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Sonntag, 20. März 2011 –
Auf den Spuren der Blumenbretter
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Nach der
Fahrt mit dem CII-Zug im Februar 2010 folgte ich auch dieses Jahr
wieder einer Einladung zu einer privaten Sonderfahrt mit den
historischen U-Bahnfahrzeugen der BVG. Der Zug bestand aus den
Kleinprofilwagen AI 212, 262, 722 und 294 – wobei die Finesse der Fahrt
war, dass die Fahrt nicht im Kleinprofil stattfand, sondern im
Großprofil. Zwei Systeme, die von Haus aus nicht kompatibel sind
– einerseits einseitig durch ihr Profil, andererseits durch die andere
Form der Stromabnahme. Im Kleinprofil wird die Stromschiene von oben
bestrichen, im Großprofil von unten – auch der Abstand von
Stromschiene zur Fahrschiene ist ein anderer.
Der Sonderzug im Bhf Alexanderplatz. Nicht viel anders dürfte die
Szenerie in der Nachkriegszeit ausgesehen haben, nachdem 120
Großprofilwagen der Bauart C als Reparationsleistung in Richtung
Russland abtransportiert wurden und auf der Linie E als Ersatz
zahlreiche Fahrzeuge des Typs AI mit – zum Ausgleich der Spalte
zwischen Bahnsteig und Wagenkasten – seitlich montierten Holzbrettern
("Blumenbretter") eingesetzt wurden. Erst nach dem Mauerbau mit dem
Umbau von S-Bahnwagen zu U-Bahnwagen der
Bauart EIII endeten endgültig die Einsätze von
Kleinprofilzügen im Großprofil.
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Der
unbedarfte Interessierte wird sich fragen, warum gibt es überhaupt
zwei verschiedene U-Bahnsysteme in einer Stadt? Die Erklärung ist
einfach und banal. Sowohl in Berlin wie in Hamburg wurden die
U-Bahnsysteme zunächst durch private Unternehmen errichtet.
Während in
Hamburg ab 1906 Siemens und AEG gemeinsam die Hochbahn errichteten, gab
es diese Zusammenarbeit in Berlin nicht. Siemens setzte sich 1896 gegen
die AEG durch und errichtete die 1902 fertiggestellte Hochbahn.
Berlin schloss mit der AEG 1912 den Vertrag über den Bau einer
Linie von Gesundbrunnen nach Neukölln. Die AEG nahm keine
Rücksicht auf das System der Siemens'schen Hochbahn und legte
damit den Grundstein für das heutige Großprofil. Aus der
AEG-Schnellbahn wurde durch die wirtschaftlichen Probleme der
Kriegszeit jedoch nichts – 1919 wurden die
letzten Arbeiten eingestellt. Nach Liquidation der AEG-Schnellbahn AG
übernahm die städtische Nordsüdbahn AG ab 1926 den
Weiterbau der jetzt "GN-Bahn" genannten Linie und
eröffnete in einem ersten Bauabschnitt die Strecke
Boddinstraße – Schönleinstraße 1927. In der ersten
Betriebszeit kamen hier noch zuvor auf der Linie C eingesetzte
Kleinprofilzüge der Bauart AIK zum Einsatz.
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Von 1949 bis
1990 lagen zahlreiche Bahnhöfe der Linie D, der späteren U8,
auf dem Gebiet der DDR. 1953 kamen hier kurzzeitig nochmals
AIK-Züge zum Einsatz, nachdem infolge der Ereignisse des 17. Juni
1953 die West-BVG den unter Ost-Berlin liegenden Abschnitt nicht befuhr
und die Ost-BVG mit den AIK einen Inselbetrieb einrichtete. Dieses
wiederholte sich nochmals am 19. März 1958 aufgrund eines
angekündigten Streiks der ÖTV bei der West-BVG. Von 1961
bis 1989/90 waren diese unter Ost-Berlin gelegenen Bahnhöfe
geschlossen – die Züge
fuhren ohne Halt durch. Jannowitzbrücke wurde am 11. November 1989
– zwei Tage nach dem Mauerfall – als erster dieser Bahnhöfe wieder
eröffnet.
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Rosenthaler
Platz wurde am 22. Dezember 1989 als zweiter Bahnhof nach dem Mauerfall
wieder eröffnet. Dass dieser Bahnhof im Osten lag, erkennt man an
den fehlenden Neubauten der BVG-typischen Zugabfertigerbuden. Bis zur
Einführung der Selbstabfertigung fertigten die Mitarbeiter der BVG
die Züge an den alten Buden direkt auf dem Bahnsteig ab. Abgesehen
von neuer Beleuchtung und Blindenleitstreifen hat sich seither am
Rosenthaler Platz noch nicht viel verändert.
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Voltastraße
wird derzeit saniert. Der 1930 eröffnete Bahnhof war von 1961 bis
1990 "Letzter Bahnhof in Berlin (West)" – bei jedem Zug in Richtung
Leinestraße wurde diese Ansage getätigt. Dann begann eine
besonders für den Nicht-Berliner stets aufregende Reise durch die
Unterwelten eines nicht gerade befreundeten Staates – durch
geschlossene und vermauerte Bahnhöfe, von denen man realistisch
nicht dachte, dass sie je wieder betrieben werden würden.
Voltastraße war einer der durch die AEG-Schnellbahn AG ab 1913
erbauten Bahnhöfe und wurde 1915 als
Demonstrationsbahnhof fertiggestellt. Weiß verputzt mit vielen
Nischen präsentierte sich der Bahnhof. Zwei verschiedene
Beschriftungen wurden erprobt. In Betrieb ging der Bahnhof in dieser
Form nie. 1919 ging die AEG-Schnellbahn AG pleite, erst 1926 nahm die
städtische Nordsüdbahn AG den Weiterbau in veränderter
Form als reine
Tunnellinie wieder auf. 1930 wurde der Bahnhof Voltastraße in der
typischen, verfliesten Gestaltung Alfred Grenanders fertiggestellt und
in Betrieb genommen.
Die Ende der 1920er Jahre unter den Fliesen verschwundenen Details des
Probeausbaues von 1915 sind erst dieser Tage wieder zum Vorschein
gekommen. Faszinierend, welche Überraschungen der Berliner
Untergrund auch im Jahre 2011 noch bereit hält. Ob analog
Hermannstraße oder Kreuzberg diese geschichtlich
hochinteressanten Reste unter Glasscheiben gesichert werden, ist
derzeit unbekannt.
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Am
nördlichen Endpunkt der eigentlichen GN-Bahn steht der Sonderzug
in Gesundbrunnen zur Fahrt nach Osloer Straße und dortigem
Wechsel auf die Linie U9 bereit.
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Über
Osloer Straße, die U9 und die Verbindung zur U6 hat der Sonderzug
Seestraße erreicht und legt eine Pause ein. Zur
Überbrückung des Spalts zwischen Zug und Bahnsteig sind
Übergangsplatten ausgelegt worden, die an die Stelle der einst 15
cm breiten "Blumenbretter" getreten sind. Links fährt ein F-Zug
nach Alt-Tegel in den Bahnhof Seestraße ein.
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Im Bahnhof
Seestraße steht noch eine der für viele Berliner
U-Bahnhöfe typischen Waagen. Eigentlich anderenorts längst
verschwunden, haben die Waagen auf den Berliner U-Bahnhöfen wie in
einer Zeitblase überlebt und trotzten auch dem Euro. Vor
längerer Zeit waren einem TV-Magazin diese Waagen auch einen
Beitrag wert. Diese Zeiten scheinen nun endgültig zuende zu gehen
– auf den Waagen prangt ein Schild "zu
verkaufen". Die sicher
idealistisch geprägte Variante Geld zu verdienen droht ausgedient
zu haben.
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Aus dem 1926
eröffneten Bahnhof Kreuzberg wurde 1975 der Bahnhof "Platz der
Luftbrücke", nachdem der Bahnhof seit 1937 "Flughafen" hieß.
Unter Glas ist noch eine historische Anschrift "Kreuzberg" erhalten.
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1929 wurde
der Bahnhof Tempelhof in Betrieb genommen. Der kürzlich nach
aufwendiger Restaurierung und Rückbau in den Originalzustand
wieder in Betrieb genommene Triebwagen 212 der 14. Lieferung von 1913
zeigt sich in ursprünglicher Farbgebung der Hochbahnwagen. Mit dem
bei Falkenried gebauten Triebwagen 86 ist ein derzeit nur
äußerlich restaurierter zweiter Triebwagen vorhanden – das
Fernziel der betriebsfähigen Restaurierung auch dieses Triebwagens
besteht.
An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank für die Realisierung
dieser einmaligen Sonderfahrt an den fraglos idealistischen Besteller
dieser Tour mit Kleinprofil im Großprofil und an die
Zugmannschaft, die uns geduldig praktisch alle Wünsche
erfüllte.
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