|
|
|
|
|
1
|
2
|
3
|
4
|
5
|
6 |
7 |
8 |
9 |
10 |
11 |
12 |
13 |
14 |
15 |
16 |
17 |
18 |
19 |
20 |
21 |
22 |
23 |
24 |
25 |
26 |
27 |
28 |
29 |
30 |
31 |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Sonntag, 26. Januar 2014
– Weiße Oberweißbacher Bergbahn
|
|
|
Durch eine Änderung der
Anreise ergab sich nach der Fotofahrt vom Vortag noch die
Möglichkeit, am Sonntag einen weiteren Fototag einzulegen. Bei
einem Blick auf die Landkarte fiel die Oberweißbacher Bergbahn ins
Auge, die ich fast auf den Tag genau ähnlich spontan vor genau 20
Jahren das erste Mal besucht hatte. Im August 2000 entstanden auf der
Durchreise noch ein paar Fotos, seitdem war ich nicht mehr hier.
Eigentlich kaum zu entschuldigen – verbirgt sich hinter der
Oberweißbacher Bergbahn in einer verträumten Landschaft doch
ein eisenbahngeschichtliches Kleinod – geschichtlich eng mit der
Schleizer Kleinbahn, der Leipziger Straßenbahn, der Gothaer
Waggonfabrik, der Niederbarnimer Eisenbahn und der Berliner
S-Bahn verbunden.
Nachdem es gestern in Gotha bereits winterlich zuging, hatte es im
südlichen Thüringer Wald in der Nacht nochmals geschneit und
am Morgen wirkte alles wie ein kleines Winterwunderland, als der 479
203 in den Bf Cursdorf einfuhr.
|
|
|
Die Oberweißbacher Bergbahn
wurde 1923 inmitten mehrerer Wirtschaftskrisen als
Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zur besseren Erschließung der
hochgelegenen Ortschaften Oberweißbach, Lichtenhain, Deesbach und
Cursdorf erbaut und musste seit Anbeginn fast ausschließlich mit
altbrauchbaren Fahrzeugen auskommen – besonders zwei der drei
Triebwagen der Flachstrecke haben eine wechselvolle Geschichte hinter
sich und unterscheiden sich alle trotz der Anfang der 1980er Jahre
vorgenommenen Rekonstruktion und weitgehender technischer
Vereinheitlichung in diversen Details optisch voneinander.
Der 479 203 begann seine Laufbahn im Jahre 1909 als von der
Waggonfabrik P. Herbrand gebauter Triebwagen 209 des Typs 16 der Leipziger Elektrischen
Straßenbahn, ein baugleicher Wagen ist heute noch im Leipziger
Straßenbahnmuseum als Wagen 257 erhalten. 1955 wurde der Wagen im
Raw Gotha der DR für die Oberweißbacher Bergbahn angepasst
und erhielt u.a. Pufferbohlen zum Transport der regelspurigen
Güterwagen. Hier fährt der 479 203 aus dem Bf Cursdorf aus.
|
|
|
Zweimal wurde das Fahrzeug im Raw
Berlin-Schöneweide grundlegend modernisiert, einmal 1963 und ein
zweites Mal 1983/84, wobei der Triebwagen einen neuen
Wagenkasten erhielt und viele Bauteile aus der zeitgleich laufenden
Modernisierung der Berliner Stadtbahntriebwagen zur BR 276 Verwendung
fanden. Für die elektrische Ausrüstung wurden zahlreiche
Komponenten der zweiachsigen Straßenbahnwagen aus dem VEB Waggonbau Gotha
verwendet, welche damals ebenfalls im Raw Berlin-Schöneweide
instandgehalten wurden. Die Triebwagen erhielten bei späteren
Hauptuntersuchungen in Berlin-Schöneweide auch die
"Hauptstadtfarben" der Berliner S-Bahn, welche aber ab 1990 wieder den
klassischen Berliner S-Bahnfarben wichen.
2008 wurden zwei der drei Triebwagen bei den Fahrzeugwerken
Miraustraße in Berlin umfassend instandgesetzt und
nochmals
modernisiert, bei der die Optik der Fahrzeuge unverändert blieb.
Kurz vor dem Bf Cursdorf unterbricht der 479 203 kurz die Stille der
schneebedeckten Landschaft.
|
|
Neuschnee hat stets eine ganz
eigene Stimmung, sowohl vom Licht her, als auch von der Akustik. Er
schluckt viel Schall und wenn ohnehin kaum Verkehr herrscht hört
man in der Senke fast jedes Gespräch auch in weiter Entfernung
fast mit. Der Wanderweg von Cursdorf nach Deesbach war an diesem Morgen
belebt und und so schlich sich auf leisen Sohlen dieser kleine Hund
unbemerkt von hinten heran und machte sich einen Meter vom knieenden,
auf den gerade anfahrenden Triebwagen wartenden Fotografen entfernt
durch ein kurzes "Wuff" bemerkbar. Er
freute sich dann über ein paar Streicheleinheiten und beobachtete
den Fotografen bei Ausübung seiner Tätigkeit noch aufmerksam,
ehe er vom Frauchen zurückgerufen wurde...
|
|
Der Güterverkehr war 1919 ein
zentraler Grund zum Bau der Oberweißbacher Bergbahn, dieser
endete jedoch bereits 1966. Der Güterschuppen in Cursdorf wurde
vor rund 10 Jahren abgerissen, in Oberweißbach-Deesbach
blieb er baulich erhalten –
lediglich der Fahrgastunterstand wich einem Neubau. Die
Fahrleitungsanlage wurde 1979 neu erstellt, nachdem zuvor die an
hölzernen Masten montierte Fahrleitung seitlich versetzte
Stromabnehmer erforderlich machte. 1980 wurde die Oberweißbacher
Bergbahn zum "Denkmal der
Produktions- und Verkehrsgeschichte" erklärt.
|
|
Schon bei meinem ersten Besuch 1994
stand der rechte Fahrleitungsmast so schief in der Landschaft, der
Oberbau der Flachstrecke wurde 2006-08 vollständig erneuert. Die
Triebwagen fahren täglich in einem 30min-Takt zwischen Cursdorf
und Lichtenhain, wo Anschluss an die im gleichen Takt verkehrende
Bergbahn nach Obstfelderschmiede besteht.
In Obstfelderschmiede verkehren im Stundentakt Züge der Schwarzatalbahn, welche
organisatorisch zur Oberweißbacher Bergbahn gehört und im
Gesamtunternehmen als DB RegioNetz,
Oberweißbacher Berg- und Schwarzatalbahn firmiert.
|
|
In Oberweißbach-Deesbach
ist der Scheitelpunkt
der Flachstrecke erreicht, wie hier anschaulich auf der Aufnahme vom
479 203 zu erkennen ist.
|
|
Wieder talwärts ist der 479
203 bei Oberweißbach-Deesbach in
Richtung Lichtenhain unterwegs.
|
|
Eines der markanten Motive der
Oberweißbacher Bergbahn ist die Ausfahrt aus dem Bahnhof
Lichtenhain. Mittlerweile hatte es sich etwas eingetrübt, so dass
nur wenig vom Örtchen Lichtenhain zu erkennen ist.
|
|
Die wohl einzige im Regelbetrieb
mit Reisenden befahrene Drehscheibe Deutschlands ist im Bahnhof
Lichtenhain. Links unter dem Dachgiebel liegt die Bergbahnstation,
davor noch erkennbar der 2008 als Sommerwagen hergerichtete Wagen.
Um Güterwagen einfach auf die
Flachstrecke übergehen lassen zu können, dient die
Drehscheibe im Vordergrund – nach rechts zweigt noch ein Gleis in eine
Halle am Verwaltungsgebäude der Oberweißbacher Bergbahn ab.
Zur Flachstrecke hin verzweigen sich zwei Anschlussgleise, die heute
nur noch als Abstellgleise dienen.
|
|
Gesichert wird die Drehscheibe
durch eine vom Drehscheibenwärter ferngestellte Haltscheibe in der
Bahnhofseinfahrt. Links steht der nicht mehr modernisierte 479 205,
seit 2009 abgestellt. Der 479 205 begann seine Laufbahn als
Beiwagen – 1940 von der Waggonfabrik Wismar unter der
Fabriknummer 21137 für die Niederbarnimer Eisenbahn
gebaut. 1974 wurde der inzwischen als 190 840-9 bezeichnete Wagen in
Berlin-Schöneweide für die Oberweißbacher Bergbahn zum
Steuerwagen 279 202 umgebaut und 1984 erneut analog dem 279 203 (heute
479 203) zum Triebwagen 279 205 umgebaut. Im Hintergrund 479 201, das
einzige 1923 für die Flachstrecke der Oberweißbacher
Bergbahn von der Waggonfabrik Gotha
und Bergmann neu gebaute
Fahrzeug – 1982 in Berlin-Schöneweide als Versuchsträger
modernisiert und entsprechend bis heute optisch abweichend von den
"Serienwagen" 479 203 und 205.
|
|
Ebenfalls 1923 für die
Oberweißbacher Bergbahn neu gebaut wurde Wagen 1, seither nur
leicht – 1959 im Rahmen einer Generalreparatur – verändert. 2002
im Zuge der Bergbahnmodernisierung erhielt der Wagen auf der Bergseite
eine Bühne für acht Fahrräder. Hier verlässt der
Wagen 1 die Bergstation der Oberweißbacher Bergbahn.
|
|
Auf dem Wagen 2 der
Oberweißbacher Bergbahn können Aufsatzwagen transportiert
werden – bis 1966 der Güterverkehr eingestellt wurde eines der
wichtigsten Elemente der Oberweißbacher Bergbahn. Fuhr
früher der Wagen 2 außerhalb des Gütertransports meist
ohne Aufsatzwagen, wird heute stets ein Aufsatzwagen mitgeführt.
In den Wintermonaten und bei schlechtem Wetter ist es der frühere EB
188 513 (Linke-Hofmann
1930) der Kleinbahn Schleiz - Saalburg (Wagen 3), der Wagen wurde 1972
für die Oberweißbacher Bergbahn hergerichtet. Auch heute
noch ist die Transportmöglichkeit für Güterwagen voll
betriebsfähig und kann bei Bedarf im Betrieb vorgeführt
werden, bzw. können die Triebwagen der Flachstrecke für den
Transport über die Schwarzatalbahn ins Tal verbracht werden.
|
|
Die gesamte Bergbahn hat heute
für die Region eine enorme touristische Bedeutung, – so wurde im
Bahnhofsumfeld auch ein kleines Freiluftmuseum errichtet. Die N4b 251129
wurde 1956 an die Zementwerke Karsdorf
geliefert und nach Einsätzen in Gera und Jena 1993 an den Jenaer
Eisenbahn-Verein e. V abgegeben.
|
|
Die von LEW Hennigsdorf 1952 unter
der Fabriknummer 6662 gebaute 600mm-Lok vom Typ 13t ist heute die
älteste erhaltene Lok von LEW und wurde einst an die Glaswerke in
Jena geliefert und bis etwa 1973 eingesetzt. Die Lok steht am Anfang
der Lichtenhainer Waldeisenbahn, einer liebevoll aufgebauten
Schauanlage in 600mm-Feldbahnspur.
|
|
Seit 2007 ist am Bahnhof
Lichtenhain der By-Wagen 50 80 84-33 137-2 als Bistropa aufgestellt und
präsentiert sich auch 2014 in bestem Zustand. Leider scheint das
Bistro derzeit geschlossen zu sein, am Eingang hängt ein Schild
"bis auf weiteres geschlossen" und die Website ist leer.
|
|
|
Die Schwarzatalbahn ist ein
Musterbeispiel, wie eine eigentlich in Deutschland längst
abgeschriebene Nebenbahn mit dem nötigen politischen Willen
weiterbetrieben werden kann – wobei nicht verschwiegen werden darf,
dass dies wohl ausschließlich aufgrund der nahegelegenen
Oberweißbacher Bergbahn geschah und ohne deren Existenz sich auch
die Schwarzatalbahn in die Reihe der unzähligen stillgelegten
Nebenbahnen in Deutschland einreihen täte – wie es bereits 1999
einmal schien, als die Schwarzatalbahn südlich Obstfelderschmeide
stillgelegt wurde und die Sperrung im Mai 2000 auf die Gesamtstrecke
Rottenbach – Katzhütte erweitert wurde.
Vielleicht war es auch nur das kleine Zeitfenster, wo die DB ihre
Mittelstandsoffensive startete und in ganz Deutschland zahlreiche
kleine Tochterunternehmen in mittelständische Führung
entließ, dass die Schwarzatalbahn in der heutigen Form gerettet
werden konnte. 2002 wurde die DB
RegioNetz, Oberweißbacher Berg- und Schwarzatalbahn
gegründet und in der Folge das Gesamtnetz aller drei Teilbereiche
der OBS saniert. Ende 2002 wurde die Schwarzatalbahn auf der
Gesamtstrecke wieder eröffnet und wird seitdem mit zwei
unternehmenseigenen Triebwagen der BR 641 (641 019 und 020) betrieben, die
bei Werkstattaufenthalten von den beiden Ferkeltaxen der OBS, 772 140
und 141, vertreten werden, welche 2006 in Neustrelitz nach den
Wünschen der OBS modernisiert wurden und seitdem
äußerlich wieder im Triebwagenrot der Deutschen Reichsbahn
erstrahlen. Hier fährt der 641 019 aus dem Bf Mellenbach-Glasbach
aus.
|
|
|
Im Bf
Sitzendorf-Unterweißbach mit seinem markanten, restaurierten
Wasserturm finden regelmäßig Zugkreuzungen statt. 641 020
fährt hier gerade aus dem Bahnhof Sitzendorf-Unterweißbach
in Richtung Katzhütte aus.
Die modernisierte und seit 2013 im "technisch
unterstützten Zugleitbetrieb" (TUZ) betriebene Infrastruktur
der Schwarzatalbahn erlaubt auch heute
noch Sonderzüge, während bei zahlreichen noch
erhaltenen Nebenbahnen die Infrastruktur exakt auf das aktuell
gefahrene Zugangebot zugeschnitten ist und dort keinerlei
zusätzliche
Kreuzungsmöglichkeiten vorhanden und damit Zusatzfahrten
möglich sind.
|
|
Fotos
in Google Earth |
©
2014 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de |
Nach
oben |
|