Es gab in Berlin bei der S-Bahn vor inzwischen etlichen Jahren einen umfangreichen historischen Betrieb, welcher in den 90er Jahren auch auch Sicht des Unternehmens DER Symphatieträger der S-Bahn war. Der bereits seit 1987 von der Deutschen Reichsbahn im Ostteil der Stadt durchgeführte und ab 1990 ausgebaute Betrieb mit historischen Zügen der Berliner S-Bahn endete vor rund 15 Jahren mit der Entgleisung des EB 165 471 am Bf Friedrichstraße jäh. Bis zu neun Viertelzüge standen gleichzeitig betriebsfähig für Sonderfahrten zur Verfügung.
Sollten die historischen Fahrzeuge nach der Entgleisung zunächst nur technisch überprüft werden, um eine Wiederholung auszuschließen, brach wenige Monate später ab Juli 2009 das berühmtberüchtigte „Berliner S-Bahn-Chaos“ aus, an dessen
Höhepunkt zeitweise nur noch 165 Viertelzüge betriebsbereit waren und die S-Bahn Berlin kurz vor dem Entzug der Betriebserlaubnis als Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) stand.

In den Jahren danach war keine Zeit mehr vorhanden, dass sich die S-Bahn Berlin mit nicht für den Betrieb nötigen Sonderfahrzeugen beschäftigte und der Traditionsbetrieb wurde seitens der S-Bahn Berlin nie wieder aufgenommen, die Panorama-S-Bahn dauerhaft abgestellt. Der Verein Historische S-Bahn e.V., welcher die Fahrten seit seiner Gründung mit Personal besetzte und sich um die Pflege der Fahrzeuge kümmerte, sah sich durch den Rückzug der S-Bahn Berlin dazu gezwungen, den Betrieb in eigene Hände zu nehmen und ein eigenes EVU zu gründen, was im Jahr 2016 geschah.
Seitdem arbeitet der Verein mit Hochdruck an der Aufarbeitung des Halbzuges esT 3839/es 6401 und ET/EB 167 072 der Bauart 1938/41. Nach aktuellem Stand Ende Oktober 2023 scheint die Wiederinbetriebnahme des Viertelzuges 3839/6401 zusammen mit dem für die Erprobung und Zulassung der neuen Zugbeeinflussung ZBS bei Altbaufahrzeugen vorgesehenen 475/875 605 für Weihnachtsfahrten 2023 realistisch zu sein.

Dem Autor dieser Seiten kommt die Zeit von 15 Jahren seit dem Ende des Traditionsbetriebes unwirklich vor, aber die ab 1990 regelmäßig angefertigten Aufnahmen der Züge liegen praktisch nur in analoger Form vor – und der Autor fotografiert seit 15 Jahren nur noch in digitaler Form. Die Welt hat sich seitdem völlig gewandelt und die analogen Fotos von einst sind heute eine Reise in eine vergangene Epoche.

Nachfolgend einige am 10. Mai 2003 entstandene Fotos, wo anlässlich des Jubiläums „75 Jahre elektrisch nach Erkner“ und „250 Jahre Friedrichshagen“ acht von neun betriebsbereiten Viertelzügen der S-Bahn Berlin sowie die Panorama-S-Bahn jeweils einmal von und nach Erkner verkehrten. Einen derart vielfältigen Betrieb historischer Züge der S-Bahn sollte es danach nicht mehr geben.


BR 477

Seinerzeit noch Alltag in Berlin – die Altbaufahrzeuge der BR 477/877 wurden zwar zunehmend weniger, aber noch hatten die Fahrzeuge rund ein halbes Jahr Einsatz vor sich, ehe im November 2003 der Betrieb der BR 477/877 als letzte Vorkriegsbaureihe endgültig endete. Der Regionalverkehr hat sich seither durch die Ausschreibungen deutlich verändert, aber auch 2023 gehören die Doppelstockwagen von DB Regio in Berlin zum Alltag.
Seit Ende 2017 ist dagegen der Regionalverkehrshalt Karlshorst Geschichte, Bahnsteige und Brücke sind abgebrochen, der seit sechs Jahren aufgelassene Halt soll in einigen Jahren durch den im Bau befindlichen Regionalbahnhof Köpenick ersetzt werden.
BR 477

Als die Fahrgastinformation an nicht wenigen Halten noch völlig analog war: Mit Glühlampen mehr schlecht als recht beleuchtete Transparentschilder, hier nach Rathenow über Berlin Stadtbahn. Ein auf dem Foto zu sehender Vollzug der BR 477/877.0 war damals schon die Seltenheit, in der Endphase des Altbaueinsatzes wurden nur noch die „Peenemünder“ der Reihe 477/877.6 mit ihren Steuerwagen für die Schwachlastzeiten auf der S5 benötigt, so dass zuletzt fast nur noch 477/877.6 betriebsbereit waren.
ET 165 471

Den Reigen der Traditionszüge begann der Traditionszug der 50er Jahre, ET/EB 165 471 (ehemals 275 783/784) mit ET/ES 165 231 (ehemals 275 693/694). Beide wurden von der Deutschen Reichsbahn kurz nach der Wende als weitere Traditionszüge hergerichtet und im Mai 1990 fertiggestellt. Hier verlässt der ET/EB 165 471 den Bf Karlshorst.
esT 2662

Der Viertelzug esT 3662/es 6121 (ehemals 275 815/816) ergänzte ab Mai 1990 den bereits 1987 als Museumszug fertiggestellten esT 2303/es 5447 (ehemals 275 659/660), welcher anlässlich des 750-jährigen Stadtjubiläums Berlins aufwendig in den Auslieferungszustand von 1928 zurückversetzt worden war. Der 3662/6121 wurde damals nur vereinfacht ausgebaut, die „2. Klasse“ hat bis heute Holzlattensitzbänke der 3. Klasse. Das Viertel war bis 2006 betriebsfähig und ist das letzte verbliebene klassische Stadtbahner-Viertel mit werkseitigem Beiwagen statt Steuerwagen.
ET 167 072

Im Vorwege des 75-jährigen Bestehens der der elektrischen Berliner S-Bahn entschied sich die damals von Günter Ruppert geführte S-Bahn Berlin, neben den zahlreichen Stadtbahnern auch einen Halbzug des Bauart 1938/41 betriebsfähig aufzuarbeiten – ein Viertel (esT 3839/es 6401, ehemals 277 003/004) im Originalzustand von 1938 und ein Viertel (ET/EB 167 072, ehemals 277 087/088) im Zustand der 60er Jahre.
Die Fertigstellung des Halbzuges war Anfang 2002, der Viertelzug ET/EB 167 072 im Zustand der 60er Jahre war aufgrund der übersichtlichen Arbeiten bereits früh fertiggestellt und seit August 2000 betriebsfähig – die S-Bahn Berlin begann nach Fristablauf
noch 2008 eine erneute Aufarbeitung, die nicht mehr abgeschlossen wurde und derzeit von Grund auf neu und fachgerecht durchgeführt wird. Hier verlässt der ET/EB 167 072 den Hp Betriebsbahnhof Rummelsburg auf der Fahrt nach Erkner.
475 005

Nach dem Einsatzende der „Stadtbahner“ Ende 1997 blieben auch von dieser Bauform des Stadtbahners zwei Viertelzüge erhalten, das Beiwagenviertel 475/875 005 (ehemals 275 045/046) und das Steuerviertel 475/875 605 (ehemals 275 641/642), beide aus früheren Beständen der BVG und bei der Waggon-Union umfassend aufgearbeitet.
Das frühere Steuerviertel 275 641/642 wurde in diesem Zusammenhang von der BVG für die Spätverkehre auf der S1 wieder als Steuerviertel hergerichtet und der in der Kriegszeit ausgebaute Führerstand im Beiwagen wieder eingebaut. Das Viertel erhielt zudem damals als Ersatz für die abgängigen grünen Kunstlederpolster der DR die bei der DB verwendeten Systemsitze und eine neue Leuchtstofflampenbeleuchtung. Beides wurde im
Traditionsbetrieb zugunsten der als stilvoller eingestuften Ausrüstung mit Holzlattensitzbänken und Glühlampenbeleuchtung (unter Beibehaltung des Umformers) schrittweise wieder ausgebaut.
Das original-BVG erhaltene Beiwagenviertel 475/875 005 wurde mit Fristablauf im September 2003 abgestellt und verkauft. Der 475 005 steht heute im Technologiepark Köln, der 875 005 wurde in Königs Wusterhausen verschrottet. 475/875 005 erreicht den Hp Betriebsbahnhof Rummelsburg.
475 605

475 605 erreicht den Hp Rummelsburg. Heute ist die Szenerie hier nicht mehr wiederzuerkennen (wie ohnehin in fast jedem Bahnhof der S-Bahn): Das stadteinwärts führende S-Bahngleis überführt jetzt mittels einer Bogenbrücke die Gleise der Ostbahn und im Hintergrund erhebt sich heute die Bahnhofshalle des Bf Ostkreuz.
Parade

Fahrzeugparade. Zeitweise standen die eingesetzten Fahrzeuge vor der Triebwagenhalle Erkner fotogen nebeneinander aufgestellt. Links der „BVG“-475 605 mit dem 1999 auf die an der Jubiläumsparade am Olympiastadion teilnehmenden Fahrzeuge aufgebrachten Logo. Dahinter die beiden im Zustand der 60er- bzw. 50er Jahre stehenden ET 167 072 und ET 165 471.
Der ET 165 471 war seinerzeit zusammen mit dem EB 165 471 ein klassisches Beiwagenviertel und in der Innenausstattung authentisch. Der EB 165 471 wurde bei der Entgleisung an der Friedrichstraße am 14. Juni 2008 schwer beschädigt – die S-Bahn sah sich nicht zu einer Instandsetzung in der Lage, der Viertelzug stand trotz frischer Hauptuntersuchung von Ende 2006 einige Jahre in der Hw Schöneweide und wartete auf sein weiteres Schicksal.
Parade

Stadtbahnergeschichte. Die Fahrzeuge in ihren verschiedenen Bauformen und Farbgebungen am Bf Erkner. Links das heute verbliebene Beiwagenviertel, rechts das Steuerviertel mit Führerstand – ab den 40er Jahren über rund 40 Jahre ausgebaut und die Frontfenster verblecht.
Panorama-S-Bahn und BR 481

Von 1999 bis 2009 war das Facettenreichtum der S-Bahn um eine weitere reicher. Die auf Initiative des damaligen Geschäftsführers Axel Nawrocki auf noch brauchbaren Drehgestellen und Fahrzeugrahmen von Wagen der BR 477/877 mit großem Aufwand aufgebaute Panorama-S-Bahn bot komfortable Stadtrundfahrten auf S-Bahngleisen mit fantastischer Aussicht.
Die Abstellung der Panorama-S-Bahn erfolgte in Zusammenhang mit dem S-Bahnchaos im Juni 2009, eine Wiederinbetriebnahme fand nie statt, nachdem sich bei der Panorama-S-Bahn im Zuge der Durchleuchtung des EVU S-Bahn Berlin durch die Aufsichtsbehörden Fragestellungen zur Ausrüstung und der damaligen Zulassung stellten.
Der Bahnhof Erkner zeigt sich nach seiner Modernisierung heute in völlig anderer Erscheinung und die Fahrzeuge der BR 481/482 erhalten derzeit bereits die zweite farbliche Neugestaltung und mit der kommenden großen Ausschreibung der Verkehrsleistungen der Berliner S-Bahn ist ihr Ersatz durch Neufahrzeuge vorgesehen.
ET 165 471

Zum Abschluss des Tages setzt der Traditionszug aus ET/EB 165 471 und ET/ES 165 231 wieder an den Bahnsteig. Das klassische Bild der Berliner S-Bahn der 50er und 60er-Jahre bis zum Umbau der Triebwagen auf Einmannbetrieb, die dann die bekannten großen Stirnleuchten brachten.
Durch die bis heute im Signalbuch bestehende Gültigkeit der Zugspitzensignalisierung der „Stadtbahner" mit einem einzelnen weißen Licht und der Zugschlusskennzeichnung durch das entsprechende Tages- bzw. Nachtsignal konnte das markante Stadtbahnergesicht bis heute auch im Eisenbahnbetrieb erhalten bleiben – wenn es denn Stadtbahner mit Fristen geben würde.
2019 war die bisher letzte Fahrt eines entsprechend ausgestatteten Stadtbahners.
ET 165 231

Hier steht der ET/ES 165 231 in Erkner zur Abfahrt bereit. Der ET 165 471 zeigt am Kurzkuppelende bereits das Tagsignal des Zugschlusses. Die Anbringung des Tagsignals am Kurzkuppelende führte schon in den 90er Jahren zu gelegentlichen Diskussionen mit Fahrdienstleitern, die der Meinung waren, dass der Zug kein ordnungsgemäßes Zugschlusssignal tragen würde. Das Nachtzeichen blieb in der Regel am Tage aus und die Fahrdienstleiter übersahen gerne die Zugschlusstafel am Kurzkuppelende. Zuletzt fuhren die Stadtbahner im historischen Betrieb daher meist mit Tages- und Nachtzeichen gleichzeitig.
Was wurde aus dem Traditionszug der 50er Jahre? Der an der Zugspitze eingereihte ET 165 231 wurde vor einigen Jahren in Schöneweide gegen den ET 165 471 getauscht, der ET 165 471 mit ES 165 231 gekuppelt und der Viertelzug nach Erkner überführt. Die S-Bahn Berlin verkaufte anschließend den ET 165 231 an privat, die Kopfpartie wurde im Mai 2022 in ein Grundstück in Hamm-Berge integriert und der Rest des Wagens verschrottet. Der unfallbeschädigte EB 165 471 wurde ebenfalls an privat verkauft und bereits im September 2017 nach Spremberg überführt, wo er im OT Schwarze Pumpe Gastronomiewagen im Unternehmen „Gleis 19“ ist.
ET 165 231

Ein Stadtbahner in Form von ET/ES 165 231 auf der Ringbahn, hier am Hp Storkower Straße. Das Ziel Potsdam passt da nicht unbedingt, wies aber auf die reale Fahrtrichtung des Zuges hin. 15 Jahre zuvor wäre diese Schilderung an dieser Stelle absolut sinnfrei (und sicherlich ein von der Staatsmacht zu ahnendes Vergehen) gewesen, heute ist über die Lückenschlüsse im Netz Potsdam auch aus dieser Relation problemlos erreichbar – dass es mal anders war, heute nicht mehr vorstellbar.
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