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Sonnabend, 9. Dezember 2023
– Der Weihnachtszug fährt wieder
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Nach ziemlich genau 15 Jahren ist
es dieses im Dezember endlich wieder soweit, die historischen Züge
der Berliner S-Bahn geben wieder Lebenszeichen von sich. Am 14. Juni
2008 beendete die Entgleisung eines historischen Zuges am Bf
Friedrichstraße den Betrieb der historischen Fahrzeuge. Der Zug
kam damals am Einfahrsignal des Bahnhofs zum stehen und fuhr auf einem
Übergangsbogen mit gleichzeitigen Neigungswechseln wieder an, der
Wagenkasten des EB 165 471 sprang bei dieser Anfahrt von der
Kugelpfanne eines Laufdrehgestells.
Bereits im Vorwege war der Historische Betrieb zeitweise ausgesetzt, da
es zu Bahnsteigkantenberührungen kam – schon 2002 wurde der
Einsaatz des frisch restaurierten Viertelzuges esT 3839/es 6401
ausgesetzt, nachdem ein Schiefstehen des Wagenkastens bemerkt wurde.
Heute weiß man, die Ursachen aller Vorfälle waren systemisch
tief verwurzelt und nur eine völlige Überarbeitung der
Drehgestellfederung und -lagerung mit Neufertigung der relevanten Teile
konnte nachhaltige Abhilfe schaffen – mit einer Genauigkeit, die die
Deutsche Reichsbahn und die S-Bahn Berlin GmbH bei ihren Fahrzeugen nie
erreicht hat.
So zog sich die Wiederinbetriebnahme des vereinseigenen Halbzuges der
Bauart 1937/41 über viele Jahre hin – das erste große Ziel,
zur Eröffnung des neugebauten Bf Ostkreuz im Jahr 2018 den Halbzug
fahrbereit zu haben, wurde um schlappe fünf Jahre verfehlt.
Im Herbst 2023 war absehbar, dass das Ziel Weihnachtszug 2023 erreichbar sein
würde. Allerdings nicht mit dem zweiten Viertel der Bauart
1937/41, dem ET/EB167 072, sondern mit dem Stadtbahnersteuerviertel
475/875 605, da in diesem bereits von der BVG erste Vorrüstungen
für die geplante neue Zugbeeinflussungstechnik EZS 800 erbracht
wurden, deren Einführung aber mit dem Verweis auf die damals
utopisch erscheinende Erhaltung der Systemgleichheit im Westteil und
Ostteil Berlins nicht weiter verfolgt wurde.
Für den Autoren war die Wiederkehr der historischen Fahrzeuge ein
recht sentimentaler Moment, war Berlin in den 1990er Jahren doch fast
sein zweites Wohnzimmer – unzählige Fotos und Freundschaften sind
in diesen Jahren
entstanden.
Nach Ende auch des Einsatzes der Panorama-S-Bahn
war Berlin nur noch
selten Ziel.
Hier fährt der esT 3839 am Sonnabend des zweiten
Einsatzwochenendes zur Aufnahme des Zugpersonals an den Bahnsteig in
Grünau, das Zugpersonal wird heute zur Entlastung der Berliner
Aktiven mehrheitlich aus Hamburger Mitgliedern des Schwestervereins Historische S-Bahn Hamburg e.V.
gebildet.
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Die Berliner S-Bahn ist mit der
Hamburger S-Bahn eng verwandt – zum 100-jährigen Bestehen der
elektrischen Stadt- und Vorortbahn in Hamburg im Jahr 2007 war aus
Berlin der Viertelzug esT 3839/es 6401 angereist, wobei absichtlich der
im Originalzustand restaurierte Zug der Bauart 1937/41 gewählt
wurde, da der rund zwei Jahre später ausgelieferte Hamburger ET/EM
171 gegenüber den späteren ET/EB 167 technisch deutlich
weiter entwickelt war.
In Berlin zog man seinerzeit das seit 1924 bewährte technische
Konzept vor, während in Hamburg ein neues System
aufgesetzt wurde. Die Entscheidung von damals erweist sich heute als
Glücksfall, denn so können Stadtbahner
und Bauart 1937/41 gemeinsam im Zugverband fahren, nachdem der
Stadtbahnersteuerwagen 875 605 eine elektrische Kupplung direkt auf der
Schaku erhalten hat.
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Am 3. Oktober 1990 war Tag 1 der Deutschen Einheit – und alle
Züge der Deutschen Reichsbahn waren mit Deutschlandflaggen
versehen, wo zurvor zusätzlich Hammer und Sichel sowie die Flagge
der großen Vorbilds, der Sowjetunion, dargestellt waren. Der
heute als Museumszug im Originalzustand hergerichtete esT 3839/6401 war
am 3. Oktober 1990 bei bestem Wetter als 277 003/004 auf der Zuggruppe
G nach Friedrichstraße im Einsatz. Rund ein halbes Jahr
später endete der Einsatz der unmodernisierten Viertelzüge
der BR 277.
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33 Jahre später beginnt
für den früheren 277 003/004 sein drittes Leben beim Eisenbahnverkehrsunternehmen Historische
S-Bahn e.V., nachdem das zweite Leben als Museumszug beim EVU S-Bahn Berlin GmbH von langen
Stillstandszeiten geprägt war. 15 Jahre Stillstand sind letztlich
eine unheimlich lange Zeit, in den 1990er Jahren erlebte der Autor die
Stilllegung der S-Bahnstrecken in West-Berlin 1980 mit diesem Zeitraum,
er war seit 1990 in Berlin aktiv – die großen Stilllegungen nach
dem S-Bahn-Streik waren damals gerade zehn Jahre her, für den
Autor damals eine lange Zeit. Nun ist der historische Betrieb schon 15
Jahre her, war doch erst gestern?
So ist der Betrieb der historischen Züge heute für einen
Großteil der jüngeren Eisenbahnfreunde das erste Erleben des
historischen Betriebes und wird mit den modernen Kamerasystemen im Bild
festgehalten.
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Der Weihnachtszug ist
bereitgestellt, die Gäste warten auf Einlass. Fuhr er bis 2008 nur
für Kindergärten und angemeldete Gruppen, fährt er
dieses Jahr erstmals in der langen Tradition der Weihnachtszüge
der S-Bahn in Berlin öffentlich. Zur Mitfahrt waren im Vorverkauf
Fahrkarten über einen externen Anbieter zu kaufen, wobei der Run
auf die überschaubare Anzahl an Karten derart
überwältigend war, dass entweder die Karten sofort
ausverkauft waren oder das Buchungssystem zusammenbrach …
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Generationen. Einst wurden
Fahrzeuge stringent funktionell gebaut, die möglichen
Fertigungstechniken nahmen direkten Einluss auf das Äußere
der Züge, wie Nietreihen mit deren farblicher Kaschierung oder die
Trapezform der Fahrzeugfront und letztlich die funktionale Integration
der Fahrzeugeinrichtungen.
Spätestens ab den 1960er Jahren übernahm das Design die
Formgebung und folgend nicht selten auch die Anordnung der
Fahrzeugausrüstung. Nahm zunächst die
West-Berliner BVG über den Designer Herbert Lindinger bei
der Konstruktion der BR 480 noch die Formgebung der Stadtbahner auf,
basierte die BR 270 der Deutschen Reichsbahn und spätere Baureihe
485 auf der Formsprache von LEW
Hennigsdorf und ihren Designern – streng orientiert an den
Parametern der Berliner S-Bahn.
Das Berliner Unternehmen büro+staubach
entwickelt heute Fahrzeugdesign. Bisher trat es in Deutschland oft um
die Unternehmen Stadler und SIEMENS auf – so wurde u.a. auch
das Design der 483/484 von büro+staubach entwickelt. Einzige
Reminiszenz an den Berliner Geschmack nach der Vorstellungdes Entwurfs
der BR 483/484 ist die farbliche Zweiteilung
der Fahrzeugfront, welche zunächst einfarbig sandgelb vorgesehen
war. Modernes Industriedesign,
crashnormgerecht, trifft auf strammes Funktionaldesign von vor 100
Jahren.
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Während rechts der 484 nur als
reines Transportmittel wahrgenommen wird, findet der esT 3839/6401 die
uneingeschränkte Aufmerksamkeit der Sehleute.
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Der Weihnachtsmann fährt
S-Bahn – unübersehbar …
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Der Schlitten des Weihnachtsmanns
ist edel und schon teilweise mit Hightech ausgestattet. Aber die
Klingel, sie darf nicht fehlen!
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Zum Weihnachtszug gehören
immer leuchtende Kinderaugen. Für den Autoren war die erste Fahrt
mit den historischen Zügen nach 15 Jahren inmitten zahlreicher
Freunde auch ein sentimentaler Moment, zumal bis heute das Schwert der
Integration der historischen Fahrzeugen in das aktuelle
Zugsicherungssytem ZBS der
S-Bahn Berlin über den Köpfern der Historischen S-Bahn
schwebt – und das EVU S-Bahn Berlin GmbH seit 2009 nur noch sehr
eingeschränkt unterstützen kann.
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Die Enstation Charlottenburg ist
erreicht. Prinzipiell ist Charlottenburg bereits ZBS-Land, doch ist das
Gleis 335 in Charlottenburg für die Ableitung von Ringzügen
noch mit der Fahrsperrentechnik ausgerüstet. Aktuelle
Stellwerksbauformen wie SIMIS D
können die mechanische Fahrsperre nicht mehr ansteuern.
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Die Historischen S-Bahner aus
Hamburg unterstützten heute die Berliner mit der Besetzung der
Schaffnerdienste. Der Berliner Verein Historische S-Bahn e.V. betreibt
seine Züge als eigenständiges Eisenbahnverkehrsunternehmen
mit allen Rechten und Pflichten und muss für die für den
Betrieb der historischen Züge nötigen Erlöse selbst
aquirieren. Und auch das für den Betrieb nötige Personal
stellen.
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Der Weihnachtsmann fährt
S-Bahn, sprichwörtlich.
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Die S-Bahn ist heute eine andere,
als sie der Autor einst kennenlernte.
Zeit kann man nie festhalten. Auch wenn man es
manchmal möchte. Der Viertelzug 475/875 605 ist im Zuge der
Wiederinbetriebnahme in das Eigentum des Vereins Historische S-Bahn
e.V. übergegangen.
Einst stand der Autor hier, um einfahrende Züge zu fotografieren –
er drehte sich dann nach links
um, um ausfahrende Stadtbahner zu fotografieren. Links filmt ein nicht nur in Berlin
bekannter Videofilmer die Szenen, bei dem sich der Autor freute guten
Tag sagen zu können.
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Vor rund 25 Jahren war es rund
fünf Jahre nach der Bahnreform und dem daraus folgenden Entstehen
des Eisenbahnbundesamtes (EBA)
noch vergleichsweise einfach möglich originale Bauarten
wiederherzuellen. Einen originalen Bedienplatz des Jahres 1937 in 2023
wiederherzustellen, stellt sich der Autor schwerig vor. Er ist da regelmäßig zerrisssen
…
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Damals zeigten die Tachometer auch
rückwärts …
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Der Betrieb und seine Aspekte
wollen sorgfältig geprüft sein.
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Heute stellt die
„Grünschleife“ die Abfahrbereitschaft sicher, bei den Zügen
von gestern ist das Prinzip Augenschein unverzichtbar.
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Traglastenabteil, wie man es aus
Hamburg kennt. In Hamburg wurde in den 1950er Jahren die Sitzbank an
der Führerstandwand für den Einbau der Indusi-Anlage um rund
⅓ ihrer Länge gekürzt. Bei der ersten Rekonstruktion der ET
167 wurde die Führerstandsrückwand zugunsten mehr Platz
für den Triebwagenführer zurückgesetzt – in Hamburg
schuf man erst mit moderner Relaistechnik mehr Platz, als als die 471
ab 1984 in Stuttgart-Bad Cannstatt (und
später bei zahlreichen Nachkriegszügen direkt im Werk
Ohlsdorf) modernisiert wurden.
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Die Inneneinrichtung des esT 03 839
wurde bei der Restaurierung ab 1998 nach den alten Zeichnungen durch
die S-Bahn Berlin GmbH vollständig neu gebaut und dabei auch die
Kasettendecke neu erstellt. Die Leuchten selbst wurden aus dem
ausgemusterten S-Bahnzug 471 121 der S-Bahn Hamburg gewonnen, die
Kuppeln wurden nach Originalteilen neu gegossen.
In Hamburg wurden die Kuppeln in den ET/EM 171 nach dem Erscheinen der
ET/EM 170 mit ihrer modernen Leuchtstoffröhrenbeleuchtung
abgenommen, um etwas mehr Licht in den Raum zu bekommen. Bis zum
Einsatzende bekamen die ET/EM 171 bzw. die Züge der BR 471/871
kein neues Beleuchtungskonzept.
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Es gab mal Zeiten, wo die Reisenden
mittels einfacher Hinweise vor bestimmten Handlungen gewarnt wurden.
Und wenn sie diese Warnungen missachteten, entfernten sie schlicht ihre
Gene aus der Menschheit.
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Völlig neu gebaut wurde ab
1998 auch die 2. Klasse des es 6401. Die Stimmung an Bord des Zuges ist
genial.
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Bahnhof Papestraße, äh
Südkreuz. Die S-Bahn ist nicht mehr die, die der Autor einst
kennengelernt hat. Aber auch oder gerade im Bf Südkreuz sieht man
die Begeisterung, wenn ein Zug von gestern auf der Bildfläche
erscheint.
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Zu später Stunde im Bf
Charlottenburg der 475 605.
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Zentrale Person ist der
Weihnachtsmann.
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Das Hamburger Personal bei der
Arbeit.
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Die Fahrten des Tages sind zuende –
der Zug wird für den nächsten Einsatz noch vorbereitet.
Abgesehen von den Zugzielanzeigen und einigen weiteren Details ist noch
viel früherer DR-Infrastruktur erhalten. Die einstige
Aufsichtsbude wird heute vom Verein als Logistikraum genutzt.
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Bereit zum Aussetzen in die Bw
Grünau. 475 605 fast zeitlos.
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Fotos
in Google Earth |
©
2023 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de |
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