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November 2014

2. November – Von den T-Wagen zum VTA statt E
18. November – Vom Donald Duck über das hässliche Entlein zum weißen Hai
22. November – Tarnung ist alles
24. November – Gelbe Großdiesel suchen







Dienstag, 18. November 2014 – Vom Donald Duck über das hässliche Entlein zum weißen Hai

403 006

Für den nationalen Schnellverkehr mit bis zu 200 km/h plante die DB Anfang der 1970er Jahre eine Triebwagenlösung, um den hohen Gleisverschleiß bei lokbespannten Schnellfahrten oberhalb 160 km/h zu reduzieren. Auf technischer Basis der zeitgleich entwickelten S-Bahntriebzüge der BR 420/421 entstand die BR 403/404. Die Deutsche Bundesbahn beschaffte 1973 drei vierteilige Züge und setzte sie ab 1974 meist zwischen München und Bremen im IC-Verkehr ein. Der Einsatz als IC währte nur vier Jahre – mit Schaffung des zweiklassigen Produktes "IC '79" wurden die erstklassigen ET 403 aus dem IC-Dienst genommen, ein Einsatz im europäischen TEE-Netz schied aufgrund der fehlenden Mehrsystemtechnik aus.
Zwischen 1979 und 1982 kamen die ET 403 fast ausschließlich im Sonder- und Touristikverkehr zum Einsatz und 1981 wurde nicht leise über eine Ausmusterung nachgedacht. Die Rettung für die drei wenige Jahre zuvor noch als "Zukunft des Schnellverkehrs" gefeierten Züge
kam in der Absicht der Lufthansa, Kurzstreckenflüge auf die Bahn zu verlagern. Die Züge waren für diese Zwecke nach einer Anpassung bestens geeignet und wurden ab 1982 zunächst für ein Jahr probeweise als Lufthansa-Airport-Express zwischen Düsseldorf und Frankfurt Flughafen eingesetzt und 1983 der dauerhafte Betrieb beschlossen.
1990 war der Betrieb des Lufthansa-Airport-Express auf seinem Höhepunkt, mit der Linie Frankfurt Flughafen – Stuttgart Hbf kam noch eine weitere, lokbespannte Verbindung hinzu. Dass diese Episode deutscher Bahngeschichte nur drei Jahre später Knall auf Fall enden sollte ahnte im Sommer 1990 niemand, als eine 403er-Gernitur im Kölner Hauptbahnhof abfahrbereit nach Düsseldorf Flughafen steht.

403

Die 403 wurden ab 1989 im AW Nürnberg unterhalten, da das zuvor für die Triebwagen zuständige AW Stuttgart-Bad Cannstatt geschlossen wurde. Der Aufwand für die Triebzüge der BR 403 war vergleichsweise hoch – rund alle vier Jahre wurden die Triebwagen einer Revision unterzogen. Dieser 403 weilte im August 1991 zu einer Bedarfsausbesserung in Nürnberg, wo umfangreiche Arbeiten an der Aluminiumkarosserie durchzuführen waren.
Zu diesem Zeitpunkt wurden erste Überlegungen angestellt, wie die weitere Unterhaltung der Züge aussehen sollte. Die 403/404 gingen auf die 20 Jahre zu und waren die meisten Jahre intensiv eingesetzt. Aluminium war Anfang der 1970er Jahre bei der Bahn noch ein ungewöhnlicher Werkstoff – im Laufe der Jahre zeigten sich Schwächen in der Konstruktion der Wagenkästen. Die Triebwagen der BR 420/421 und 472/473 mussten nach Rissbildungen zum Teil aufwendig saniert werden – an den 403/404 wird das Problem nicht vorbeigegangen sein.


403 006

Der ET 403 und der Rhein. Lange Jahre eng miteinander verbunden und ein Grund für den wirtschaftlichen Erfolg des Lufthansa-Airport-Express. Im Mai 1993 fährt 403 006 durch Oberwesel.

403

Doch der Mai 1993 bedeutete auch das plötzliche "Aus" für die beiden Linien des Lufthansa-Airport-Express. Zum Fahrplanwechsel wurden alle Fahrzeuge abgestellt und das Angebot eingestellt.
Zuvor konnten sich DB und Lufthansa nicht auf die Finanzierung der anstehenden Revisionen der Fahrzeuge einigen – welche deutlich umfangreicher als bisher ausfallen sollten, da die Substanz der Wagen nach 20 Jahren eine gewisse Verschleißgrenze erreicht hatten und zunehmend störanfällig wurden. Je Wagen waren rd. 1 Mio DM zu investieren, um die Fahrzeuge wieder auf Vordermann zu bringen. Dieses Geld sollte die Lufthansa zur Verfügung stellen, welche nach dem Golfkrieg gerade ihr erstes Verlustjahr schrieb. Zudem sollte die Miete für die Züge deutlich steigen.
Entsprechend stellte die Lufthansa im Anfang 1993 alle Signale für die Züge auf "Halt" und der 22. Mai 1993 war der letzte Einsatztag der Baureihe 403/404.

T2 und 403 002

De DB suchte nach der Abstellung der 403/404 noch längere Zeit nach einer möglichen Nutzung der Fahrzeuge im Sonder- oder Regelverkehr. Köln – Norddeich, Köln – Hamburg oder München – Salzburg wurden als mögliche neue Routen genannt. Alle hatten eines gemeinsam – sie wurden verworfen. Als die doppelte Summe der zu erwartenden Kosten für eine Aufarbeitung im Raume stand, beendete die DB alle Bemühungen zum weiteren Einsatz der 20 Jahre alten Züge und musterte sie zum 1. August 1995 aus.
Nach weiteren fünf Jahren Abstellung im AW Nürnberg verkaufte die nun privatrechtlich als Deutsche Bahn AG firmierende DB die Züge im Jahr 2000 an die Prignitzer Eisenbahn (PEG), die die Züge zunächst nach Berlin brachte, wo die Triebwagen ungeschützt in Spandau abgestellt wurden. Hier 403 002 im Februar 2004 in Putlitz.

T2 und 403 002

Die PEG teilte damals nichts zu ggf. vorhandenen Plänen über die weitere Verwendung der Züge mit und ließ so reichlich Raum für Spekulationen. Immer wieder wurden Kreuzfahrerverkehre genannt oder ein Einsatz im Berliner Flughafenverkehr.
Die in Putlitz, Meyenburg oder Neustrelitz stehenden Züge verfielen durch Vandalismus und Metalldiebstähle zunehmend und kaum jemand glaubte noch an eine Wiederherstellung der Züge. Ein Blick in die verwüsteten Wagen zeigte, welche Spuren zehn Jahre Abstellung hinterlassen hatten. Waren 1995 schon 24 Mio DM für die Aufarbeitung aller Fahrzeuge genannt, so dürfte die benötigte Summe – nun in EUR – nach weiteren zehn Jahren nicht geringer geworden sein. T2 "Laaske" neben 403 002 in Putlitz, Februar 2004.

T2 und 403 002

Die Prignitzer Eisenbahn konnte ihren Regionalverkehr in Brandenburg dank eines über acht Jahre laufenden Verkehrsvertrages zum Jahresfahrplan 2004 mit modernen Fahrzeugen ausstatten. Hier verlässt im Januar 2005 ein RegioShuttle den Bf Meyenburg mit Ziel Neustadt (Dosse), während die beiden im Frühjahr 2004 aus Berlin-Spandau überführten 403 003/004 und 403 005/006 auf ihre weitere Verwendung warten. Für den Zug 2 mit den 403 003/004 kam diese im Januar 2006, als der Zug 2 für eine Probezerlegung nach Neustrelitz überführt wurde. In Bayern wurden Fahrzeuge für einen schnellen Regionalverkehr auf der Relation München – Nürnberg via Neubaustrecke gesucht, für die die ET 403 ins Gespräch gebracht worden waren. Auch dieses Projekt zerschlug sich und der Zug 2 verblieb in Neustrelitz, wo er in den folgenden Monaten von Metalldieben geplündert wurde.
Eigentlich wäre nun das letzte Kapitel in der Geschichte der ET 403 zu erwarten gewesen – die Zerlegung der Züge. 2008 stand diese Zerlegung Medienberichten zufolge auch kurz bevor, nachdem der neue Eigentümer der PEG – die ARRIVA – die nach 15 Jahren Abstellung im Freien perspektivlosen Fahrzeuge (bis auf einen einzelnen dem DB Museum zu übergebenen Triebwagen) verschrotten wollte.
Letztlich schrieb die PEG im Herbst 2008 den Verkauf aller Fahrzeuge auf ihrer Website aus, lange blieb unklar wer zu welchem Zweck die Fahrzeuge übernehmen würde. Letztlich kaufte ein Mitglied des Eschenauer Kulturlokschuppen (SEKU) e.V. alle drei Züge mit insgesamt 12 Triebwagen und überließ dem Verein die Fahrzeuge zur Aufarbeitung. Doch wie soll ein Verein eine Aufarbeitung der Fahrzeuge schaffen, an denen schon die Deutsche Bahn AG und ein rühriges Unternehmen in der Prignitz gescheitert war?

403 006

Doch genau hier beginnt die wundersame Wendung in der Geschichte des zum hässlichen Entlein gewordenen einstigen Stolzes der Deutschen Bundesbahn. Im Gegensatz zu manch anderem Projekt wurden die Fahrzeuge nicht zum Vereinssitz gefahren und dort von einer Handvoll Aktiven übernommen, sondern an einen gesicherten Standort verbracht und zunächst äußerlich wie innerlich gereinigt.
Nach 20 Jahren meist ungeschützter Abstellung ist dies der Anblick der in den 1970er Jahren modernsten und schnellsten Triebwagen der Deutschen Bundesbahn – der Lack ist sprichwörtlich ab. Links 403 005, rechts daneben 403 006.

403 006

Den Klapptritt des 403 005 sollte man besser nicht mehr belasten – die lange Abstellzeit hinterlässt überall ihre Spuren. Noch einmal zehn Jahre Freiabstellung und ein Nachbau könnte preisgünstiger werden.

403 006

Wenn der Lack zur Tapete wird... 403 006 zieht blank. Dank Aluminium leidet der Wagenkasten nicht unterhalb der alternden Farbe.

403 005

Charakterform des 403 005...

403 005

...deren innere Werte nicht minder gelitten haben. So ziemlich alle Gerätschaften haben neue Liebhaber gefunden oder wurden nur sinnlos zerstört.

403 005

Zu den noch ansehnlichen Abteilen gehört dieses Abteil des 403 005. Die Scheibe ist erblindet, Flecken und Dreck laden niemanden mehr ein, Platz zu nehmen und die Aussicht zu genießen.

404 101

Bis zum Umbau zum Lufthansa-Airport-Express konnten im Halbspeisewagen 404 101 in schneller Fahrt frisch zubereitete Speisen genossen werden. An der angeschrägten Wagenaußenwand ist zu sehen, dass der ET 403 einst als Neigetechnikzug projektiert worden war. 2° Neigung sollten 10% mehr Kurvengeschwindigkeit ermöglichen. Ein für optimalen Komfort zu niedrig gewählter Drehpol und die hohen Kosten der Neigetechnikwartung ließen die Neigetechnik nie in den Wirkbetrieb gehen.

403 004

Der 403 004 dient im Werk als Ersatzteilspender, der zugehörige 403 003 wurde zusammen mit dem 404 102 nach Gewinnung aller noch brauchbaren Teile verschrottet. Waren auf den letzten Fotos nur Fotos der ET 403 aus Betrieb oder der Freiabstellung seit 2004 zu sehen, hat sich hier mit dem 404 003 ein Triebwagen ins Bild gemogelt, der zeigt, dass die Geschichte der ET 403 mit der Aufgabe der 403 durch Arriva im Jahre 2008 nicht beendet ist.

404 001

Kaum einer in der Szene hat es je für möglich gehalten, dass ein solches Foto nochmals möglich sein wird. Ein grundierter Triebwagen der BR 404 auf dem Hebestand mit saniertem Aluminiumwagenkasten und in Wiederherstellung befindlicher Druckluftanlage. 404 001 im Netinera-Werk Neustrelitz.
Trenitalia, ein Tochterunternehmen der italienischen Staatsbahnen FS, übernahm 2010 die deutschen Standorte der von der DB gekauften ARRIVA-Gruppe – so auch das Anfang 2003 von der DB an die Ostmecklenburgische Bahnwerk GmbH (OMB) verkaufte Werk Neustrelitz.

404 001

Unterhalb des Wagenbodens sind die bereits geleisteten Arbeiten deutlich zu sehen: Sanierte Bodenwannen, erneuerte Trapezbleche, wiederhergestellte Druckluftanlage und aufgearbeitete Drehgestellaufnahme.

403 001

Im Innenraum des 403 001 –  in Kürze kann mit dem Innenausbau begonnen werden.

403 001

Der Führerraum des 403 001 ist ebenfalls fertig saniert, kein Vergleich mit dem Zustand des 403 005 mehr. Wenn alles weiter planmäßig läuft, wird bereits in einem Jahr hier wieder der Triebfahrzeugführer samt Zugführer Platz nehmen und es vielleicht auch wieder entlang des Rheins gehen.

404 001 und 403 002

Rechts der 403 001, links der aktuell in der Lackierung befindliche 403 002. Um einfache rote Streifen zu lackieren ist ein nicht unerheblicher Aufwand nötig – bei dem einen oder anderen Betrieb werden derartige Zierrate der Einfachheit halber nur noch geklebt.

403 002

Bei der markanten Form des 403 ist es nicht einfach, die Linien in Form zu bringen. Die Lackierer nehmen Maß und bringen die Klebekanten an.

403 002

403 002 in der Lackierhalle. Viele Jahre wurde immer wieder davon geträumt, nun wird es Realität: Die Wiedergeburt des ET 403. Das Fahrzeug wird an den Auslieferungszustand angelehnt aufgearbeitet. Die Außenlackierung spiegelt dieses wider und nimmt die Lackierung von 1973 auf – ein Weg zwischen dem Design von 1973 und den Designgrundsätzen von National Express. Im Innenraum bleiben wesentliche Merkmale des ursprünglichen Designs erhalten, Bezugsstoffe und neu einzubauende Wandverkleidungen sind stilistisch auf entsprechende Harmonie abgestimmt. Das Fahrzeug dient später nicht Museumszwecken, sondern wird 15 Jahre – der Vertragslaufzeit in NRW – als Werbeträger für National Express fahren und entsprechend ausgestattet.

403 002,Tobias Richter

Die Zierlinien an der Front sind später optisch prägend und mit entsprechender Sorgfalt aufzubringen. Es zeigte sich, dass auf der Front keine verlässlichen Bezugsmaße anzutreffen waren – es gab auf beiden Seiten stets leichte Maßunterschiede, vermutlich von früheren Reparaturen herrührend. Tobias Richter, Geschäftsführer der National Express Rail GmbH, nimmt die idealen Maße, damit die Zierlinien nach abgeschlossener Lackierung optisch stimmig sind.

403 001, Tobias Richter

Gut, wenn man bereits ein lackiertes Baumuster in der Hinterhand hat...

403 001

Der 403 001 vermittelt einen ersten Eindruck davon, welche Optik der fertige Zug Ende kommenden Jahres haben wird. Die beiden roten Streifen der Lackierung von 1973 waren 1:1 gemischt blut- und reinorange RAL 2002 und 2004, künftig sind die Streifen verkehrsrot RAL 3020.

403 001

Nach 40 Jahren haben heute üblicherweise Fahrzeuge ihre normale Lebensdauer erreicht – der 403 wirkt nicht nur vom Design her längst nicht zum alten Eisen gehörend und startet Ende 2015 nach über 20 Jahren Verfall wieder durch. Mittelfristig besteht die Option, einen dritten Großraumwagen wieder herzurichten – auch wäre die Wiederinbetriebnahme eines Halbspeisewagens wünschenswert. Die derzeit nicht in Aufarbeitung befindlichen Fahrzeuge bleiben bis auf weiteres abgestellt, welche Perspektive es für diese Fahrzeuge gibt wird abzuwarten sein – in jedem Falle wird in rund einem Jahr der markante Sound der ET 403 wieder ertönen und die großzügigen Abteile und Großräume mit ihren bequemen Sesseln werden wieder zum Reisen einladen – nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft eines modernen Bahnunternehmens.

Fotos in Google Earth © 2014 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben