Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember


1
2
3
4
5
6
7 8 9 10 11 12 13
14 15 16 17 18 19 20
21 22 23 24 25 26 27
28 29
30 31









März 2011

6. März 2011 – Klare Luft über Hamburg
7. März 2011 – Gleiches Recht für die Alster
19. März 2011 – Auf nach Berlin...
20. März 2011 – Auf den Spuren der Blumenbretter
26. März 2011 – Leipziger Allerlei
27. März 2011 – Einen Tag beim Wilden Robert





Sonntag, 20. März 2011 – Auf den Spuren der Blumenbretter

A1 294 im Bhf Alexanderplatz

Nach der Fahrt mit dem CII-Zug im Februar 2010 folgte ich auch dieses Jahr wieder einer Einladung zu einer privaten Sonderfahrt mit den historischen U-Bahnfahrzeugen der BVG. Der Zug bestand aus den Kleinprofilwagen AI 212, 262, 722 und 294 – wobei die Finesse der Fahrt war, dass die Fahrt nicht im Kleinprofil stattfand, sondern im Großprofil. Zwei Systeme, die von Haus aus nicht kompatibel sind – einerseits einseitig durch ihr Profil, andererseits durch die andere Form der Stromabnahme. Im Kleinprofil wird die Stromschiene von oben bestrichen, im Großprofil von unten – auch der Abstand von Stromschiene zur Fahrschiene ist ein anderer.
Der Sonderzug im Bhf Alexanderplatz. Nicht viel anders dürfte die Szenerie in der Nachkriegszeit ausgesehen haben, nachdem 120 Großprofilwagen der Bauart C als Reparationsleistung in Richtung Russland abtransportiert wurden und auf der Linie E als Ersatz zahlreiche Fahrzeuge des Typs AI mit – zum Ausgleich der Spalte zwischen Bahnsteig und Wagenkasten – seitlich montierten Holzbrettern ("Blumenbretter") eingesetzt wurden. Erst nach dem Mauerbau mit dem Umbau von S-Bahnwagen
zu U-Bahnwagen der Bauart EIII endeten endgültig die Einsätze von Kleinprofilzügen im Großprofil.
A1 294 im Bhf Boddinstraße

Der unbedarfte Interessierte wird sich fragen, warum gibt es überhaupt zwei verschiedene U-Bahnsysteme in einer Stadt? Die Erklärung ist einfach und banal. Sowohl in Berlin wie in Hamburg wurden die U-Bahnsysteme zunächst durch private Unternehmen errichtet. Während in Hamburg ab 1906 Siemens und AEG gemeinsam die Hochbahn errichteten, gab es diese Zusammenarbeit in Berlin nicht. Siemens setzte sich 1896 gegen die AEG durch und errichtete die 1902 fertiggestellte Hochbahn.
Berlin schloss mit der AEG 1912 den Vertrag über den Bau einer Linie von Gesundbrunnen nach Neukölln. Die AEG nahm keine Rücksicht auf das System der Siemens'schen Hochbahn und legte damit den Grundstein für das heutige Großprofil. Aus der AEG-Schnellbahn wurde durch die wirtschaftlichen Probleme der Kriegszeit jedoch nichts – 1919 wurden die letzten Arbeiten eingestellt. Nach Liquidation der AEG-Schnellbahn AG übernahm die städtische Nordsüdbahn AG ab 1926 den Weiterbau der jetzt "GN-Bahn" genannten Linie und eröffnete in einem ersten Bauabschnitt die Strecke Boddinstraße – Schönleinstraße 1927. In der ersten Betriebszeit kamen hier noch zuvor auf der Linie C eingesetzte Kleinprofilzüge der Bauart AIK zum Einsatz.
A1 294 im Bhf Jannowitzbrücke

Von 1949 bis 1990 lagen zahlreiche Bahnhöfe der Linie D, der späteren U8, auf dem Gebiet der DDR. 1953 kamen hier kurzzeitig nochmals AIK-Züge zum Einsatz, nachdem infolge der Ereignisse des 17. Juni 1953 die West-BVG den unter Ost-Berlin liegenden Abschnitt nicht befuhr und die Ost-BVG mit den AIK einen Inselbetrieb einrichtete. Dieses wiederholte sich nochmals am 19. März 1958 aufgrund eines angekündigten Streiks der ÖTV bei der West-BVG. Von 1961 bis 1989/90 waren diese unter Ost-Berlin gelegenen Bahnhöfe geschlossen – die Züge fuhren ohne Halt durch. Jannowitzbrücke wurde am 11. November 1989 – zwei Tage nach dem Mauerfall – als erster dieser Bahnhöfe wieder eröffnet.
A1 294 im Bhf Rosenthaler Platz

Rosenthaler Platz wurde am 22. Dezember 1989 als zweiter Bahnhof nach dem Mauerfall wieder eröffnet. Dass dieser Bahnhof im Osten lag, erkennt man an den fehlenden Neubauten der BVG-typischen Zugabfertigerbuden. Bis zur Einführung der Selbstabfertigung fertigten die Mitarbeiter der BVG die Züge an den alten Buden direkt auf dem Bahnsteig ab. Abgesehen von neuer Beleuchtung und Blindenleitstreifen hat sich seither am Rosenthaler Platz noch nicht viel verändert.
A1 294 im Bhf Voltastraße

Voltastraße wird derzeit saniert. Der 1930 eröffnete Bahnhof war von 1961 bis 1990 "Letzter Bahnhof in Berlin (West)" – bei jedem Zug in Richtung Leinestraße wurde diese Ansage getätigt. Dann begann eine besonders für den Nicht-Berliner stets aufregende Reise durch die Unterwelten eines nicht gerade befreundeten Staates – durch geschlossene und vermauerte Bahnhöfe, von denen man realistisch nicht dachte, dass sie je wieder betrieben werden würden.
Voltastraße war einer der durch die AEG-Schnellbahn AG ab 1913 erbauten Bahnhöfe und wurde 1915 als Demonstrationsbahnhof fertiggestellt. Weiß verputzt mit vielen Nischen präsentierte sich der Bahnhof. Zwei verschiedene Beschriftungen wurden erprobt. In Betrieb ging der Bahnhof in dieser Form nie. 1919 ging die AEG-Schnellbahn AG pleite, erst 1926 nahm die städtische Nordsüdbahn AG den Weiterbau in veränderter Form als reine Tunnellinie wieder auf. 1930 wurde der Bahnhof Voltastraße in der typischen, verfliesten Gestaltung Alfred Grenanders fertiggestellt und in Betrieb genommen.
Die Ende der 1920er Jahre unter den Fliesen verschwundenen Details des Probeausbaues von 1915 sind erst dieser Tage wieder zum Vorschein gekommen. Faszinierend, welche Überraschungen der Berliner Untergrund auch im Jahre 2011 noch bereit hält. Ob analog Hermannstraße oder Kreuzberg diese geschichtlich hochinteressanten Reste unter Glasscheiben gesichert werden, ist derzeit unbekannt.
A1 294 im Bhf Gesundbrunnen

Am nördlichen Endpunkt der eigentlichen GN-Bahn steht der Sonderzug in Gesundbrunnen zur Fahrt nach Osloer Straße und dortigem Wechsel auf die Linie U9 bereit.
A1 212 im Bhf Seestraße

Über Osloer Straße, die U9 und die Verbindung zur U6 hat der Sonderzug Seestraße erreicht und legt eine Pause ein. Zur Überbrückung des Spalts zwischen Zug und Bahnsteig sind Übergangsplatten ausgelegt worden, die an die Stelle der einst 15 cm breiten "Blumenbretter" getreten sind. Links fährt ein F-Zug nach Alt-Tegel in den Bahnhof Seestraße ein.
Waage und A1 294 im Bhf Seestraße

Im Bahnhof Seestraße steht noch eine der für viele Berliner U-Bahnhöfe typischen Waagen. Eigentlich anderenorts längst verschwunden, haben die Waagen auf den Berliner U-Bahnhöfen wie in einer Zeitblase überlebt und trotzten auch dem Euro. Vor längerer Zeit waren einem TV-Magazin diese Waagen auch einen Beitrag wert. Diese Zeiten scheinen nun endgültig zuende zu gehen – auf den Waagen prangt ein Schild "zu verkaufen". Die sicher idealistisch geprägte Variante Geld zu verdienen droht ausgedient zu haben.
A1 294 im Bhf Platz der Luftbrücke

Aus dem 1926 eröffneten Bahnhof Kreuzberg wurde 1975 der Bahnhof "Platz der Luftbrücke", nachdem der Bahnhof seit 1937 "Flughafen" hieß. Unter Glas ist noch eine historische Anschrift "Kreuzberg" erhalten.
A1 212 im Bhf Tempelhof

1929 wurde der Bahnhof Tempelhof in Betrieb genommen. Der kürzlich nach aufwendiger Restaurierung und Rückbau in den Originalzustand wieder in Betrieb genommene Triebwagen 212 der 14. Lieferung von 1913 zeigt sich in ursprünglicher Farbgebung der Hochbahnwagen. Mit dem bei Falkenried gebauten Triebwagen 86 ist ein derzeit nur äußerlich restaurierter zweiter Triebwagen vorhanden – das Fernziel der betriebsfähigen Restaurierung auch dieses Triebwagens besteht.
An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank für die Realisierung dieser einmaligen Sonderfahrt an den fraglos idealistischen Besteller dieser Tour mit Kleinprofil im Großprofil und an die Zugmannschaft, die uns geduldig praktisch alle Wünsche erfüllte.
Fotos in Google: Maps Earth © 2011 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben