Die Züge des ersten europäischen Fernverkehrsstandards Trans Europ Express (TEE), welche seit den 1950er Jahren das Synonym für schnelles und komfortables Reisen waren, sind heute durchweg legendär. Das System TEE hatte zahlreiche Triebwagenbauarten hervorgebracht, von denen der VT115 der DB heute noch vielen ein Begriff ist – auch wenn das Schicksal der verbliebenen Wagen wenig glamourös ist. Die schweizerisch/ niederländischen Triebwagenzüge der Bauart RAm/DE IV waren mit ihrer Erscheinung ebenfalls ein Hingucker. 1971 verunglückte ein Zug bei Aitrang – die genauen Umstände der Kurvenfahrt mit überhöhter Geschwindigkeit und folgender Entgleisung mit 28 Toten und zahlreichen Verletzten konnten nie restlos geklärt werden.
Die Triebzüge wurden bis 1974 aus dem Verkehr gezogen und 1977 an die Kanadische Ontario Northland Railway für den Einsatz auf der Strecke
Toronto – Timmins verkauft, wo die Züge als Northlander verkehrten. Die Triebköpfe erwiesen sich jedoch als für kanadische Verhältnisse ungegeignet und wurden durch angepasste Loks ersetzt und verschrottet.
Was für die Deutschen der VT115 ist, war für die Schweizer der RAm. Nach dem Ausscheiden der Züge aus dem Einsatz 1992 wurden zwei Steuerwagen und drei Mittelwagen niederländischen Ursprungs von der schweizerischen Genossenschaft "TEE-Classics" gekauft und nach Europa zurückgeholt.

Northlander

Im Oktober 1998 waren die Zeiten noch andere. In New York standen noch zwei Bürotürme, dessen Zerstörung 2001 die Sicherheitslage weltweit verändern sollte. 1998 kam man noch recht problemlos direkt auf die Kaianlagen in den Häfen, wenn man kurz den Pförtner freundlich "Guten Tag" sagte und sein Anliegen schilderte.
1998 gab es aber bereits das Internet (wenn auch noch nicht in der heutigen Dominanz und vieles spielte sich im "Usenet" ab, was heute kaum noch einer kennt) so dass sich die nahende Ankunft der ehemaligen TEE-Fahrzeuge im Schiffsbauch der Tampa im Hamburger Hafen herumsprach. Ein Anruf bei der Schiffsüberwachung im Hafen ergab, dass die Tampa nachts um 3 Uhr erwartet würde und am nächsten Morgen entladen würde.
Northlander

So machte ich mich am Tag darauf auf den Weg in den Freihafen zum Grasbrook, wo die Tampa liegen sollte. Die Wagen waren bereits entladen und standen zur Eingleisung bereit. Damals war dieser Bereich noch echtes Hafengelände, Zollausland und frei von jedem Tourismus. Heute steht an dieser Stelle das provisorische Kreuzfahrerterminal im Containerstil und statt den Roll-on/Roll-off-Schiffen liegen jetzt regelmäßig die großen Kreuzfahrer wie die Queen Mary 2 am Kai.

Northlander

Nach der Eingleisung verzögerte sich der Abstransport in Richtung Nürnberg zunächst, da die Fahrzeuge auf amerikanischen Radprofilen fuhren und das EBA entsprechend keine Überführung zulassen wollte. Derweil stand der Zug einige Wochen im ehemaligen Bw Wilhelmsburg, wo inwischen mit Verlagerung der Diesellokunterhaltung nach Maschen nur noch wenig Betriebssamkeit herrschte.

CargoSprinter

Damals stand der 1996 mit großem Tamtam vorgestellte CargoSprinter tagsüber in der Regel im Bw-Gelände Wilhelmsburg abgestellt und fuhr nachts für die Spedition Hellmann via Hannover gen Osnabrück. DB Cargo wollte mit diesen Zügen eine preisgünstige Beförderung bis direkt in die Anschlüsse anbieten – nach nicht einmal zwei Jahren Einsatz wurden die Züge 1999 abgestellt und ausgemustert, ein am 22. Oktober 1999 verkündeter Probeeinsatz aller sieben CargoSprinter für die Deutsche Post AG kam nicht mehr zustande.
Der Verbleib der Fahrzeuge war höchst unterschiedlich: Bei den ÖBB wurden 2004 drei Züge zu Tunnelhilfsfahrzeugen umgebaut, zwei wurden von der RWTH Aachen und Siemens für das Forschungsprojekt eines vollautomatischen CargoMovers verwendet.
Die im Bild zu sehenden 691 002/502 werden heute in der Schweiz unter anderem von Railcare im Güterverkehr eingesetzt, nachdem die Fahrzeuge 2008 in die Schweiz verkauft wurden und dort zu zwei mit Elektrolokomotiven verkehrenden Cargo-Pendelzügen umgebaut wurden. Die Antriebswagen haben bei diesem Umbau ihren Dieselantrieb behalten, so dass die Züge auch in nicht elektrifizierten Anschlüssen verkehren können.

Northlander

Der von TEE-Classics als RAm bezeichnete Zug wurde 2006 von der Genossenschaft TEE-CLASSICS an die Stichting TEE Nederland verkauft, die die Fahrzeuge weiter aufarbeiten will. Ohnehin sind die erhaltenen Fahrzeuge Fahrzeuge der Niederländischen Staatsbahnen und damit Vertreter der Bauart DE IV. Erhalten sind die Fahrzeuge 1002-4, 1003-4 (Steuerwagen), 1001-2, 1003-2 (Abteilwagen) sowie der 1003-3 (Speisewagen).

BR 471

Nach den Fotos in Wilhelmsburg ging es dann noch in die Gegend am früheren Hannoverschen Bahnhof an die Stockmeyerstraße. Dort wurden die beiden Züge 021 (nicht ohne zuvor die Innenbeleuchtung dem Projekt des Berliner Museumszuges ET 167 zu spenden) und 032 der BR 471 verschrottet. An dieser Stelle eine einmalige Ausnahme – alle übrigen 471/871 wurden in Lübeck verschrottet. Heute wäre das ohnehin undenkbar: Damals noch verschlafene, vergessene Gegend, entsteht hier heute die HafenCity und im Hintergrund steht heute unübersehbar der SPIEGEL-Neubau.

Zur Übersicht © 2012 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben