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Sonnabend, 17. Juli
2010 – Abenteuerreise zu den Krokodilen
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Die
letzte von der Deutschen Bundesbahn eingesetzte Altbauellok war die E
94, das "deutsche Krokodil". Im Mai 1988 endete ihr Einsatz, zu
damaligen Zeiten war die DB noch am gewinnbringenden Verkauf ihres
Fahrzeugbestandes interessiert. Diverse E 94 waren in der Schweiz
leihweise im Einsatz, ein Verkauf kam aber nicht zustande. So wurden
die 1987 im AW Karlsruhe zum Verkauf abgestellten Loks 1988
verschrottet.
Dazu gehörte auch die Lokomotive 194 178, welche bei
der
Fa. Dück verschrottet wurde. Ich habe diese nur einmal im Einsatz
gesehen und lediglich einmal in München-Laim, zur Verschrottung
bereitgestellt und bereits aller Anbauteile beraubt, fotografieren
können. 2010 zu "70 Jahre Deutsches Krokodil"
lebt sie wieder und ich konnte das 1988 nicht mehr vergönnte Foto
"unter Strom" nachholen. Nun, mancher mag sich die Augen reiben, die in
den 1970er und 1980er Jahren verhasste Farbgebung ozeanblau/beige –
gerade an Altbau-E-Loks – sorgt 2010 fur einen Hype und dann noch an
einer eigentlich doch längst verschrotteten Lokomotive?
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Ende
der 1980er und Anfang der 1990er Jahre verkaufte die DB ihre
altbrauchbaren Fahrzeuge noch gerne an andere Eisenbahnunternehmen und
Museen – einen Wettbewerb auf Schienen gab es nicht und elektrische
Lokomotiven fremder, privater Bahnunternehmen durften auf DB-Gleisen im
Gegensatz zu Dieselloks und -triebwagen nicht mit eigener Kraft fahren.
Die bis zum Einsatzende 1988 eingesetzte 194 158 wurde als einzige im
AW Bremen nicht mehr verschrottete E-Lok an einen Schrotthändler
nach
Leer verkauft, wo die Lok bis 1997 vor sich hin rostete. Da die DB
Anfang der 1990er Jahre noch keinen Verschrottungszwang eingeführt
hatte konnte die 194 158 1997 von privat gekauft werden und wurde bis
2001 wieder betriebsfähig hergerichet. 1990 gab niemand mehr einen
Pfifferling auf die Lok, welche in Bremen völlig ausgeschlachtet
stand,
ein Foto der Lok aus diesem Jahr findet sich in der Galerie der
Bahnfotokiste "Damals
bei
der Bundesbahn".
Im Laufe des Jahres 2010 soll die 2009 HU-fällig abgestellte Lok
des
Frau Pirch gehörenden EVU "RAIL4U" in Neustrelitz
eine
neue HU erhalten. |
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2010
hat sich die Welt bei der Eisenbahn völlig gewandelt. Der
Wettbewerb
ist bei der Eisenbahn eingezogen. Die DB verkauft Triebfahrzeuge mit
denen ihr selbst Wettbewerb gemacht werden könnte nicht mehr und
verschrottet ausgemusterte Loks konsequent. Zu Beginn des Wettbewerbs
wurden zur Wendezeitvorbehaltlos zum Schrottpreis an Museen gegebene
Loks wieder im kommerziellen Betrieb eingesetzt. Anfangs zur
Refinanzierung
der Unterhaltskosten, gingen in der Folge zu guten Preisen nicht wenige
Fahrzeuge an kommerzielle Unternehmen ohne
musealen Hintergrund.
Die 194 580 wurde 1988 an die Historische
Eisenbahn Frankfurt verkauft und 1990 zur großen
Fahrzeugausstellung in
Köln-Gereon erstmalig mit ihren Restfristen –
und damals als einmalig zu verstehen – für Rundfahrten eingesetzt.
Später ging die Lok an die IG 58 3047 nach Glauchau, welche die
Lok
wieder betriebsfähig herrichtete und über die Muldental
Eisenbahnbahnverkehrsgesellschaft (MTEG) für Schubdienste an der
Frankenwaldrampe einsetzte.
Die 194 580 wurde 2008 nach einem schweren
Schaden und daraus folgenden Brandschäden abgestellt. Die
Lokführerin
Barbara-Birgit Pirch kaufte 2009 die Lok, nachdem sie bereits 1997 die
194 158 gekauft und zum neuen Leben erweckt hatte. Frau Pirch
ließ die
194 580 bei den ARRIVA Fahrzeugwerken detailgetreu
im Stile der 1988 verschrotteten 194 178 – der einzigen
ozeanblau-beigen Lok der BR 194 – wieder aufarbeiten. Zum Jubiläum
"70
Jahre Deutsches Krokodil" wurde die Lok der Öffentlichkeit
vorgestellt
und wird künftig im Güter- und ggf. Sonderzugverkehr zum
Einsatz
kommen. Hier wird die Lok auf der Drehscheibe der Lokwelt Freilassing
im ehemaligen Bw Freilassing präsentiert.
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Die
erstausgelieferte E 94, die E 94 001, wurde 1940 dem Bw Freilassing
zugeteilt, aber umgehend dem "angeschlossenen" Innsbruck
überstellt und
verblieb nach 1945 als 1020.18 in Österreich. Zuletzt als 1020 018
eingesetzt, wurde die Lok von den Eisenbahnfreunden Lienz
übernommen
und 2008 nach umfangreicher Aufarbeitung im letzten, blutorangenen,
ÖBB-Zustand wieder in Betrieb genommen. Hier in der Lokwelt
Freilassing
auf der Drehscheibe.
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Die
Eisenbahnabteilung des Deutschen Museums musste im eigentlichen Museum
dem Ausbau des Museums weichen. Bei dieser Gelegenheit wurde die
Eisenbahnabteilung umfangreich erweitert, konnte aber nicht im Hauptbau
bleiben. Nach Umzug der Messe wurde an der Theresienhöhe ein neues
Verkehrszentrum errichtet, wo einige Fahrzeuge ausgestellt werden
konnten. Neben einer bay. S3/6 ist dort u.a. ein Triebkopf des Ur-ICE,
des ICE-V, ausgestellt. Im Nahverkehrsbereich ist das einzig erhaltene
blau/lichtgraue Münchner S-Bahnfahrzeug – der Triebwagen 420 002 –
neben
dem
Stadtbahnprobewagen 275 625 aus Berlin und dem ersten Münchner
U-Bahnwagen ausgestellt.
In Freilassing sind die weiteren
Eisenbahnexponate ausgestellt, unter anderem die als LAG 1 beschriftete
E 69 01. Die Lok wurde auf der als Versuchsstrecke zur
Fernbahnelektrifizierung dienenden Strecke Murnau – Oberammergau
eingesetzt und war für das System 5.000 V bei 16 Hz
ausgerüstet.
1954
bei Umstellung der Strecke auf das bei der DB übliche Stromsystem
wurde
die Lok nicht mehr umgebaut und nach einer Aufstellung vor dem AW
München-Freimann dem Deutschen Museum übergeben.
Ihre Schwesterlokomotiven E 69 02 bis 05 wurden auf 15 kV und 16⅔ Hz
umgerüstet und blieben teilweise bis ins Jahr 1981 im Einsatz.
Auch diese Loks
sind museal erhalten – die E 69 03 (DB Museum, Standort Koblenz) und
169 005 (BLV) betriebsbereit. Daneben die mit Buchli-Antrieb
ausgestattete E 16 07 und als Dauerleihgabe des
Bayerischen Eisenbahnmuseums (BEM) in Nördlingen die von
der DR noch bis 1991 in Leipzig-Gaschwitz als
Verschublokomotive eingesetzte 244 051 sowie die Freilassinger 144 508.
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Die
Lokwelt Freilassing beherbergt auch beide Varianten der E 44 – die E 44
und die E 44.5, der speziell für die Strecke Freilassing –
Berchtesgaden gebauten, markant abweichenden E 44-Variante. Die 144 502
steht seit rund 10 Jahren am Bf Freilassing als Denkmal.
Die leicht abweichende 144 508 ist seit 2008 in der Lokwelt Freilassing
ausgestellt, nachdem die Lok vom DB Museum lange Jahre
an den
Eisenbahnclub Selb-Rehau e.V. verliehen war und dort zuletzt im
Freigelände abgestellt war. Die im letzten Einsatzzustand
ausgestellte 244 051 repräsentiert die Epoche der E 44 bei der
Deutschen Reichsbahn der DDR. |
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Neben
den für Bayern typischen Altbau-E-Loks verfügt die Lokwelt
Freilassing auch über eine der zahlreich erhaltenen Lokomotiven
der BR 103. Wie 244 051 ist die 103 167 im letzten Einsatzzustand
ausgestellt, zur Anschauung einseitig ihrer Lüftergitter beraubt.
Im Vordergrund die antriebslose Seite der E 16 07.
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Zum
Jubiläum "70 Jahre Deutsches Krokodil" wurden auf private
Initiative zehn Lokomotiven der Reihe E 94 nach Freilassing geholt,
finanziert ausschließlich auf Spendenbasis. Die zehn Lokomotiven
gaben einen Querschnitt durch die E 94-Geschichte wieder, welche von
1940 bis heute sehr wechselvoll ist und bislang keinen Schlusspunkt
gefunden hat.
Die 254 052 repräsentiert die Epoche der E 94 bei
der Deutschen Reichbahn der DDR, wo 30 Lokomotiven verblieben waren. 25
waren als Reparationsgüter in die Sowjetunion abgegeben worden und
bildeten ab Mitte der 1950er Jahre nach Rückkehr in die DDR den
Grundstock der elektrischen Traktion in der DDR, die DR richtete
insgesamt 23 Maschinen für einen Einsatz her. Bis 1990 waren die E
94 bei der DR unverzichtbar, erst der rapide Rückgang des
Güterverkehrs nach der Währungsunion machte ihrem Einsatz ein
Ende.
Die 254 052 wurde an das Eisenbahnmuseum Dieringhausen verkauft,
welches die Lok 2002 an die Prignitzer Eisenbahn abgab, die dringend
Maschinen für den Güterverkehr suchte. 2006 kam die Lok zur
Leipziger Eisenbahngesellschaft, welche die Lok seither
regelmäßig im Güterverkehr einsetzt. Am 1. August 2010
hat die Lok Fristablauf – während zunächst keine neue HU
vorgesehen war, wurde in Freilassing eine neue HU als nicht
unwahrscheinlich umschrieben. |
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Zusammen
mit der 254 052 unterzog die Prignitzer Eisenbahn 2002/03 die im
Eigentum der Stadt Singen stehende 194 051 einer HU. Die Stadt Singen
hatte ein Interesse an der Betriebsfähigkeit ihrer seit Ende der
1980er Jahre als Denkmallok im Bf Singen stehenden Lok und stellte die
Lok leihweise zur Verfügung. Auch heute steht "Stadt Singen"
als Eigentümer an der Lok. Die Anstrichsdaten sprechen von 1969
und entsprechend sieht die Lok auch aus, lediglich das Dach hat beim
derzeitigen EVU, der Pfalzbahn, einen neuen Anstrich bekommen.
Mit zwei
aus Frankreich stammenden INOX-Wagen ersetzte die Lok eine
planmäßige BLB-Leistung nach Berchtesgaden. Mit BLB 73965 am
Haken verlässt das tonintonfarbene Gespann den Bf Freilassing,
während nicht nur im Bf Freilassing unzählige Fotografen die
E 94-Leistung im Bild festhalten. |
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Der
Hingucker der Veranstaltung war die 194 178, eigentlich 194 580. Bis
ins Detail ein Replik der 1988 verschrotteten 194 178. Die Lok hat
keinen Museumsstatus erhalten, sondern wird künftig im
kommerziellen Güterverkehr eingesetzt, fallweise sicher auch die
einer oder andere Leistung im Sonderverkehr bespannen. Inmitten ihrer
Artgenossen aus Deutschland und Österreich steht die Lok im Bf
Freilassing ausgestellt. Links neben der 194 178 die ebenso
mustergültig restaurierte E 94 279 des DB Museums aus Kornwestheim
– leider die einzige Lokomotive, welche nach Fristablauf 2006 keine
Einsatzperspektive besitzt, immerhin darf die Lok bei diversen
Veranstaltungen mit Sondergenehmigung des EBA auf Paraden zeigen, dass
sie nach wie vor voll betriebstüchtig ist.
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Erstaunlich,
was die Anwesenheit junger Männer bei der 70 Jahre alten Dame 1020
018 bewirkt: Ein kurzes Besteigen der alten Dame reicht, um sie 25
Jahre jünger aussehen zu lassen. Die Kollegen machen es gerne und
die Freude ist ihnen anzusehen, befindet sich die alte Dame bei ihnen
doch in hingebungsvoller Pflege. |
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Gegen
Mittag kamen aus Österreich die grünen 1020 042
(Verein 1020) und 1020.44 (ÖBB) mit den beiden INOX-Wagen nach
Freilassing. Die ÖBB-Traditionslok 1020.44
verfügt noch über die originalen Frontfenster. Im Hintergrund
steht die Denkmallok 144 502, welche von der Lokwelt Freilassing
instand
gehalten wird. |
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Zum
Abschluss des Tages noch ein Foto der 1020 041, der Lok die die
Geschichte der E 94 um ein neues Kapitel erweitert hat. Sind alle
anderen E 94 in den jeweiligen Staatsbahnzuständen restauriert,
ist die 1020 041 (ehemals E 94 103) von der Mittelweserbahn (dem EVU
des Eisenbahnmuseums in Bruchhausen-Vilsen, DEV) 2004 in
Unternehmensfarben lackiert worden und dient an der
Spessartrampe Laufach – Heigenbrücken
interessierten Eisenbahnverkehrsunternehmen als Schiebelok, nachdem die
DB ihre Schiebe-Lokomotiven keinen anderen EVU zur Verfügung
stellt.
Mein persönlicher Dank gehört allen Aktiven an dieser
Veranstaltung, welche ausschließlich privat finanziert wurde und
dennoch allen offen stand. In angenehmer Athmosphäre ohne jegliche
Hektik und mit bayrischer Gelassenheit wurde hier ein (neudeutsch)
Event auf die Beine gestellt, das so schnell nicht wieder zu erleben
sein wird. Das macht die chaotische Anreise im Nachtzug nach
München und dem Anschluss-EC nach Freilassing vergessen.
Man
hätte es fast vermisst, wenn es im Nachtzug nicht über die
Lautsprecheranlage gelautet hätte "Liebe Fahrgäste, unserem
Zug fehlt ein Liegewagen, in den Schlafwagen sind einige Betten
unbenutzbar und das halbe Zugpersonal ist krank!". Und die Lok nicht in
Hannover das zeitliche gesegnet hätte, man ohne Klimaanlage fast
eine Stunde auf eine Ersatzlok hätte warten müssen und die
Ersatzlok in Anfahrt München Hbf auf den letzten Metern durch
einen Blackout dann aus den 55 Minuten Verspätung doch noch 65
Minuten gemacht hätte.
Dass im Anschluss-EC einige Wagen fehlten
oder verschlossen waren, versteht sich von selbst und dass beim
(zum Glück) letzten Wagen in München Ost eine
Tür völlig den Geist aufgab, dass der Wagen vor Ort
abgekuppelt werden musste, wundert einen dann auch nicht mehr.
Erfreulich war immerhin, dass durch Stellung des Zuges am Einfahrsignal
Freilassing meine Ankunft am Zielort genau 61 Minuten später als
geplant war und ich damit 25% des Fahrpreises der Hinfahrt zurück
bekomme – da ist dann doch noch auf die Bahn Verlass. ;-)
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