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7. November – Stilechter Rheingold nun komplett
22. November – Vom Groß- und Kleinprofil und den Sorgen von heute
23. November – Mit der BVG in die 1980er








Freitag, 22. November 2019 – Vom Groß- und Kleinprofil und den Sorgen von heute

DL 2247

Der DL 68 2246/47 fährt als U55 in den Bhf Hauptbahnhof ein. Ein selbstverständlich wirkendes Foto, aber seit bald drei Jahren auf der Agenda – und gedanklich schon als nicht mehr realisierbar abgehakt.
Die U55 ist die ungewöhnlichste U-Bahnlinie Deutschlands. 1992 im Hauptstadtvertrag vertraglich festgeschrieben und weitgehend vom Bund finanziert, stellte das klamme Land Berlin 2002 den Bau der U5-Verlängerung vom Alexanderplatz zum neuen Berliner Hauptbahnhof ein, um den Eigenanteil am Weiterbau nicht aufbringen zu müssen. Erst die angekündigte Rückforderung
der dann vergebens investierten Bundesmittel in Höhe von 170 Mio EUR, welche den zu sparenden Eigenanteil um ein vielfaches übersteigen, bewog das Land zum Weiterbau der U5.

DL 2246

Bahnhof Bundestag – alle fünf Minuten fährt hier der Pendelzug der U55 ein und aus. Der großzügig angelegte Bahnhof liegt unter dem Regierungsviertel und lässt durch verglaste Öffnungen Tageslicht in den mit Sichtbeton gestalteten Bahnhof.
Ende 2006 wurde die Strecke fertiggestellt, Probe gefahren – und eingemottet. Die BVG wollte den Betrieb dieser Stummellinie nicht finanzieren. 2009 einigte man sich auf einen provisorischen Betrieb bis zur Fertigstellung des Abschnittes Brandenburger Tor – Alexanderplatz. Die Linie U55 wurde am 9. August 2009 eröffnet und in der Regel mit Zweiwagenzügen vom Typ
F 79 betrieben, welche frisch hauptuntersucht waren und deren Fristen bis zum Anschluss an die U5 reichen sollten.

DL 2246

Im Bhf Bundestag wird derzeit die Bahnsteigkante des seit 2006 ungenutzten Streckengleises Hauptbahnhof – Brandenburger Tor für den in einem Jahr aufzunehmenden Betrieb hergerichtet.
Die nicht nur in Berlin auftretenden Bauverzögerungen sorgten dafür, dass die U5-Verlängerung nach aktuellem Stand erst Ende 2020 fertigggestellt werden kann. Für die untersuchungspflichtigen F 79 musste eine Ersatzlösung gefunden werden – auf dem Höhepunkt der Probleme der BVG mit ihrem Wagenpark, welcher zu Beginn der 2000er Jahre radikal verkleinert wurde und im Jahr 2004 zur kompletten Ausmusterung der verbliebenen Wagen vom Typ DL führte.
Durch einen hohen Schadbestand sah sich die BVG außerstande, Ersatz für die U55 zu stellen. Da der Bund auf dem Betrieb der U55 bestand, erinnerte sich die BVG den betrieblich schmerzlich vermissten „Dora-Zügen“, von denen noch zwei Fahrzeuge vom Typ D als Museumsfahrzeuge und ein Fahrzeug vom Typ DL als Lagerfahrzeug vorhanden war.


DL 2247

Für 1,9 Mio EUR wurden die drei Fahrzeuge 2000/01, 2020/21 und 2246/47 bei der Fahrzeugwerke Miraustrasse GmbH (FWM) umfangreich instandgesetzt. Die beiden D 57 mussten die nicht mehr eingebauten Einrichtungen zur Selbstabfertigung bekommen, beim DL 68 2246/47 musste „nur“ eine Instandsetzung vorgenommen werden, welche aber nach 10 Jahren Nutzung als Lagerraum sehr umfangreich war und nur verspätet abgeschlossen werden konnte.
Alle Fahrzeuge erhielten die eigentlich für Altfahrzeuge nicht vorgesehene sonnengelbe Farbgebung und elektronische Zielanzeigen. Die D 57 2000/01 und 2020/21 wurden im
März 2017 für wenige Wochen auf der U5 erprobt, ehe sie auf die U55 eingebracht wurden. Ihr Einsatz war später sehr unregelmäßig, was sich einerseits in Zugschäden zeigte, als auch durch unzufriedene Fahrer ausgelöst wurde – die die seit zehn Jahren außer Dienst gestellten Fahrzeuge mit ihren engen Fahrerräumen nicht mehr fahren wollten.

DL 2246

2018 kamen die „Dora-Züge“ kaum noch zum Einsatz und waren zuletzt für den Betrieb gesperrt. Da auf der U55 nur noch ein F 79-Fahrzeug betriebsbereit war, musste die U55 zeitweise eingestellt werden – im Juni 2018 endete der Betrieb zugunsten des Streckenanschlusses an die U5 für sechs Monate völlig und alle Fahrzeuge wurden ausgehoben.
Der Fotograf verpasste die Einsätze der „Dora-Züge“ damit völlig, verließ sich aber auf die Wiederinbetriebnahme der U55 Ende 2018 nach Ende der Bauarbeiten, da die BVG sicher nicht umsonst 1,9 Mio EUR in die Fahrzeuge investiert haben wird. Lang war das Gesicht, als wieder F-Züge zur U55 abgelassen wurden und der DL 2246/47 als Reservefahrzeug. Die
beiden D 57 2000/01 und 2020/21 wurden nicht mehr zur U55 zurückgebracht und sind in ihrer U55-Gestaltung abgestellt.

DL 2247

Der DL 68 2246/47 kam lange nicht auf der U55 zum Einsatz, im Sommer ließ er sich erstmals wenige Tage auf der U55 blicken und war danach wieder über Monate abgestellt. Aktuell wird auf der U55 ein videobasiertes Auslastungsanzeigesystem erprobt, welches auf dem Bhf Bundestag die Auslastung des nächsten Zuges anzeigt. Der DL hat die nötigen Anlagen nicht bekommen und soll deswegen aktuell auch möglichst nicht eingesetzt werden.
Überraschend kam der DL 2246/47 ab Donnerstag doch auf der U55 zum Einsatz und der Fotograf hoffte (wie man sieht erfolgreich), dass er es am Freitag auch noch tun würde – in einem Jahr ist der Spuk endgültig vorbei, bei der bisherigen Einsatzdichte des DL sind wohl nur noch eine handvoll Einsatzphasen zu erwarten.

DL 2246

DL 68 2246/47 fährt in den Bahnhof Brandenburger Tor ein. Die BVG konnte mit dem Einsatz der „Dora-Züge“ auf der U55 zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Einerseits hätte man die U55 ohne Auswirkungen auf den restlichen Fahrzeugbestand betreiben können und andererseits bringen die „Dora-Züge“ historisches Flair auf die Reichstag und Brandenburger Tor verbindende U-Bahnlinie. Die Fahrzeuge wurden im Innenraum mit Folien zur Mauer an Reichstag und Brandenburger Tor und einem Ausspruch von Willy Brandt versehen.
Eigentlich eine trickreiche und werbewirksame Kombi – wären da nicht die Störanfälligkeit und die im 21. Jahrhundert absolut unergonomischen Arbeitsplätze der D-Wagen. Beim D 57-Prototypen 2000/01 ist der ohnehin enge Fahrerraum noch enger und schon im Linienverkehr sollte er möglichst in Zugmitte laufen. Dass das F 79 gewohnte Fahrpersonal nicht über die geplanten Einsätze erfreut war, ist nachvollziehbar.

DL 2247

Auf dem Bhf Bundestag leuchten auf den Hintergleiswänden historische Darstellungen des Brandenburger Tors in der deutschen Geschichte. Im Vergleich zum Bhf Bundestag wirkt der Bahnhof Brandenburger Tor edel. Aber auch die auf der Route zum Alex liegenden Bahnhöfe Unter den Linden, Museumsinsel und Rotes Rathaus werden sich nicht verstecken müssen und die Strecke wird künftig sicher kein Schattendasein mehr führen.

DL 2246

Der Innenraum des DL 68 2246. An den Windfangwänden die Motive zum Brandenburger Tor und Bundestag. Im Gegensatz zu den beiden D 57-Fahrzeugen mit ihren historischen Netzspinnen hat der DL 68 2246/47 aktuelle Netzspinnen erhalten.

DL 2246

Ausfahrt des DL 68 2246/47 und der lange befürchtete fotografische Ausfall dieser markanten Episode Berliner U-Bahngeschichte konnte durch die spontane Anreise am Freitagmorgen vermieden werden. Am Wochenende verkehrte bereits wieder ein Fahrzeug der Reihe F.
Interessant wird der Fahrzeugeinsatz auch künftig noch sein, bis zur Inbetriebnahme von Neubaufahrzeugen der Reihe J für das Großprofil werden auf der hier ab Ende 2020 verkehrenden U5 überwiegend angepasste Kleinprofilwagen der Reihe IK im Einsatz sein. Ebenso wie die improvisierte Herrichtung der „Dora-Züge“ eine Folge der BVG-Beschaffungspolitik seit Ende der 1990er Jahre.


A3L 71 715

Was im Großprofil seit 15 Jahren Geschichte ist, ist im Kleinprofil noch Alltag – das markante Berliner Nachkriegsgesicht der U-Bahnwagen. Die A3 sind Stütze des Kleinprofilbetriebes. Erst jüngst kommen neue Kleinprofilzüge der Reihe IK zum Einsatz, die letzten Neubaufahrzeuge für das Kleinprofil stammten aus dem Jahr 2006. Bereits die 24 Züge vom Typ HK waren BVG-intern in der Beschaffung umstritten, seitdem fand keine Beschaffung mehr statt – im Großprofil war das bereits seit 2002 nicht mehr der Fall. Der A3L 71 715 verlässt den Bhf Gleisdreieck gen Pankow, links das frühere Reichsbahndirektionsgebäude.

IK 1039

IK 18 1039 zwischen Mendelssohn-Bartholdy-Park und Gleisdreieck. Im Hintergrund die freigehaltene Ausfahrt der geplanten und bis zum Hauptbahnhof im Bau befindlichen S21 sowie das Parkhaus auf der S21-Trasse. Die S21 ist ein das Pilz-Konzept ergänzendes Projekt und wird sich in der schleppenden Realisisierung durch eine absehbare Umplanung der Trasse des nächsten Bauabschnittes unter dem Regierungsviertel weiter verzögern. Im August 2019 wurde eine Planungsvereinbarung abgeschlossen, nach der in den nächsten vier Jahren die Planungskosten dieses Abschnittes der S21 von etwa 7,3 Millionen EUR abgedeckt sind.
Die ersten 12 Kleinprofiltriebwagen der Reihe IK 17 wurden von der BVG zur Linderung des Wagenmangels für das Großprofil angepasst bestellt. Effektiv konnte der Wagenmangel damit nicht abgestellt werden, da im gleichem Atemzug nicht mehr sanierungsfähige F 79 mit Rissen in den Wagenkästen außer Betrieb gingen. Die IK 18 ab 1038 kommen im Kleinprofil zum Einsatz, weitere 20 als Notmaßnahme ohne europaweite Ausschreibung bestellte IK werden wieder im Großprofil zum Einsatz kommen.


A3L 92.2 591

Noch bis Mitte der 1990er Jahre beschaffte die BVG regelmäßig Fahrzeuge, wie es für eine gleichmäßige Ersatzplanung bei 40 Jahren üblicher Lebensdauer eigentlich auch nötig ist. Der A3L 92.2 591 stammt aus dem Jahr 1994 und fährt hier in den Bhf Gleisdreieick ein.

A3 64/66E 510

Während für die zum Teil erst 30 Jahre alten DL-Fahrzeuge keine Option der Modernisierung geprüft wurde, wurden die damals fast 40 Jahre alten und 1964/66 gebauten Züge vom Typ A3 64 oder 66 ab 2003 gründlich modernisiert und technisch neu ausgestattet – sie verkehren seitdem mit den A3L 92 im Verband. Hier fährt der A3 64/66E 510 in den Bhf Schlesisches Tor ein, wo von 1961 bis 1995 aus Richtung Westen Endstation war.

A3 64/66E 486

Der 1901 fertiggestellte Bahnhof wurde im historistischen Stil errichtet und ist in dieser Form einmalig. Der Fotograf kehrt immer gerne hierhin zurück – schon beim ersten Besuch in Berlin 1982 beeindruckte ihn der damals am Ende der Welt liegende Bahnhof, an dem sich seitdem fast nichts verändert hat. An von Warschauer Brücke ankommende Züge war damals nicht im Traum zu denken und die Weltordnung damals scheinbar in Beton gegossen.

IK und HK

Blumenbretter 2.0 – schon in frühen Jahren verkehrten in Berlin Kleinprofilzüge auf Großprofilgleisen. Damals aus wirtschaftlichen Nöten oder Kriegsfolgen. Dass anno 2019 wieder Blumenbretter nötig sind, sind Folgen politischem und unternehmerischen Versagens, die Infrastruktur nicht auskömmlich zu finanzieren.
Konnte die BVG 2009 trotz bereits vorhandener Defizite das S-Bahn-Chaos noch abfedern, steht sie heute selbst mit dem Rücken zur Wand. Die Politik hat den Ernst der BVG-Lage inzwischen erkannt und ermöglicht der BVG entsprechende Neubeschaffungen, die aktuell jedoch durch nicht vom Kuchen nutznießende Unternehmen verzögert werden.
Während die zweite Bestellung von IK für das Großprofil in Form einer Notbeschaffung von Siemens beanstandet wurde und am Ende ein Kompromiss in der zunächst genehmigten Bestellung von 56 statt 80 Wagen – inkl. einer Nachprüfung für abzustellende F 79 – gefunden wurde, versucht Alstom aktuell eine Neuausschreibung der Bestellung von Fahrzeugen der Reihe J und JK, der größten Fahrzeug-Beschaffung in der BVG-Geschichte, zu erreichen.
War weiter oben der IK 18 1039 zu sehen, steht hier der für das Großprofil angepasste IK 17 1036 neben dem H 97 5006 im Bhf Hönow zur Abfahrt bereit.

IK

Im abendlichen Streiflicht sind die Blumenbretter 2.0 gut zu erkennen IK 17 1028 verlässt den Bhf Louis-Lewin-Straße.

Fotos in Google Earth © 2019 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben