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...sah die Welt
bei der Deutschen Bundesbahn im Alltag noch deutlich anders aus. Der
ICE war ein Zug aus einer anderen Zeit und zog die Nation in seinen
Bann. Wo der ICE-V seit 1985 auftauchte, bestaunten ihn Massen.
Entsprechend fieberte man dem ICE-Start als Start in eine neue Zeit des
Reisens entgegen.
Die sechs Jahre des intensivens Erprobens verschonten das neue
Prestige-Produkt der "neuen Bahn" ab dem ersten Betriebstag nicht vor
ebenso medienwirksamen Problemen. Den Anfang machten die
Toiletten des neuen Zuges,
gefolgt von den Gummilippen als Ersatz für die vollverkleideten
Übergange des ICE-V an den Wagenenden, der Orientierungslosigkeit
der
automatischen Ansagen des ICE – und dem berüchtigtem Dröhnen
der Wagen
(besonders im Speisewagen des neuen Zuges zu spüren, aber auch in
jedem
anderen Wagen).
Während die Toilettenprobleme recht unscheinbar gelöst
wurden,
wurden die Gummilippen der ICE rasch gegen kürzere Exemplare
getauscht,
heute erinnern an die Lippen nur noch Rumpfexemplare. Die automatischen
Ansagen im Zug wurden alsbald wieder durch den Menschen ersetzt.
Während in der U-Bahn der Sprachspeicher seinen Siegeszug
angetreten
hat, ist er im Fernverkehr ein Fremdkörper geblieben.
Die Radsätze des ICE der ersten Generation, später als ICE1
bezeichnet,
wurden nach den Vibrationsproblemen rasch durch aus dem Stadtverkehr
bekannte gummigefederte Radsätze ersetzt – deren mangelhafte
Überwachung im Juni 1998 das verheerende ICE-Unglück von
Eschede verursachte und anschließend die sofortige Verbannung der
gummigefederte Radsätze aus
dem Eisenbahnbetrieb.
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Eigentlich
bin ich ja kein Frühaufsteher, aber wenn ein neues Zugsystem
erstmals in Deutschland verkehrt – und dann von Hamburg aus – dann will
man schon dabei sein. So fand ich zu nachtschlafender Zeit um 5.45 Uhr
den Weg nach Altona, um den ersten ICE der Deutschen Bundesbahn auf dem
Weg nach München bildlich festzuhalten. Um 5.53 Uhr begann der ICE
593 "Münchner Kindl" mit 401 556 an der Spitze seine Fahrt nach
München.
Von Feierlichkeiten war erstaunlicherweise kaum etwas zu sehen – die
ersten Reisenden wurden zwar von DB-Hostessen mit Sekt
begrüßt, aber der Zug fuhr völlig schmucklos seinen Weg
nach München (die öffentlichen Feierlichkeiten fanden bereits
am 29. Mai 1991 in Kassel-Wilhelmshöhe statt). Kein Schild hatte
den Weg auf den ICE gefunden,
Klebefolie war 1991 längst erfunden, aber das Marketing schlief zu
dieser Zeit noch tief und fest. Ich war nicht der einzige, der den
ersten ICE nach Münschen sehen wollte, der Bahnsteig war von
Sehleuten gut besucht und der Führerstand von wohl nicht
unwichtigen Leuten belagert.
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Der
Regionalverkehr aus Cuxhaven wurde 1991 aus -n und -m-Wagen gebildet,
in
Hamburg-Harburg setzte sich in der Regel eine Lok der BR 140 vor den
Zug und fuhr ihn zum Hauptbahnhof, wo die Reihenfolge der Bespannung
wieder gedreht wurde. Die wendezugfähige und mit
Verschleißpufferbohle ausgerüstete grüne 140 797
fährt in Hamburg Hbf ein.
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Seit fast
zwei Jahren verkehrte der InterRegio zwischen Hamburg und Kassel, bzw.
Konstanz. Achtete man 1987 noch auf eine farbreine Bespannung der neuen
Produkte, so gab man dieses ab 1988 zunehmend auf – rot/beige 103 waren
vor den InterRegios eher die Regel als die Ausnahme. 103 213 fährt
aus
Richtung Hannover kommend in den Hamburger Hauptbahnhof ein. Graffiti
spielte keine wesentliche Rolle – heute dürfte die Wand
an
dieser Stelle kaum mehr sauber sein.
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Der Verkehr
in Richtung Osten war längst kein Transitverkehr mehr, sondern
normaler Schnellzugverkehr – wobei von Vertaktung etc. 1991 noch keine
Rede sein konnte. Die Züge verkehrten in der Regel in den alten
Zeitlagen mit altem Wagenmaterial. 132 287 bespannte hier ihren D 331
gen Berlin. Hinter der Lok ein Büffet-Wagen der Mitropa, gefolgt
von
zwei Abteilwagen und einem neu gefertigten Amz210.
Die von 140 797 aus Hamburg-Harburg zum Hauptbahnhof geschleppte 218
197 rückt derweil in
das Bw Hamburg 3 (Hamburg Hbf) ein, im Hintergrund ein IC der
Vogelfluglinie nach Kopenhagen.
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Nur
früh
morgens im Sommer steht die Lombardsbrücke von Norden her im
Licht. Beim zweiten ICE in Richtung Süden steht die Sonne noch
passend
auf die Brücke.
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Der Alltag
bei der Deutschen Bundesbahn sah 1991 jedoch weit unspektakulärer
aus –
die
ozeanblau/beige 218 165 bespannte einen artreinen
Schnellzug aus m-Wagen, welche in Richtung neue Bundesländer
unterwegs
waren.
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Die noch
strahlenden ICE der DB zeigten nach der Filmentwicklung dem
Nachwuchsfotografen, dass man zwar ohne Zug gut die Belichtung messen
kann, schneeweiße Züge aber schnell wirklich weiß sein
können. Dank der heute möglichen Bildbearbeitung sind auch
Farbstiche problemlos zu entfernen. Umso mehr weiß ich heute,
dass ich sicher keine Diashow mehr veranstalten werde – der Unterschied
zum Dia ist schon enorm. 401 516 am Hp Veddel.
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Aus Richtung
Harburg kam 218 428 an der Veddel gefahren, welche den Eilzug aus
Cuxhaven reinrassig mit klassischen Silberlingen zum Hauptbahnhof
bringt.
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Gegen 12 Uhr
war es soweit – der erste ICE aus Stuttgart, der ICE 794 "Senator", hat
Hamburg erreicht –
wie der Gegenzug aus Hamburg ebenso schmucklos. Inmitten einer
Fotowolke passiert der Zug auf der Fahrt nach Hamburg-Altona das
Stellwerk "Stz" an der Sternschanze.
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Mit dem
neuen Fahrplan wurden zwar zahlreiche IC-Leistungen auf ICE umgestellt
– die BR 103 hatte im rasch wachsenden InterRegio-Dienst aber reichlich
neue Aufgaben gefunden, so dass die an das BZA Minden für Mess-
und Versuchsfahrten abgegebene 103 222 und zur 750 003 umgezeichnete
Lok im regulären Dienst aushelfen musste. Die Spuren der
Messverkabelungen sind deutlich an der Lok zu zu erkennen.
Die einen InterRegio
nach Kassel bespannende Lok sah ich dankenswerterweise aus der S-Bahn
und erreichte nach einem Sprint die Zugspitze im Hauptbahnhof gerade
noch vor Abfahrt des Zuges. Noch heute ist die Lok in Diensten der
Mindener DB Systemtechnik, ist aber wieder als 103 222 bezeichnet und
hat den
alten Blechkeks und Pufferverkleidungen zurück erhalten.
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Eine
Trennung der Traktion in Geschäftsbereiche gab es 1991 nicht, die
Fahrzeuge wurden nach Verfügbarkeit vor Zügen aller Zugarten
eingesetzt. Planmäßige Güterzugleistungen für die
Schnellzugloks der BR 110 waren zwar selten, aber nicht unüblich.
Die ehemalige Schnellfahrversuchslok 110 300, mit der wesentliche
Erkenntnisse für die damals in Entwicklung befindliche BR 103
erbracht wurden, hat ihre Versuchsdrehgestelle für 200 km/h
längst nicht mehr und fährt als normale Serien-110 einen
Güterzug am Bf Wilhelmsburg in Richtung Süden.
Links sind die neuen Gleise für den sechsgleisigen Ausbau bis
Harburg im Bau. Im Juni 1991 diente das von 110 300 befahrene Gleis
noch als Personenzuggleis, heute fahren hier die Güterzüge
aus Richtung Rothenburgsort gen Maschen. Die 110 300 wird vom Verein
Baureihe E10 e.V. in Köln museal erhalten.
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