|
|
|
|
|
|
|
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
7 |
8 |
9 |
10 |
11 |
12 |
13 |
14 |
15 |
16 |
17 |
18 |
19 |
20 |
21 |
22 |
23 |
24 |
25 |
26 |
27 |
28 |
29
|
30
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Freitag, 22. November 2019
– Vom Groß- und Kleinprofil und den Sorgen von heute
|
|
|
Der DL 68 2246/47 fährt als
U55 in den Bhf Hauptbahnhof ein. Ein selbstverständlich wirkendes
Foto, aber seit bald drei Jahren auf der Agenda – und gedanklich schon
als nicht mehr realisierbar abgehakt.
Die U55 ist die ungewöhnlichste U-Bahnlinie Deutschlands. 1992 im
Hauptstadtvertrag vertraglich festgeschrieben und weitgehend vom Bund
finanziert, stellte das klamme Land Berlin 2002 den Bau der
U5-Verlängerung vom Alexanderplatz zum neuen Berliner Hauptbahnhof
ein, um den Eigenanteil am Weiterbau nicht aufbringen zu müssen.
Erst die
angekündigte Rückforderung der dann vergebens
investierten Bundesmittel in Höhe von 170 Mio EUR, welche den zu
sparenden Eigenanteil um ein vielfaches übersteigen, bewog das
Land zum Weiterbau der U5.
|
|
Bahnhof
Bundestag – alle fünf Minuten fährt hier der Pendelzug der
U55
ein und aus. Der großzügig angelegte Bahnhof liegt unter
dem Regierungsviertel und lässt durch verglaste Öffnungen
Tageslicht in den mit Sichtbeton gestalteten Bahnhof.
Ende 2006 wurde die Strecke fertiggestellt, Probe gefahren – und
eingemottet. Die BVG wollte den Betrieb dieser Stummellinie nicht
finanzieren. 2009 einigte man sich auf einen provisorischen Betrieb bis
zur Fertigstellung des Abschnittes Brandenburger Tor – Alexanderplatz.
Die Linie U55 wurde am 9. August 2009 eröffnet und in
der Regel
mit Zweiwagenzügen vom Typ F 79
betrieben, welche frisch
hauptuntersucht
waren und deren Fristen bis zum Anschluss an die U5 reichen sollten.
|
|
Im Bhf
Bundestag wird derzeit die Bahnsteigkante des seit 2006 ungenutzten
Streckengleises Hauptbahnhof – Brandenburger Tor für den in einem
Jahr aufzunehmenden Betrieb hergerichtet.
Die nicht nur in Berlin auftretenden Bauverzögerungen sorgten
dafür, dass die U5-Verlängerung nach aktuellem Stand erst
Ende 2020
fertigggestellt werden kann. Für die untersuchungspflichtigen F 79
musste eine Ersatzlösung gefunden werden – auf dem Höhepunkt
der
Probleme der BVG mit ihrem Wagenpark, welcher zu Beginn der 2000er
Jahre radikal verkleinert wurde und im Jahr 2004 zur kompletten
Ausmusterung der verbliebenen Wagen vom Typ DL führte.
Durch einen
hohen Schadbestand sah sich die BVG außerstande, Ersatz für
die U55 zu
stellen. Da der Bund auf dem Betrieb der U55 bestand, erinnerte sich
die BVG den betrieblich schmerzlich vermissten „Dora-Zügen“, von
denen
noch zwei Fahrzeuge vom Typ D als Museumsfahrzeuge und ein Fahrzeug vom
Typ DL als Lagerfahrzeug vorhanden war.
|
|
Für 1,9
Mio EUR wurden die drei Fahrzeuge 2000/01, 2020/21 und 2246/47
bei der Fahrzeugwerke Miraustrasse
GmbH (FWM) umfangreich
instandgesetzt. Die beiden D 57 mussten die nicht mehr
eingebauten Einrichtungen zur Selbstabfertigung bekommen, beim DL 68
2246/47 musste „nur“ eine Instandsetzung vorgenommen werden, welche
aber nach 10 Jahren Nutzung als Lagerraum sehr umfangreich war und nur
verspätet abgeschlossen werden konnte.
Alle Fahrzeuge erhielten die
eigentlich für Altfahrzeuge nicht vorgesehene sonnengelbe
Farbgebung
und elektronische Zielanzeigen. Die D 57 2000/01 und 2020/21 wurden im März 2017
für wenige Wochen auf der U5 erprobt, ehe sie auf die U55
eingebracht wurden. Ihr Einsatz war später sehr
unregelmäßig, was sich
einerseits in Zugschäden zeigte, als auch durch unzufriedene
Fahrer
ausgelöst wurde – die die seit zehn Jahren außer Dienst
gestellten
Fahrzeuge mit ihren engen Fahrerräumen nicht mehr fahren wollten.
|
|
2018 kamen
die „Dora-Züge“ kaum noch zum Einsatz und waren zuletzt für
den Betrieb gesperrt. Da auf der U55 nur noch ein F 79-Fahrzeug
betriebsbereit war, musste die U55 zeitweise eingestellt werden –
im Juni 2018 endete der Betrieb zugunsten des Streckenanschlusses an
die U5 für sechs Monate völlig und alle Fahrzeuge wurden
ausgehoben.
Der Fotograf verpasste die Einsätze der „Dora-Züge“ damit
völlig,
verließ sich aber auf die Wiederinbetriebnahme der U55 Ende 2018
nach Ende der Bauarbeiten, da die BVG sicher nicht umsonst 1,9 Mio EUR
in die Fahrzeuge investiert haben wird. Lang war das
Gesicht, als wieder F-Züge zur U55 abgelassen wurden und der DL
2246/47
als Reservefahrzeug. Die beiden D 57
2000/01 und 2020/21 wurden nicht mehr zur
U55 zurückgebracht und sind in ihrer U55-Gestaltung abgestellt.
|
|
Der DL 68
2246/47 kam lange nicht auf der U55 zum Einsatz, im Sommer ließ
er sich erstmals wenige Tage auf der U55 blicken und war danach wieder
über Monate
abgestellt. Aktuell wird auf der U55 ein videobasiertes
Auslastungsanzeigesystem erprobt, welches auf dem Bhf Bundestag die
Auslastung des nächsten Zuges anzeigt. Der DL hat die nötigen
Anlagen nicht
bekommen und soll deswegen aktuell auch möglichst nicht eingesetzt
werden.
Überraschend kam der DL 2246/47 ab Donnerstag doch auf der U55 zum
Einsatz und der Fotograf hoffte (wie
man sieht erfolgreich), dass er es am Freitag auch noch
tun würde – in einem Jahr ist der Spuk endgültig vorbei, bei
der
bisherigen Einsatzdichte des DL sind wohl nur noch eine handvoll
Einsatzphasen zu erwarten.
|
|
DL 68 2246/47 fährt in den
Bahnhof Brandenburger Tor ein. Die BVG konnte mit dem Einsatz der
„Dora-Züge“ auf der U55 zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
Einerseits hätte man die U55 ohne Auswirkungen auf den restlichen
Fahrzeugbestand betreiben können und andererseits bringen die
„Dora-Züge“ historisches Flair auf die Reichstag und Brandenburger
Tor verbindende U-Bahnlinie. Die Fahrzeuge wurden im Innenraum mit
Folien zur Mauer an Reichstag und Brandenburger Tor und einem Ausspruch
von Willy Brandt versehen.
Eigentlich eine trickreiche und werbewirksame Kombi – wären da
nicht die Störanfälligkeit und die im 21. Jahrhundert absolut
unergonomischen Arbeitsplätze der D-Wagen. Beim D 57-Prototypen
2000/01 ist der ohnehin enge Fahrerraum noch enger und schon im
Linienverkehr sollte er möglichst in Zugmitte laufen. Dass das F
79 gewohnte Fahrpersonal nicht über die geplanten Einsätze
erfreut war, ist nachvollziehbar.
|
|
Auf dem Bhf Bundestag leuchten auf
den Hintergleiswänden historische Darstellungen des
Brandenburger Tors in der deutschen Geschichte. Im Vergleich zum Bhf
Bundestag wirkt der Bahnhof Brandenburger Tor edel. Aber auch die
auf der Route zum Alex liegenden Bahnhöfe Unter den Linden,
Museumsinsel und Rotes Rathaus werden sich nicht verstecken müssen
und die Strecke wird künftig sicher kein Schattendasein mehr
führen.
|
|
Der Innenraum des DL 68 2246. An
den Windfangwänden die Motive zum Brandenburger Tor und Bundestag.
Im Gegensatz zu den beiden D 57-Fahrzeugen mit ihren historischen
Netzspinnen hat der DL 68 2246/47 aktuelle Netzspinnen erhalten.
|
|
Ausfahrt des DL 68 2246/47 und der
lange befürchtete fotografische Ausfall dieser markanten Episode
Berliner
U-Bahngeschichte konnte durch die spontane Anreise am Freitagmorgen
vermieden werden. Am Wochenende verkehrte bereits wieder ein Fahrzeug
der Reihe F.
Interessant wird der Fahrzeugeinsatz auch künftig noch sein,
bis zur Inbetriebnahme von Neubaufahrzeugen der Reihe J für das
Großprofil werden auf der hier ab Ende 2020 verkehrenden U5
überwiegend angepasste Kleinprofilwagen der Reihe IK im Einsatz
sein. Ebenso wie die improvisierte Herrichtung der „Dora-Züge“
eine Folge der BVG-Beschaffungspolitik seit Ende der
1990er Jahre.
|
|
Was im Großprofil seit 15
Jahren Geschichte ist, ist im Kleinprofil noch Alltag – das markante
Berliner Nachkriegsgesicht der U-Bahnwagen. Die A3 sind
Stütze des Kleinprofilbetriebes. Erst jüngst kommen neue
Kleinprofilzüge der Reihe IK zum Einsatz, die letzten
Neubaufahrzeuge für das Kleinprofil stammten aus dem Jahr 2006.
Bereits die 24 Züge vom Typ HK waren BVG-intern in
der Beschaffung umstritten, seitdem
fand keine Beschaffung mehr statt – im
Großprofil war das bereits seit 2002 nicht mehr der Fall. Der A3L
71 715 verlässt den Bhf Gleisdreieck gen Pankow, links das
frühere Reichsbahndirektionsgebäude.
|
|
|
IK 18 1039 zwischen
Mendelssohn-Bartholdy-Park und Gleisdreieck. Im Hintergrund die
freigehaltene Ausfahrt der geplanten und bis zum Hauptbahnhof im Bau
befindlichen S21 sowie das Parkhaus auf der S21-Trasse. Die S21 ist ein
das Pilz-Konzept
ergänzendes Projekt und wird sich in der schleppenden
Realisisierung
durch eine absehbare Umplanung der Trasse des nächsten
Bauabschnittes unter dem Regierungsviertel weiter verzögern. Im
August 2019 wurde eine Planungsvereinbarung abgeschlossen, nach der in
den nächsten vier Jahren die Planungskosten dieses Abschnittes der
S21 von etwa 7,3 Millionen EUR abgedeckt sind.
Die ersten 12 Kleinprofiltriebwagen
der Reihe IK 17 wurden von der BVG zur Linderung des Wagenmangels
für das Großprofil angepasst bestellt.
Effektiv konnte der Wagenmangel damit nicht abgestellt werden,
da im gleichem Atemzug nicht mehr sanierungsfähige F 79 mit
Rissen in den Wagenkästen außer Betrieb gingen. Die IK
18 ab 1038 kommen im Kleinprofil zum Einsatz, weitere 20 als
Notmaßnahme ohne europaweite Ausschreibung bestellte IK werden
wieder im Großprofil zum Einsatz kommen.
|
|
|
Noch bis Mitte der 1990er Jahre
beschaffte die BVG regelmäßig Fahrzeuge, wie es für
eine gleichmäßige Ersatzplanung bei 40 Jahren üblicher
Lebensdauer eigentlich auch nötig ist. Der A3L 92.2 591 stammt aus
dem Jahr 1994 und fährt hier in den Bhf Gleisdreieick ein.
|
|
Während für die zum Teil
erst 30 Jahre alten DL-Fahrzeuge keine Option der Modernisierung
geprüft wurde, wurden die damals fast 40 Jahre alten und 1964/66
gebauten Züge vom Typ A3 64 oder 66 ab 2003 gründlich
modernisiert und technisch neu ausgestattet – sie verkehren seitdem mit
den A3L 92 im Verband. Hier fährt der A3 64/66E 510 in den Bhf
Schlesisches Tor ein, wo von 1961 bis 1995 aus Richtung Westen
Endstation war.
|
|
Der 1901 fertiggestellte Bahnhof
wurde im historistischen Stil
errichtet und ist in dieser Form einmalig. Der Fotograf kehrt immer
gerne hierhin zurück – schon beim ersten Besuch in Berlin 1982
beeindruckte ihn der damals am Ende der Welt liegende Bahnhof, an dem
sich seitdem fast nichts verändert hat. An von Warschauer
Brücke ankommende Züge war damals nicht im Traum zu denken
und die Weltordnung damals scheinbar in Beton gegossen.
|
|
|
Blumenbretter 2.0 – schon in
frühen Jahren verkehrten in Berlin Kleinprofilzüge auf
Großprofilgleisen. Damals aus wirtschaftlichen
Nöten oder Kriegsfolgen. Dass anno 2019 wieder Blumenbretter
nötig sind, sind Folgen politischem und unternehmerischen
Versagens, die Infrastruktur nicht auskömmlich zu finanzieren.
Konnte die BVG 2009 trotz bereits vorhandener Defizite das S-Bahn-Chaos
noch abfedern, steht sie heute selbst mit dem Rücken zur Wand. Die
Politik hat den Ernst der BVG-Lage inzwischen erkannt und
ermöglicht der BVG entsprechende Neubeschaffungen, die aktuell
jedoch durch nicht vom Kuchen nutznießende Unternehmen
verzögert werden.
Während die zweite Bestellung von IK für das Großprofil
in Form einer Notbeschaffung von Siemens
beanstandet wurde und am Ende ein Kompromiss in der zunächst
genehmigten Bestellung von 56 statt 80 Wagen – inkl. einer
Nachprüfung für abzustellende F 79 – gefunden wurde, versucht
Alstom
aktuell eine Neuausschreibung der Bestellung von Fahrzeugen der Reihe J
und JK, der größten Fahrzeug-Beschaffung in der
BVG-Geschichte, zu erreichen.
War weiter oben der IK 18 1039 zu sehen, steht hier der für das
Großprofil angepasste IK 17 1036 neben dem H 97 5006 im Bhf
Hönow zur Abfahrt bereit.
|
|
|
Im abendlichen Streiflicht sind die
Blumenbretter 2.0 gut zu erkennen IK 17 1028 verlässt den
Bhf Louis-Lewin-Straße.
|
|
Fotos
in Google Earth |
©
2019 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de |
Nach
oben |
|