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10. August – 100 Jahre Berliner S-Bahn I
11. August – 100 Jahre Berliner S-Bahn II
18. August – 1999: 75 Jahre Berliner S-Bahn
25. August – Zum DTMB und vor dem Generationswechsel
31. August – Buntes Treiben an der Marschbahn



Sonnabend, 10. August 2024 – 100 Jahre Berliner S-Bahn I

BR 481

Wie die Zeit vergeht. 70 Jahre, 75 Jahre … und nun 100 Jahre Berliner S-Bahn. Wer die Feierlichkeiten der S-Bahn Berlin GmbH 1999 miterlebt hat, vermisst dieses Jahr entsprechend angelegte Feierlichkeiten. Die seit Jahren ausstehende Vergabe der letzten beiden Teilverkehrsverträge für die Berliner S-Bahn beschäftigt das Unternehmen auf praktisch allen Ebenen, die Zeit für eine Vorbereitung einer Feier blieb auf der Strecke.
Am Ende war es nicht nur die längst überfällige Vergabe – die Abgabe der verbindlichen Angebote soll nun bis zum 8. Oktober erfolgen, auch alle anderen Voraussetzungen sind heute andere als vor 25 Jahren. Vor 25 Jahren hatte die S-Bahn Berlin GmbH einen recht auskömmlichen Verkehrsvertrag, dessen Konditionen innerhalb der Laufzeit vom damaligen Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin – zuvor ein Finanzvorstand bei der DB – ab 2002 drastisch zugunsten niedrigerer Bestellerentgelten verändert wurde.
Die S-Bahn Berlin reagierte auf die niedrigeren Einnahmen mit massiven Einsparungen im Betrieb auf allen Ebenen. Die Bahnshofsaufsichten wurden schrittweise abgeschafft, Fahrzeuge vorzeitig ausgemustert, Werke geschlossen und an der Instandhaltung selbst gespart. In der Folge stand die S-Bahn
2009 vor dem Entzug der Lizenz als Eisenbahnverkehrsunternehmen, zeitweise waren nur noch 165 Viertelzüge betriebsbereit, mehrere Strecken konnten wochenlang nicht befahren werden.
Neben Unterstützungen im Hintergrund hat die S-Bahn Berlin GmbH zum 100-jährigen Bestehen des elektrischen Betriebs einen Vollzug der BR 481/482 ganzflächig mit Werbefolien ausgestattet, welche Farben aus 100 Jahren Berliner S-Bahn wiedergeben. Berliner S-Bahn und Farben, über 100 Jahre ein Thema für sich und in den letzten Jahrzehnten immer wieder heiß diskutiert – heute ist die gelb/rote Farbgebung in den Ausschreibungen zu den Verkehrsverträgen verbindlich vorgegeben.
Hier rollt der Werbezug am Berliner Nordkreuz auf der S2 in Richtung Priesterweg. Das Nordkreuz steht mit dem Verlauf der Gleisanlagen mitten im früheren Grenzgebiet für die Trennung und Wiedervereinigung der Berliner S-Bahn wie kein anderer Bereich in Berlin. Der Bf Bornholmer Straße im Hintergrund lag auf DDR-Gebiet, wurde von Zügen des Westnetzes ohne Halt durchfahren.
Die S-Bahnen des Ostnetzes fuhren ab Dezember 1961 auf einer nach dem Mauerbau hastig zweigleisig errichteten Trasse (die sog. Ulbrichtkurve), nachdem ein bestehendes Fernbahngleis zum Umfahren von West-Berlin bereits 1952 elektrifiziert wurde. Die Ulbrichtkurve ging mit dem weiteren Ausbau des Nordkreuzes 2001 außer Betrieb, seitdem halten auch wieder die Züge der Verbindung nach Bernau am alten Bahnhof Bornholmer Straße.

esT 3839

2008 entgleiste mit dem ET/EB 165 471 ein Traditionszug der S-Bahn am Bf Friedrichstraße, was in der Folge zur völligen Einstellung der historischen Fahrten führte. Die nötigen Instandsetzungsmaßnahmen an den Traditionsfahrzeugen – wie auch die normalen Fristarbeiten – waren aufgrund des desolaten Zustandes der Regelflotte nicht mehr durchführbar. Einzelne Leer-Überführungen von Traditionsfahrzeugen zu Veranstaltungen waren noch bis zum endgültigen Fristablauf der Fahrzeuge möglich.
Die S-Bahn zog sich danach dauerhaft aus dem Betrieb der historischen Züge zurück, dem 1991 gegründeten Verein Historische S-Bahn e.V. blieb nichts anderes übrig, als selbst ein Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) zu werden, mit allen Pflichten, Kosten aber auch Möglichkeiten. Seit 2016 ist der Verein als EVU aktiv, bis zur ersten Fahrt mit eigenen, betriebsfähigen Fahrzeugen sollte es dennoch noch bis November 2023 dauern.
Am vereinseigenen Halbzug esT 3839/6401 und ET/EB 167 072 bereitete der Verein seit 2013 die Hauptuntersuchung vor, welche 2008 von der S-Bahn Berlin am ET/EB 167 072 noch angefangen, aber nicht mehr beendet wurde. Dem Verein war es wichtig, alle Verschleißteile des Fahrwerks wieder in einen normgerechten Zustand zu bekommen – bei der Befundung hatte sich nicht selten jahrzehntealter Verschleiß unterhalb des Fußbodens gefunden, welcher auch bei der grundhaften Aufarbeitung des Halbzuges 1998-2002 im Werk Schöneweide nicht behoben wurde. Auch in die Aufarbeitung der rissanfälligen Drehgestellrahmen wurde viel Sorgfalt gesteckt, mit dem Ziel, dass künftige Hauptuntersuchungen mit möglichst wenig Instandsetzungsaufwand durchführbar sind. Das ursprüngliche Ziel, schon 2014 wieder zu fahren konnte nicht erreicht werden, in späteren Jahren wurde trotz aller Fortschritte kein Termin zur Fertigstellung mehr genannt.
Neben der Gründung des eigenen EVU hatte der Verein die nächste große Baustelle zu bewältigen: Die Integration der neuen Berliner Zugbeeinflussung ZBS in die historischen Züge und deren Zulassung für den Betrieb. Zunächst hieß es immer, die Ausrüstung der historischen Züge mit ZBS ist nicht realistisch.
Das Ergebnis des nicht realitistischen ist auf dem Foto oben zu sehen: Der esT 3839 führt zusammen mit dem Stadtbahnerviertelzug 475/875 605 auf der Fahrt nach Oranienburg in den Bf Gesundbrunnen ein. Nördlich des Bf Schönholz ist die Nordbahn bereits mit der ZBS ausgerüstet.
Mehr als zehn Jahre intensive Arbeit haben sich für die Aktiven des Verein Historische S-Bahn e.V. ausgezahlt – der Verein kann mit zwei eigenen, frisch aufgearbeiteten Viertelzügen eigenverantwortlich und mit auf dem Stand der Technik stehender Zugsicherungstechnik wieder am Betrieb auf den Berliner S-Bahngleisen teilnehmen!
Möglich wurde die Finanzierung der Entwicklung der Grundlagen und der Einbau von zwei Fahrzeuganlagen durch eine größzügige Förderung durch das Land Berlin anlässlich des Jubiläums 100 „Jahre Berliner S-Bahn“. Das Land unterstützt das Jubiläum mit insgesamt 3.513.368 EUR, die dem Verein Historische S-Bahn e.V., dem Deutschen Technikmuseum Berlin, dem Berliner S-Bahn-Museum und Kulturprojekte Berlin zugutekommen.
Ein Großteil davon fließt dem Verein HiSB für das Projekt ZBS zu, welcher mit den Fahrten am 8. August nach Bernau den wichtigsten Meilenstein im ZBS-Projekt erreichen konnte. Rund ein Jahr ist nun die Betriebserprobung des ZBS-Systems in den beiden Triebwagen vorgesehen, ehe kommendes Jahr die endgültige Zulassung für den Betrieb erreicht werden soll.

BR 481

Zehn Farbgebungen sind auf den acht Wagen des Vollzugs mit ihrer Geschichte dargestellt. Hatten die ersten Züge der Bauart Bernau und der Bauart Oranienburg noch die dunkelgrüne Farbgebung der Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (DRG), sollte 1926 beginnend mit den Zügen der Bauart Oranienburg eine gemeinschaftliche Farbgebung mit der Gesellschaft für elektrische Hoch- und Untergrundbahnen in Berlin (kurz: Hochbahngesellschaft) eingeführt werden, welche ihre Wagen damals gelb (III. Klasse) und rot (II. Klasse) lackierte. Anfang 1927 schaffte die Hochbahngesellschaft die II. Klasse ab und lackierte fortan die Raucherabsteile in rot.
Der DRG änderte die Farbgebung der neuen Fahrzeuge erneut und führte das über Jahrzehnte gültige Farbschema der späteren S-Bahn ein, auch die Prototypen der Bauart Stadtbahn hatten 1927 noch die „städtische“ Lackierung. Die Farbtöne der DRG für die Wagen wurden den Erfordernissen des rauhen Eisenbahnbetriebs angepasst und in gedeckteren Tönen ausgeführt – welche sich über die Jahrzehnte immer wieder in Details ändern sollten, ehe mit den aktuellen Farben der Neubaufahrzeuge nahezu wieder die Farbtöne von 1926 erreicht wurden.

475 605

Zweiter Traditionszug ist neben dem Viertelzug esT 3839/6401 der Bauart 1937/41 der Viertelzug der Bauart Stadtbahn, der 475/875 605. Dem Steuerwagenviertel wurde 2003 im Zuge der Flottenreduzierung gegenüber dem eigentlich originaleren Beiwagenviertel 475/875 005 der Vorzug gegeben, um betrieblich flexibler zu sein. Diese Flexibilität konnte mit der ZBS-Ausrüstung nicht erhalten werden, da entgegen ersten Planungen nur Triebwagen mit der ZBS ausgerüstet werden – für Steuerwagen wäre ein erheblicher Mehraufwand zur Ausrüstung mit ZBS nötig gewesen.
Während der esT 3839/6401 rund zehn Jahre für die Aufarbeitung benötigte, waren die Arbeiten am 475/875 605 deutlich übersichtlicher und konnten in etwa einjähriger Arbeit abgeschlossen werden. Die Umrüstung auf ZBS schloss sich bei den Viertelzügen an die Weihnachtsfahrten Ende 2023 an.

esT 3839

Durchfahrt im Hp Oranienburger Straße. Die Züge der Bauart 1937/41 waren spätestens nach dem Mauerbau im Nordsüd-S-Bahntunnel nicht heimisch. Die Deutsche Reichbahn setzte in den Westsektoren ab 1961 nur Züge der BR 275 und 276.0 ein.

475 605

In früheren Jahren ein Klassikermotiv, die Einfahrt eines Stadtbahners der BVG in den Bf Gesundbrunnen. Doch damals waren die Gleisanlagen überwiegend noch sich selbst überlassen. Der Fernbahnsteig war längst außer Betrieb und der Ringbahnsteig seit 1980 – die Fahrt nach Schönhauser Allee seit 1961 nicht mehr möglich.

BR 480

Vor fast 30 Jahren sah es hier doch deutlich anders aus, der nicht genutzte Bereich der Bahnanlagen rund um Gesundbrunnen war im Jahr zuvor abgerissen worden. Zunächst waren Unmengen an Geröll zu beseitigen, bis 2001 die letzten neuen Gleisverbindungen im neuen Nordkreuz fertiggestellt werden konnten. Im Januar 1995 fährt ein Dreiviertelzug der BR 480 mit dem 480 001 als „Paßviertel“ in der Zugmitte in den Bf Gesundbrunnen ein.
Damals waren die vier Prototypen nur in Zugmitte einsetzbar, wurden ab 1995 bis 1997 nochmals in Schöneweide aufgearbeitet – ihnen war dennoch kein langes Leben mehr beschieden und schieden bereits 2002 aus dem Betrieb aus und wurden 2003 verschrottet.


BR 481

Einfahrt des beklebten Jubiläumszuges aus Bernau kommend. Der Bauart Oranienburg mit den Farben der Hochbahngesellschaft folgt der erste Anstrich der Bauart Stadtbahn von 1928 mit den gedeckten Farben und der neu türkis gehaltenen 2. Klasse. Danach die Bauart Bankierzug von 1936 mit dunklerer Dachfarbe und zwei Streifen (für die höhere Geschwindigkeit der ab 1941 als ET/EB 125 geführten Züge) auf dem Mittelgurt. Es folgt die BR 276 im „Hauptstadtlack“ von 1984, den bis 1989 praktisch alle in Ost-Berlin eingesetzten Züge bekamen.
1986 wurden die ersten Neubauzüge der BR 480 vorgestellt, deren Entwicklung die BVG nach der Übernahme des S-Bahnbetriebs in den Westsektoren zusammen mit der WAGGON-UNION und SIEMENS vorangetrieben hatte. Für das Design zeichnete Herbert Lindinger verantwortlich, welcher auch die Farbgebung entwarf – diese polarisierte die Berliner sogleich und eine Tageszeitung initiierte eine Abstimmung unter den Berlinern, die zugunsten der klassischen Farbaufteilung ausging.
1987 erschien auf den Gleisen der DB die Nullserie der BR 270, LEW Hennigsdorf hatte den auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1987 ausgestellten 270 009/010 in rot/antrahzit
lackiert – ironischerweise in der gleichen Grundaufteilung wie die zwei kristallblau/nachtblau lackierten Viertelzüge der BR 480, dessen Gestaltung bei den West-Berlinern durchfiel. Der Überlieferung gefiel die Farbgebung des in Leipzig ausgestellten Zuges dem DDR-Staatsratvorsitzenden Erich Honecker und alle Serienzüge erhielten die rote Farbgebung, welche erst ab 2002 durch das klassische rot/gelb der Berliner S-Bahn abgelöst wurde.
1990 wurde der Hauptstadtlack wieder durch die klassischen Farbtöne bordeauxrot/ockergelb ersetzt. 1992 kam neben den westdeutschen Fahrzeugnummern auch neue Farbtöne zur Anwendung – rubinrot/ockergelb, ähnlich dem von der BVG eingeführten sandgelb. 1995 folgten die Neubauzüge der BR 481/482, welche eine neue Farbaufteilung bekamen und eine einfarbige Lackierung des Wagenkastens ermöglichten – mit roten Anschraubteilen.
1998 sorgten die Berliner nach einer erneuten Zeitungsabstimmung für die Rückkehr der klassischen Farbaufteilung auh den Neubauzügen. 2019 erschienen die aktuellen Neubaufahrzeuge der BR 483/484, wo die Farbtöne erneut leicht verändert und die seit 1928 übliche, klassische Aufteilung nach fast 90 Jahren wohl nun endgültig verlassen wurde.

esT 3839

Der esT 3839 an der Zugspitze verlässt auf der Fahrt nach Oranienburg den Hp Wilhelmsruh und fährt unter der Sicherheitsverantwortung der neuen ZBS-Technik. In Wilhelmsruh ist viel von der früheren Bahnhofsgestaltung erhalten geblieben, die zeitgenössische Nachrüstung mit Blindenleitstreifen und den Spiegeln zur Selbstabfertigung durch den Triebfahrzeugführer (ZAT) holt einen dann doch in die Neuzeit zurück.
Realistisch gesehen hat man einst nicht viel auf die Ausrüstung der historischen Züge mit dem aktuellen Zugbeeinflussungsystem gegeben – der Verein Historische S-Bahn e.V. hat mit viel Beharrungsvermögen, Zielstrebigkeit und Engagement das Unmögliche geschafft, rund 15 Jahre nach den letzten öffentlichen Fahrten wieder historisches Fahrerlebnis möglich zu machen. Nicht nur die Infratruktur hat sich in den letzten 15 Jahren deutlich gewandelt
, praktisch eine neue Generation Reisender erlebt erstmals das Reisen mit der klassischen S-Bahntechnik der 20er und 30er Jahre – und dieses Erlebnis hat sich überhaupt nicht verändert.

475 605

Die Brücken an der Liesenstraße haben ihre besondere Geschichte in der deutsch/deutschen Teilung wie auch der Friedhof an der Liesenstraße – an der Liesenstraße ist auch ein Stück Berliner Mauer stehengeblieben. Das Denkmal ist ein 15 Meter langer, denkmalgeschützter Abschnitt der „Grenzmauer 75“ in Originalhöhe mit oberem Betonrohr. Es handelt sich um den kürzesten der drei noch erhaltenen Abschnitte der eigentlichen Berliner Grenzmauer (Vorderlandmauer).
An dieser Stelle fuhren die S-Bahnen auf das Hoheitsgebiet der DDR, in diesem Bereich liegt der 1834 geweihte Friedhof der St.-Hedwigs-Gemeinde. Bis 1990 war an der Stelle des Fotografen ein planierter Mauerstreifen, die Gräber liegen soweit erhalten hinter dem Fotografen. Die Liesenbrücken schlossen einst den Stettiner Bahnhof (ab 1950 Nordbahnhof) an das Gleisnetz an.
I
m Zuge der Schließung der Berliner Kopfbahnhöfe zugunsten der neu geschaffenen Umfahrung West-Berlins im DDR-Binnenverkehr wurde der Personenbahnhof Nordbahnhof 1952 aufgegeben (ein Rest Güterverkehr blieb noch bis zum Mauerbau), die alten Brücken dienten noch bis 1984 der Anbindung des S-Bw Nordbahnhof, von dem auf zahlreiche Umläufe auf West-Berliner Gebiet gefahren wurden, im Bw Nordbahnhof arbeiteten Mitarbeiter der DR mit Wohnsitz in Ost-Berlin. Mit Übernahme des Betriebs durch die BVG im Januar 1984 wurde das Bw Nordbahnhof geschlossen und das Gelände inzwischen mit Neubauten überbaut.

esT 3839

esT 3839 im Bf Nordbahnhof. Die Reisenden sind am Anhalter Bahnhof ausgestiegen, am Nordbahnhof wird der Zug abgerüstet und anschließend nach Friedrichsfelde aussetzen.

Fotos in Google Earth © 2024 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben