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2. März – Der Hilfstriebwagen lernt wieder fahren
5. März – Vertreter in Lehnshallig
10. März – Kurz vor dem Ruhestand
24. März – Nordliner hoch im Norden
26. März – Die letzte(?) Bäderbahnsaison
29. März – Mit der „Wilden Zicke“ rund um die Altstadt Naumburgs
30. März – Hochflurig in den Thüringer Wald
31. März – Im Maintal unterwegs



Dienstag, 30. März 2021 – Hochflurig in den Thüringer Wald

Tw 508

Der Bau der 1929 eröffneten Thüringerwaldbahn geht auf eine Vereinbarung von 1897 zurück und ist eine der wenigen Überlandstraßenbahnen, die bis heute Bestand haben. Sie verbindet Gotha mit Tabarz, welchem 2017 der Titel „Bad“ staatlich zuerkannt wurde. Derzeit tragen ab 1981 gebaute Tatra-Triebwagen vom Typ KT4D die Hauptlast der Thüringerwaldbahn. Sie werden durch 2011 aus Mannheim übernommene GT8N unterstützt, die durch ein 1991 eingebautes Niederflurmittelteil einen barrierefreien Einstieg ermöglichen.
Ab 2022 müssen die Betriebe aufgrund der 2013 erlassenen Änderung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) ihren Betrieb grundsätzlich barrierefrei anbieten. Für Gotha ergab sich entsprechend Handlungsbedarf, welcher 2018 in der Anschaffung von sechs Straßenbahnen aus der Schweiz mündete, die zwischen 1978 und 1981 von Schindler gebaut wurden und zwischen 1988 und 1995 mit einem Niederflurmittelteil ausgestattet wurden.
Nun ist die Schweiz kein EU-Mitglied und der Gesetzgeber kennt in der Schweiz keine Straßenbahnen, nur Eisenbahnen. Das führte zum Kunstgriff der Zulassung der Wagen in Deutschland nach EBO, um sie danach als deutsches Fahrzeug nach BOStrab zuzulassen. Das Ergebnis ist ein seit drei Jahren andauerndes Zulassungsverfahren und erst ein umgebautes Fahrzeug. Im Falle der Zulassung der Wagen wird für jeden weiteren Wagen mit sechs Monaten Umbauzeit gerechnet. 2022 wird die Thüringerwaldbahn daher noch weitgehend Hochflur anbieten müssen.
Der Düwag-GT8N 508 war heute der einzige Niederflurwagen auf der Thüringerwaldbahn, er wird im kommenden Jahr 60 Jahre alt – wird aufgrund seiner (Teil-)Niederflurigkeit aber noch einige Jahre im Dienst bleiben.

STB BR 650

Waltershausen-Schnepfenthal ist ein Verknüpfungspunkt zwischen Thüringerwaldbahn und der Eisenbahnstrecke Fröttstädt – Friedrichroda (– Georgenthal). Die Strecke wurde 1848 als Stichbahn der Thüringer Bahn nach Waltershausen eingeweiht, der Abschnitt nach Friedrichroda wurde 1876 eröffnet. Der Streckenteil von Friedrichroda zur Ohratalbahn nach Georgenthal wurde 1896 eröffnet, per 2. November 1947 als Reparationsleistung stillgelegt und durch sowjetische Kräfte abgebaut.
Der Restabschnitt Fröttstädt – Friedrichroda läuft in weiten Teilen zur Thüringerwaldbahn parallel und stand lange in Frage. Im Dezember 2017 endete der Verkehrsvertrag mit DB Regio und eine Abbestellung stand im Raum. Die Strecke ist jedoch im Dieselnetz Südthüringen enthalten, welches seit Dezember 2017 von der Süd-Thüringen-Bahn (STB) betrieben wird. Der Regio-Shuttle VT 145
der STB – inzwischen fast ein Methusalem unter den modernen Dieseltriebwagen, er wurde 2004 (mit Schraubenkupplungen) für die Ostdeutsche Eisenbahn GmbH (ODEG) in Dienst gestellt – hat einen kurzen Halt in Schnepfenthal eingelegt und fährt die letzten Kilometer parallel zur Thüringerwaldbahn.

KT4D

In Gotha sind die KT4D nur zurückhaltend modernisiert worden, auf den ersten Blick sind nur die Schiebefenster Klappfenstern gewichen. Der Tw 309 wurde 2001 aus Erfurt übernommen und hat inzwischen eine Choppersteuerung erhalten. Die blau/gelbe Lackierung symbolisiert die Fusion zwischen städtischer Straßenbahn (gelbe untere Hälfte) und Thüringerwaldbahn (blaue untere Hälfte) – sie wird sich auch an den aus der Schweiz übernommenen Wagen wiederfinden, da die traditionell gute schweizer Lackierung nur angepasst werden muss und die Wagen eine blaue statt roter Bauchbinde auf den gelb lackierten Wagenkasten erhalten.
Das eigentlich interessante auf den Fotos ist jedoch der WSSB-Bahnübergang in Schnepfenthal, welcher längst durch einen Neubau ersetzt sein sollte. Durch die fragliche Zukunft der Zweigstrecke nach Friedrichroda verzögerte sich der überfällige Umbau der Anlagen. Nun ist für die Sommerferien 2021 der Umbau der Anlage vorgesehen, wo sicherlich auch das Umfeld mit einbezogen wird. Mit etwas Höhe wird in den etwas beengten Platzverhältnissen eine gute Übersicht über ein unkonventionelles Motiv möglich, welches in wenigen Wochen Geschichte sein wird.

KT4D

Triebwagen 303 gehört zur Erstaustattung von sechs KT4D für Gotha und wurde 1981 in Dienst gestellt – er wurde 1997 modernisiert, hat dabei eine Choppersteuerung von Kiepe erhalten und ist aktuell letzter KT4D mit dieser Steuerung in Gotha.

KT4D

Die Marienglashöhle würde jetzt normalerweise große Zahlen von Ausflüglern anlocken, aktuell sind in Thüringen Osterferien. Doch Tourismus findet nicht statt, der Thüringer Wald ist pandemiebedingt verwaist. So steigen an der Hst Marienglashöhle trotz 20 Grad Celsius, Ferien und Sonne pur keine Fahrgäste ein oder aus, die Parkplätze sind leer.

KT4D

Auch nach Inbetriebnahme der sechs Schindlerfahrzeuge, die vsl. nicht vor 2024 abgeschlossen sein wird, werden in Gotha Tatras unverzichtbar sein. Der 1981 für Gotha gebaute Tw 304 wurde nach Fristablauf 2015 zunächst abgestellt und über rund zwei Jahre bis November 2020 grundlegend modernisiert, dabei hat der Wagen eine neue Choppersteuerung von Cegelec erhalten. Erstmals kamen beim 304 LED-Anzeigen zum Einsatz, welche die über 20 Jahre alten Matrixanzeigen ersetzen.
Die traditionsbewusste Thüringerwaldbahn und Straßenbahn Gotha GmbH hat den Tw 304 im Zuge der Aufarbeitung in historischer Farbgebung lackiert, wie sie in den 1980er Jahren die KT4D in Gotha nachträglich erhielten. Museumsfahrzeug ist der KT4D 304 jedoch nicht, aktuell eher der technisch modernste Tatra in Deutschland… Hier fährt der Tw 304 in die Hst Wahlwinkel ein.


KT4D

Tw 309 erreicht entlang der Friedrichrodaer Straße Wahlwinkel. Bald werden die Obstbäume erste Blüten tragen, nach dem streckenweise kalten Winter ist die Natur dieses Jahr etwas später dran.

KT4D

Aktuell sind in Gotha noch drei KT4D in Erfurter Lackierung im Einsatz, die anderen sind in die Gothaer Farbgebung gelb/blau umlackiert worden oder abgestellt. Der Tw 315 hat eine Choppersteuerung, wie die anderen Fahrzeuge in Gotha wurde auch die Spitzenbeleuchtung auf LED umgerüstet. Tagfahrlicht haben die Fahrzeuge nicht erhalten und fahren – heute fast unüblich – tagsüber ohne Licht. Tw 315 ist auf der Linie 1 zum Krankenhaus eingesetzt. Die Linie 1 überlappt sich mit der Linie 4 nach Bad Tabarz, welche meist stündlich verkehrt. In den Taktlücken der Linie 4 verkehrt die Linie 1 – hier an der Hst Sundhausen, deren enge Durchfahrt vor der Haltestelle ein beliebtes Fotomotiv ist.

GT8N 508

Mit fast 60 Jahren sind die drei in Gotha eingesetzten GT8N aus Mannheim echte Methusalems, doch durch die Niederflurmittelteile noch einige Jahre unverzichtbar. Wie auch die anderen Straßenbahnfahrzeuge der TWSB haben auch die GT8N LED-Spitzenbeleuchtung erhalten. Stand die Thüringerwaldbahn und die Gothaer Straßenbahn nach der Wende nie ernsthaft in Frage, so änderte sich das 2016 unerwartet völlig. Das Unternehmen Steinbrück Omnibusbetrieb und Reisebüro OHG stellte am letzten möglichen Antragstag – dem 30. Juni 2016 – einen Antrag, auf den Linien 1, 2, 3, 4 und 6 (1,14 Millionen Kilometer jährlich) eigenwirtschaftlich mit Bussen zu fahren – eigenwirtschaftlichen Verkehren räumt das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) Vorrang ein.
Dem Antrag wurde letztlich nicht stattgegeben. Es folgte ein kommunaler Streit und auch die Kündigung der bestehenden Leistungen des betroffenen Unternehmens durch die Regionale Verkehrsgemeinschaft Gotha (RVG), die Kündigung akzeptierte das Unternehmen nicht und fuhr auf eigenes Risiko parallel zu den neuen Unternehmen weiter – bundesweite Schlagzeilen waren dem Gothaer Busstreit sicher. Das ganze endete mit der Insolvenz der beteiligten Unternehmen. Ein Gerichtsurteil fiel später wegen nachrangiger Vergehen, das ganze endete mit Detailkenntnissen über Abrechnungstrukturen im ÖPNV und Stirnrunzeln darüber.


GT8N 508

Im Badewassertal verkehren Thüringerwaldbahn und Eisenbahn parallel. Im 30-Minutentakt ist ab Schnepfenthal eine parallele Abfahrt Richtung Friedrichroda vorgesehen. Dem Fotografen reichte allerdings der im Grundtakt verkehrende Tw 508, der schneller als durch den Schlenker zum Krankenhaus überschlägig erwartet an der Brücke über die L1026 erschien. Ein Busunternehmen hätte die Verkehre kaum gleichwertig ersetzen können – und wohl noch den gemeindeseitigen Bau von Haltestellen auf eigene Rechnung für ihre „eigenwirtschaftlichen“ Busse erwartet.

GT8N 508

Die letzten Meter vor der Endstelle Bad Tabarz steigt die Trasse noch deutlich an. Den fast hanseatisch untertreibend „Am Hügel“ genannten Bahnübergang passiert der GT8N 508.

KT4D 304

Dem Tw 508 folgte 30 Minuten später der KT4D 304 in der frischen Traditionslackierung.

GT8N 508

Nicht nur der Westen verstand es, an markanten Punkten Bettenburgen aus Beton an besondere Landmarken zu bauen – die DDR stand dem nicht selten nicht nach, wie hier die Bauten im Hintergrund an den Hängen des Thüringer Waldes. Tw 508 hat die Hst Bad Tabarz verlassen.

KT4D

Zum Abschluss des Tages wurde am westlichen Ende von Wahlwinkel Stellung bezogen. 35 Minuten vor Sonnenuntergang passierte der KT4D 315, welcher den Tag über auf der Linie 1 im Einsatz war und im Zuge der abendlichen Taktumstellung auf die Linie 4 wechselte, den Bü Friedrichrodaer Straße. Kein Haus, keine Bäume beeinträchtigen die Sonnenstrahlen bis zum Sonnenuntergang.

Fotos in Google Earth © 2021 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben