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Sonntag, 22. September 2013
– Alte Schätzchen in Berlin und Potsdam unterwegs
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Die ehemalige Königlich-Preußische
Eisenbahnhauptwerkstatt Berlin II ist heute nur noch ein
Schatten ihrerselbst. Während von der Deutschen Reichsbahn der DDR
im für Güterwagen zuständigen Raw
"Franz Stenzer" zur Wendezeit
noch mit umfangreichen Ausbauarbeiten begonnen wurde, wurde die
Stilllegung 1991 beschlossen und 1995 vollzogen. Von Talgo Deutschland wurden im
Anschluss Teile der Hallen für die Instandhaltung der
Talgohotelzüge ausgebaut und später von DB AutoZug übernommen, welche
hier die noch verbliebenen Berliner Nachtzüge instandhält,
nachdem die Talgohotelzüge bereits seit Jahren ausgemustert sind.
Überflüssige Bereiche der ehemaligen Raw-Hallen sind an den
Verein RAW-tempel e.V. vermietet,
welcher hier das Künstlerprojekt Urban
Spree angesiedelt hat. Im Hintergrund eines der Kunstwerke von JR’s artwork, welcher an den
verschiedensten Orten überlebensgroße, fotorealistische
Bilder an Wände gemalt hat.
Mit 346 995 rangiert hier die letzte im Bestand der DB verbliebene V60
der früheren Deutschen Reichsbahn, einst im Osten Deutschlands
allgegenwärtige Rangierlok. Sie wurde jüngst erneut
aufgearbeitet und rangiert ausschließlich im AutoZug-Werk an der
Warschauer Straße. Hinter dem Liegewagen ist einer der ab 1991 in
112 Exemplaren für den IC- und IR-Verkehr der Deutschen Reichsbahn
gebauten Wagen zu sehen – die letzte Lieferserie der Halberstädter
Schnellzugwagen. Da die Wagen schnell den Komfortansprüchen der
Deutschen Bahn AG nicht mehr entsprachen und im Gegensatz zu den
älteren Wagen der Halberstädter UIC-Z-Wagen
auch nicht umgebaut
wurden, wurden sie rasch in den Nachtverkehr abgeschoben, wo sie
unbeachtet als Bomz236 ihr Gnadenbrot verdienen.
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Nach ersten, erfolglosen Versuchen
von Adtranz in den Jahren ab
1998 mit dem Meridian der BR
445 – einem auf eigene Rechnung gebauten Versuchsträger für
Doppelstocktriebwagen – setzt sich nun doch noch der
Doppelstocktriebwagen in Deutschland durch. Von Stadler wurde die BR
445.1 konstruiert, eine in den deutschen Regellichtraum G2 passende
vierteilige Baureihe – erstmalig von der ODEG nach Gewinn einer
Ausschreibung für den Berliner Raum beschafft. Inzwischen sind die
Züge der KISS-Familie auch von der luxemburgischen Staatsbahn CFL und der Westfalenbahn bestellt worden. Die
Züge der CFL sollen später mit den Stadler-FLIRT der DB im
Trierer Raum im Zugverband verkehren.
Nach den längst obligatorischen Zulassungsproblemen der
Neufahrzeuge haben die Doppelstockzüge die gewonnenen Verkehre
vollständig übernommen und die bunten Ersatzgarnituren sind
Geschichte. Der blitzsaubere 445 105 fährt hier an der Warschauer
Straße als RE2 gen Cottbus.
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Das Ziel der Reise nach Berlin war
der Zweizugbetrieb der BVG mit zwei Dreiwagenzügen der Bauaurt AI
aus Anlass des 100-jährigen Bestehens der Kleinprofillinie A. Seit
Jahren war kein Zweizugbetrieb mit Zügen der Bauart AI mehr
möglich, da lange nur noch drei Wagen betriebsbereit waren. Der
"Westzug" der BVG im letzten Einsatzzustand wurde in den 1990er Jahren
aufgelöst und der Tw 31 verkauft, er wurde zum Lkw-Auflieger
umgebaut. Der Bw 722 ersetzte den abgängigen Beiwagen des
"Ostzuges", den 753. Die verbliebenen zwei Wagen waren lange
abgestellt, seit diesem Jahr sind die Wagen Tw 7 und Bw 737 nach
umfangreicher Aufarbeitung wieder einsatzfähig, den Wagen 31
ersetzt der aus dem BVG-Hilfszugwagen 4003 zurückgebaute Tw 302.
Beim Standortwechsel zum Bahnhof Warschauer Straße traf ich
zufällig auf den als Leerzuführung ausrückenden
"Westzug" mit Tw 7 an der Zugspitze.
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Der gegenüber den klassischen
A3-Wagen mit modifizierter Front gefertigte, erstgebaute A3L82 654/655
verlässt hier unter dem auch heute wieder als Stellwerk genutzten
Reiterstellwerk Warschauer Brücke den seit 1995
analog dem nahegelegenen S-Bahnhof Warschauer Straße benannten
Bahnhof Warschauer Straße. Links die hier wendende Linie M10, die
noch immer auf die Erweiterung über die bereits seit den
1990er Jahren mit Schienen ausgerüstete Oberbaumbrücke nach
Kreuzberg wartet.
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Von André Loop erhielt ich
dieses Bild, welches das heutige Stellwerk Warschauer Straße
zeigt – in der Regel über das Leit-, Informations- und Sicherungssystem
(LISI) ferngesteuert.
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In den Bahnhof Gleisdreieck
fährt der HK06-Zug 1017 ein. Der Kurzzug ist am Sonntagvormittag
bereits gut gefüllt.
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Ziel der Tour zu den AI-Fahrten war
die eine oder andere Tunnelaufnahme auf der vor über 100 Jahren
aufwendig
gestalteten Wilmersdorfer U-Bahn zum Breitenbachplatz. Leider sind
solche Aufnahmen immer nur schwer planbar, auch was den Haltepunkt der
Züge angeht – die Haltepunktsignale einschließlich
vorhandener Abfertigungsanlagen wurden nicht immer als Haltepunkt
genutzt. Zum Aussitzen blieb bei nur wenigen Stunden Aufenthalt und
geplanter weiterer Motive nicht ausreichend Zeit und so hieß es
"machen was geht". Zwei weitere Fotografen standen auch am falschen
Ort, so sind hier nicht nur Zufallsfahrgäste zu sehen. Aber wir
haben eben das Jahr 2013 und den entsprechenden (historischen)
Betrieb... Der "Ostzug" mit dem Wagen 294 an der Zugspitze steht im Bhf
Heidelberger Platz zur Abfahrt bereit.
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Völlig verrechnet hatte ich
mich am Fehrbelliner Platz, wo ich entsprechend der Ankündigungen
und vorhandener Abfertigungsmonitore in Bahnsteigmitte wartete. Doch
der Zug rauschte an mir fast bis Bahnsteigende vorbei. Immerhin blieb
noch eines der markanten gefliesten
Haltestellenschilder in das schnell zu strickende Motiv einbaubar. In
der Uniform der West-BVG steht der Zugbegleiter zur Abfertigung auf dem
Bahnsteig und beobachtet den Fahrgastwechsel. An der Spitze der A1-Tw
302, in den letzten Jahren aus dem Hilfszugwagen 4003 wieder
aufgebaut – in der Hauptwerkstatt der U-Bahn in Hamburg
wurden
die Speichenradsätze des Tw 302 mit neuen Radreifen versehen.
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Im nach der Renovierung mit Motiven
der Burg Hohenzollern versehenen
Bahnhof Hohenzollernplatz steht der
AI-Tw 262 zur Fahrt zum Breitenbachplatz bereit. Die im Vergleich zum
Wagen 294 kleinen Frontleuchten rühren aus seiner Zeit als
fahrerstandsloser Motorwagen her, erst in den 1930er Jahren wurde der
Wagen von der BVG mit einem Fahrerstand nachgerüstet.
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Zumindest ein Foto des wieder
betriebsbereiten "Westzuges" aus den Tw 7 und 302 und dem Bw 737 wollte
ich bei Tageslicht anfertigen. Dazu bietet sich das Parkhaus am
Gleisdreieck geradewegs an, bietet es doch auf gesamter Länge
hervorragende Motive mit der ehemaligen Reichsbahndirektion, dem
Bahnhof Gleisdreieck oder dem recht neuen Bahnhof
Mendelssohn-Bartholdy-Park an der Rampe zum Potsdamer Platz.
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Planmäßig eine Minute
nach Abfahrt des "Westzuges" sollte im Bahnhof Gleisdreieck der
"Ostzug", ein 1987 zum 750. Stadtjubiläum im Raw Schöneweide
im Zustand der 1930er Jahre restaurierter AI-Dreiwagenzug (die
Langträger der Triebwagen weisen noch die damals aktuellen
Beschriftungen auf), den Bahnhof verlassen – so
bot sich ein
Abwarten des "Ostzuges" an, welchen ich hier ähnlich bereits im März 2012
umgesetzt hatte.
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Anschließend hieß es
zügig Stellungswechsel in Richtung Potsdam, um hier den am
gleichen Tag nachmittags stattfindenden historischen
Straßenbahnbetrieb zumindest kurz ablichten zu können. In
Zeiten, wo man um günstig Bahnfahren zu können idealerweise
drei Monate vorher seine Fahrkarte bucht, war zum
Buchungszeitpunkt der Betrieb in Potsdam
noch nicht abzusehen und entsprechend scheinbar
zielgenau Zeit in Berlin vorgesehen. Nicht selten dümpelte ich in
Berlin noch herum, weil ich großzügig Zeit eingeplant hatte
– mit Rückkehr in der Nacht. Dass an diesem Tag in Berlin aber
Großkampftag mit weiteren historischen Fahrten von Omnibus und
Schienenbus aus Anlass der alljährlichen Septemberöffnung der
Monumentenhalle
sein würde und zudem die historischen Straßenbahnen auch in
Berlin verkehrten...
Während des Wartens auf den RE nach Potsdam – die aktuellen
Auskunftssysteme können ja umgehend alle Fragen zu idealen
Verbindungen in
Echtzeit beantworten – blieb noch Zeit zum Ablichten der neuen
Allzweckwaffe von DB Regio, dem E-Talent
2. Mit jahrelanger
Verspätung aufgrund fehlender Zulassung hat er nun
vollständig den Betrieb
aufgenommen und ist auch in Berlin zum alltäglichen Bild geworden.
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Dank der mobilen Fahrplanauskunft
war der Wechsel von Potsdam
Hbf zum Platz der Einheit, wo die Fahrten der historischen Züge
begannen und endeten, auch für den Ortsunkundigen einfach und ein
kurzer Sprint ermöglichte die Fahrt mit der Linie 91. Dort
angekommen fuhr zeitgleich der Tw 177 vom Platz der Einheit ab. Ein
nochmaliger Spurt ermöglichte das Foto des G4 177
zusammen mit der Variobahn 429, dem nach dem Desaster mit dem
Siemens-Combino ersatzweise beschafften Niederflurfahrzeug. Die
Zufallsfahrgäste überlegen derweil noch, warum "der da" aus
der Straßenbahn sprang, einen Spurt hinlegte und die Tram dann
doch nur von hinten aufnahm. Wenn der G4 nicht gewesen wäre...
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Nach Abfahrt des Tw 177 erschien
der Tw 9 von der Glienicker Brücke kommend am Platz der Einheit
mit der Nikolaikirche im Hintergrund. Der Triebwagen wurde in rund
sieben Jahren Arbeit auf einem Fahrgestell einer ausgemusterten
Transportlore aufgebaut – entsprechend der Unterlagen stammt das
Fahrgestell vom Triebwagen 9, einem Wagen der ersten Lieferserie von
1907. Das 2005 auf 440.000 EUR geschätzte Projekt wurde mit 80.000
EUR von der Deutschen Stiftung
Denkmalschutz gefördert, was im Jahre 2008 zu einer Anzeige
wegen Verdachts des Subventionsbetrugs führte, da ein ehemaliger
Berater des Verkehrsbetriebs den historischen Wert des Fahrgestells in
Frage stellte und im Förderantrag einen Betrug witterte.
Das Ermittlungsverfahren gegen die Historische Straßenbahn Potsdam e.V.
wurde eingestellt, da sich der vom
Nahverkehrsberater (Autor des im
Jahr 2006 abgeschafften
"Takt 2000", der durch ein System einer anderen Beratungsfirma
ersetzt wurde) erhobene Betrugsvorwurf bei den Ermittlungen
der Potsdamer Staatsanwaltschaft nicht bestätigt hatte. Das
Gerichtsverfahren vor dem Berliner Landgericht zur von der Historischen Straßenbahn Potsdam e.V.
eingereichten Verleumdungsklage endete
in zweiter Instanz 2009 vor dem Berliner Oberlandesgericht mit einem
Vergleich, nachdem der Klage des Vereins 2008 vom Berliner Landgericht
erstinstanzlich stattgegeben wurde. Wilde Zeiten damals...
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Glücklicherweise konnten die
Streitereien dem Projekt keinen ernsthaften Schaden zufügen und
das Fahrzeug konnte Ende Mai 2011 weitgehend fertiggestellt
übergeben werden. Nach Abschluss aller Feinarbeiten und erfolgter
Zulassung durch das Eisenbahnbundesamt wurde der Triebwagen 9 im Mai
2013
in Betrieb genommen und erstmals im August Fahrgastfahrten
durchgeführt.
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Die Fahrschalter wurden aus Graz
beschafft, wo die Fahrschalter die identische Form wie in Potsdam
hatten. Glänzend die polierte Messingglocke auf der
Handbremskurbel. Unverzichtbares Zugeständnis an die heutige Zeit
ist die Schalteinrichtung der Weichensteuerung, die unauffällig in
Form von drei Tastern installiert wurde. Bei der "großen Bahn"
sind heute ganz andere technische Einrichtungen nötig, um auf dem
öffentlichen Gleisnetz verkehren zu dürfen...
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Der Triebwagen hat die Hst Platz
der Einheit/West verlassen und fährt zur Glienicker Brücke.
Den Aktiven der Historischen
Straßenbahn Potsdam e.V. allzeit gute Fahrt
mit dem neuen, historischen, Triebwagen 9!
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Fotos
in Google Earth |
©
2013 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de |
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