Der Aufwand, Dias zu digitalisieren und die Scans in einen vorzeigbaren Zustand zu bringen, wächst mit dem Alter der Dias ungemein. Von daher muss man hin und wieder auch mal an alte Baustellen ran, die viel Feinarbeit erfordern. Man weiß, dass man noch so viele Dias und Negative hat, die auf eine Digitalisierung warten und doch kann man nicht bis zum jüngsten Tag warten, bis auch spezielle Themen "dran" sind.
Bahndienstfahrzeuge gehören zu den Themen, die gerne vernachlässigt werden. Sind die Fahrzeuge weg, so hat oft keiner mehr genaue Infos zu den Fahrzeugen und deren Einrichtungen. Diesem Umstand kann ich auch nur sehr begrenzt abhelfen, denn in der Regel sind Bahnunternehmen sehr verschlossen was Detailaufnahmen ihrer technischen Einrichtungen angeht.
Anno 1990 stand der Enteisungszug der Hamburger S-Bahn vor der Ausmusterung, nachdem 1989 in Form des Akkutriebwagens 515 505 Ersatz gefunden wurde. Nach der Schneekatastrophe von 1979 mit ihrem massiven Ausfall des elektrischen S-Bahn-Betriebes infolge vereister Stromschienen richtete die Hamburger S-Bahn zunächst zwei bei der DB zeitgleich in Ausmusterung befindliche einmotorige Schienenbusse der BR 795 als Enteisungsfahrzeuge her, die den Erwartungen bei ersten Probefahrten aber nicht genügten. Die DB baute danach die zur baldigen Ausmusterung vorgesehenen Züge 003 und 033 der BR 471/871 zur "großen Lösung" um.
Das Bw Hamburg (GSB) der damaligen Deutschen Bundesbahn ermöglichte es im Februar 1990, den unmittelbar vor der Ausmusterung stehenden Enteisungszug der BR 730/731 in den Details aufzunehmen. So entstanden Aufnahmen, die heute wohl als selten anzusehen sind. Streckenaufnahmen sind schon selten – Innenaufnahmen der Fahrzeugtechnik noch seltener. Gleichzeitig entstanden 1990 Aufnahmen von Details der BR 471/871, die nach 1979 schrittweise bei den anderen Fahrzeugen dieser Baureihe den vielen kleinen Moderniserungen gewichen waren.

730 402

Im Winter 1987 war der drei Jahre zuvor großzügig ausgebesserte Fahrzeuglack noch relativ glänzend, als der Zug von einer Bewegungsfahrt nach Ohlsdorf zurückkehrte – am Zugschluss hier der 730 402.

BR 730

Das "Friedhofsgleis" war im Februar 1990 bereits rund 10 Jahre der ständige Standort des Zuges. Graffitiprobleme gab es zunächst nicht, erst in den letzten Monaten verirrte sich das eine oder andere leichte Graffiti auf den Zug. Wie der Zug heute aussehen täte, wenn er nur 14 Tage dort stehen täte...
BR 730 und 471 131

Zur Luftverbindung zwischen einer bei starker Stromschienenvereisung ggf. erforderlichen Schlepplok und dem Enteisungszug hatte man an den Triebwagen Luftschläuche montiert. Von seinem Bruder, dem Triebzug 031, unterschied sich der Enteisungszug bis zu seiner Ausmusterung äußerlich nur wenig.

BR 730

Im Innenraum sah das aber schon anders aus. in großen Tanks wurde das Enteisungsmittel aufbewahrt, welche im Bereich der Drehgestelle in die Wagenräume eingebaut wurden.

BR 730

Hier der Blick auf den Bereich zwischen ehemaligem Traglastenabteil und dem 2. Klassebereich. Die bis Anfang der 1980er Jahre noch anzutreffende Schiebetür ist noch vorhanden.

BR 730

Für den Betrieb der Enteisungseinrichtung waren im Traglastenabteil diese Luftbehälter samt der Steuerungseinrichtung der Anlagen vorhanden.

BR 730

Für den Triebfahrzeugführer ergaben sich bei der Bedienung des Enteisungszuges kaum Änderungen. Ein Unfall einige Monate vor den Fotos führte jedoch zum papiergeschriebenen Hinweis, dass von Zeit zu Zeit die ep-Bremse zu benutzen sei, um ein Einfrieren der Bremsklötze zu verhindern. Die Notwendigkeit dazu führte ein Tf in Aumühle vor Augen, der nach einer längeren Fahrt ohne Halt den Zug in Aumühle auf Gleis 3 aufgrund Vereisung der Bremsklötze nicht mehr zum stehen brachte und auf den dortigen Prellbock auffuhr.

BR 730

Die Bedieneinrichtung der Enteisungsvorrichtungen.

BR 730

Funktionsschema des Enteisungszuges auf einem Starkstromplan.

BR 731

Die Mittelwagen dienten unter anderem zum Transport von Renigungsmaschinen und waren entsprechend ausgeräumt worden.

BR 731

In einem Mittelwagen war eine Besandungseinrichtung eingebaut worden. Hier die Schalteinrichtung. Gut zu erkennen auch die noch vorhandenen Armlehnen und Fensterbretter.

BR 730

Stromabnehmer mit Sprüheinrichtung für das Enteisungsmittel. Dieser Stromabnehmer hatte keinen 1.200V-Anschluss an das Fahrzeug und diente ausschließlich dem Auftragen des Enteisungsmittels.

BR 731

Ebenfalls nicht der Stromabnahme dienten die Kratzbürsten des Zuges, die entfernen das anzutauende Eis.

BR 731

Keine spezielle Einrichtung des Enteisungszuges, sondern 1990 ein fast ausgestorbenes Relikt. Bei allen anderen Zügen waren die Achskilometerzähler einige Jahre zuvor durch neue Kilometerzähler in den Führerräumen ersetzt worden und damals nur noch an diesem Zug vorhanden.

730 402

Im Mai 1991 hatte für den zum 28. Februar 1990 augemusterten Enteisungszug im Lüneburger Industriegebiet das letzte Stündlein geschlagen. Der 730 001 war bereits in Kleinteile zerlegt, dem 730 002 stand das unmittelbar bevor – hier der bereits arg lädierte 730 402.
Die beiden Halbzüge der BR 730/731 spendeten diverse Teile
für die bereits 1989/90 hinterstellten Museumsfahrzeuge (Holztüren sowie Abteiltrenntür und -wand für den an Alstom in Salzgitter gegangenen 471 144 und Holztüren für den dem VVM überlassenen Tz 039). Entsprechend türlos zeigten sich die Wagen des Tz 7002 in Lüneburg.

Zur Übersicht © 2012 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben