie“, welche ein
Elektrizitätswerk nur mit einem „Fabriketablissement” vor Ort vorsah.
Einst waren hier 12.000 Mitarbeiter beschäftigt. Als herausragende
Pionierleistung von BBC Mannheim gilt in der jüngeren Geschichte die in
den 1970er Jahren zur Serienreife entwickelte Drehstromantriebstechnik.
Heute wird vom Rechtsnachfolger der BBC in Mannheim – Bombardier – vor
allem Software entwickelt und die früheren Produktionsanlagen werden
anderer Nutzung zugeführt.
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Der
„U-Bahnhof“ Dalbergstraße ist die einzige unterirdische Station der
Mannheimer Straßenbahn, sie wurde 1971 im Zuge der Ausbauplanungen zur
autogerechten Stadt errichtet.
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Nach
einer Rheinüberquerung endete die rund achtstündige Fahrt durch
Mannheim und Ludwigshafen und das Umland wieder in Ludwigshafen Hauptbahnhof. Bei der
Aussetzfahrt passierte der Verband 1018/1058 die frühere Hst
Hauptbahnhof Ostausgang. Der Verband 1018/1058 ist der dritte
reaktivierte ET6/EB6-Zug. Der ET6 1018 diente die letzten Jahre
innerbetrieblichen Zwecken, während der EB6 1058 lange abgestellt war.
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Fotos
in Google Earth |
©
2020 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de |
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