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Dienstag, 30. März 2021
– Hochflurig in den Thüringer Wald
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Der Bau der 1929 eröffneten Thüringerwaldbahn
geht auf eine Vereinbarung von 1897 zurück und ist eine der
wenigen Überlandstraßenbahnen, die bis heute Bestand haben.
Sie verbindet Gotha mit Tabarz, welchem 2017 der Titel „Bad“ staatlich
zuerkannt wurde. Derzeit tragen ab 1981 gebaute Tatra-Triebwagen vom
Typ
KT4D die Hauptlast der Thüringerwaldbahn. Sie werden durch 2011
aus Mannheim übernommene GT8N unterstützt, die durch
ein 1991 eingebautes Niederflurmittelteil einen barrierefreien Einstieg
ermöglichen.
Ab 2022 müssen die Betriebe aufgrund der 2013 erlassenen Änderung des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG)
ihren Betrieb grundsätzlich barrierefrei anbieten. Für Gotha
ergab sich entsprechend Handlungsbedarf, welcher 2018 in der
Anschaffung von sechs Straßenbahnen aus der Schweiz mündete, die zwischen 1978 und 1981 von Schindler gebaut wurden und zwischen
1988 und 1995 mit einem Niederflurmittelteil ausgestattet wurden.
Nun
ist die Schweiz kein EU-Mitglied und der Gesetzgeber kennt in der
Schweiz keine Straßenbahnen, nur Eisenbahnen. Das führte zum
Kunstgriff der Zulassung der Wagen in Deutschland nach EBO, um sie
danach als deutsches Fahrzeug nach BOStrab zuzulassen. Das Ergebnis
ist ein seit drei Jahren andauerndes Zulassungsverfahren und erst ein
umgebautes Fahrzeug. Im Falle der Zulassung der Wagen wird für
jeden weiteren Wagen mit sechs Monaten Umbauzeit gerechnet. 2022 wird
die Thüringerwaldbahn daher noch weitgehend Hochflur anbieten
müssen.
Der Düwag-GT8N 508 war heute der einzige Niederflurwagen auf der
Thüringerwaldbahn, er wird im kommenden Jahr 60 Jahre alt – wird
aufgrund seiner (Teil-)Niederflurigkeit aber noch einige Jahre im Dienst
bleiben.
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Waltershausen-Schnepfenthal
ist ein Verknüpfungspunkt zwischen Thüringerwaldbahn und der
Eisenbahnstrecke Fröttstädt – Friedrichroda (– Georgenthal).
Die Strecke wurde 1848 als Stichbahn der Thüringer Bahn
nach Waltershausen eingeweiht, der Abschnitt nach Friedrichroda wurde 1876
eröffnet. Der Streckenteil von Friedrichroda zur Ohratalbahn nach Georgenthal wurde 1896 eröffnet, per 2. November 1947 als Reparationsleistung stillgelegt und durch sowjetische Kräfte abgebaut.
Der Restabschnitt Fröttstädt – Friedrichroda läuft in
weiten Teilen zur Thüringerwaldbahn parallel und stand lange in
Frage. Im Dezember 2017 endete der Verkehrsvertrag mit DB Regio und eine Abbestellung stand im Raum. Die Strecke ist jedoch im Dieselnetz Südthüringen enthalten, welches seit Dezember 2017 von der Süd-Thüringen-Bahn (STB) betrieben wird. Der Regio-Shuttle VT 145 der STB – inzwischen fast ein Methusalem unter den modernen Dieseltriebwagen, er wurde 2004 (mit Schraubenkupplungen) für die Ostdeutsche Eisenbahn GmbH (ODEG)
in Dienst gestellt – hat einen kurzen Halt in Schnepfenthal
eingelegt und fährt die letzten Kilometer parallel zur
Thüringerwaldbahn.
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In
Gotha sind die KT4D nur zurückhaltend modernisiert
worden, auf den ersten Blick sind nur die Schiebefenster Klappfenstern
gewichen. Der Tw 309 wurde 2001 aus Erfurt übernommen und hat
inzwischen eine Choppersteuerung erhalten. Die blau/gelbe Lackierung
symbolisiert die Fusion zwischen städtischer Straßenbahn
(gelbe untere Hälfte) und Thüringerwaldbahn (blaue untere
Hälfte) – sie wird sich auch an den aus der Schweiz
übernommenen Wagen wiederfinden, da die traditionell gute
schweizer Lackierung nur angepasst werden muss und die Wagen
eine blaue statt roter Bauchbinde auf den gelb lackierten Wagenkasten
erhalten.
Das eigentlich interessante auf den Fotos ist jedoch der
WSSB-Bahnübergang in Schnepfenthal, welcher längst
durch einen Neubau ersetzt sein sollte. Durch die
fragliche Zukunft der Zweigstrecke nach Friedrichroda verzögerte
sich der überfällige
Umbau der Anlagen. Nun ist für die Sommerferien 2021 der Umbau der
Anlage vorgesehen, wo sicherlich auch das Umfeld mit
einbezogen wird. Mit etwas Höhe wird in den etwas beengten
Platzverhältnissen eine gute Übersicht über ein
unkonventionelles Motiv möglich, welches in wenigen Wochen
Geschichte sein wird.
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Triebwagen
303 gehört zur Erstaustattung von sechs KT4D für Gotha und
wurde 1981 in Dienst gestellt – er wurde 1997 modernisiert, hat dabei
eine Choppersteuerung von Kiepe erhalten und ist aktuell letzter KT4D
mit dieser Steuerung in Gotha.
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Die
Marienglashöhle würde jetzt normalerweise große Zahlen von
Ausflüglern anlocken, aktuell sind in Thüringen Osterferien.
Doch Tourismus findet nicht statt, der Thüringer Wald ist
pandemiebedingt verwaist. So steigen an der Hst Marienglashöhle
trotz 20 Grad Celsius, Ferien und Sonne pur keine Fahrgäste ein
oder aus, die Parkplätze sind leer.
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Auch
nach Inbetriebnahme der sechs Schindlerfahrzeuge, die vsl. nicht vor
2024 abgeschlossen sein wird, werden in Gotha Tatras unverzichtbar
sein. Der 1981 für Gotha gebaute Tw 304 wurde nach Fristablauf
2015 zunächst abgestellt und über rund zwei Jahre bis
November 2020 grundlegend modernisiert, dabei hat der Wagen eine
neue Choppersteuerung von Cegelec erhalten. Erstmals kamen beim 304 LED-Anzeigen zum Einsatz, welche die über 20 Jahre alten Matrixanzeigen ersetzen.
Die traditionsbewusste Thüringerwaldbahn und Straßenbahn Gotha GmbH
hat den Tw 304 im Zuge der Aufarbeitung in historischer Farbgebung
lackiert, wie sie in den 1980er Jahren die KT4D in Gotha nachträglich erhielten. Museumsfahrzeug
ist der KT4D 304 jedoch nicht, aktuell eher der technisch modernste
Tatra in Deutschland… Hier fährt der Tw 304 in die Hst Wahlwinkel
ein.
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Tw
309 erreicht entlang der Friedrichrodaer Straße Wahlwinkel. Bald
werden die Obstbäume erste Blüten tragen, nach dem
streckenweise kalten Winter ist die Natur dieses Jahr etwas später
dran.
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Aktuell
sind in Gotha noch drei KT4D in Erfurter Lackierung im Einsatz, die
anderen sind in die Gothaer Farbgebung gelb/blau umlackiert worden oder
abgestellt. Der Tw 315 hat eine Choppersteuerung, wie die
anderen Fahrzeuge in Gotha wurde auch die Spitzenbeleuchtung auf LED
umgerüstet. Tagfahrlicht haben die Fahrzeuge nicht erhalten und
fahren – heute fast unüblich – tagsüber ohne Licht. Tw 315
ist auf der Linie 1 zum Krankenhaus eingesetzt. Die Linie 1
überlappt sich mit der Linie 4 nach Bad Tabarz, welche meist
stündlich verkehrt. In den Taktlücken der Linie 4 verkehrt
die Linie 1 – hier an der Hst Sundhausen, deren enge Durchfahrt vor der
Haltestelle ein beliebtes Fotomotiv ist.
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Mit
fast 60 Jahren sind die drei in Gotha eingesetzten GT8N aus Mannheim
echte Methusalems, doch durch die Niederflurmittelteile noch einige
Jahre unverzichtbar. Wie auch die anderen Straßenbahnfahrzeuge
der TWSB haben auch die GT8N LED-Spitzenbeleuchtung erhalten. Stand die
Thüringerwaldbahn und die Gothaer Straßenbahn nach der Wende
nie ernsthaft in Frage, so änderte sich das 2016 unerwartet
völlig. Das Unternehmen Steinbrück Omnibusbetrieb und Reisebüro OHG stellte am letzten möglichen Antragstag – dem 30. Juni 2016 – einen Antrag, auf den Linien 1, 2, 3, 4 und 6 (1,14 Millionen Kilometer jährlich) eigenwirtschaftlich mit Bussen zu fahren – eigenwirtschaftlichen Verkehren räumt das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) Vorrang ein.
Dem Antrag wurde letztlich nicht stattgegeben. Es folgte ein kommunaler
Streit und auch die Kündigung der bestehenden Leistungen des
betroffenen Unternehmens durch die Regionale Verkehrsgemeinschaft Gotha
(RVG), die Kündigung akzeptierte das Unternehmen nicht und fuhr
auf eigenes Risiko parallel zu den neuen Unternehmen weiter –
bundesweite Schlagzeilen waren dem Gothaer Busstreit sicher. Das ganze
endete mit der Insolvenz der beteiligten Unternehmen. Ein Gerichtsurteil fiel
später wegen nachrangiger Vergehen, das ganze endete mit
Detailkenntnissen über Abrechnungstrukturen im ÖPNV
und Stirnrunzeln darüber.
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Im
Badewassertal verkehren Thüringerwaldbahn und Eisenbahn parallel.
Im 30-Minutentakt ist ab Schnepfenthal eine parallele Abfahrt
Richtung Friedrichroda vorgesehen. Dem Fotografen reichte allerdings
der im Grundtakt verkehrende Tw 508, der schneller als durch den
Schlenker zum Krankenhaus überschlägig erwartet an der
Brücke über die L1026 erschien. Ein Busunternehmen hätte
die Verkehre kaum gleichwertig ersetzen können – und wohl noch den
gemeindeseitigen Bau von Haltestellen auf eigene Rechnung für ihre
„eigenwirtschaftlichen“ Busse erwartet.
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Die
letzten Meter vor der Endstelle Bad Tabarz steigt die Trasse noch
deutlich an. Den fast hanseatisch untertreibend „Am Hügel“
genannten Bahnübergang passiert der GT8N 508.
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Dem Tw 508 folgte 30 Minuten später der KT4D 304 in der frischen Traditionslackierung.
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Nicht
nur der Westen verstand es, an markanten Punkten Bettenburgen aus Beton
an besondere Landmarken zu bauen – die DDR stand dem nicht selten nicht
nach, wie hier die Bauten im Hintergrund an den Hängen des
Thüringer Waldes. Tw 508 hat die Hst Bad Tabarz verlassen.
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Zum Abschluss des Tages wurde
am westlichen Ende von Wahlwinkel Stellung bezogen. 35 Minuten vor
Sonnenuntergang passierte der KT4D 315, welcher den Tag über auf
der Linie 1 im Einsatz war und im Zuge der abendlichen Taktumstellung
auf die Linie 4 wechselte, den Bü Friedrichrodaer Straße.
Kein Haus, keine Bäume beeinträchtigen die Sonnenstrahlen bis
zum Sonnenuntergang.
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Fotos
in Google Earth |
©
2021 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de |
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