Die Chiemgaubahn – nicht zu verwechseln mit der dampfbetriebenen Chiemseebahn – zweigt in Prien von der Hauptstrecke München – Salzburg ab und führt rd. 10 Kilometer durch das Chiemgau nach Aschau. Auf der eingleisigen Nebenbahn verkehrten seit den Nachkriegsjahren bis 1996 Uerdinger Schienenbusse.

Die DB führte ab 1987 im Nah- und Fernverkehr neue Produkte ein, welche mit einer neuen Farbgebung verbunden waren. War 1975 das ungeliebte ozeanblau/beige noch als Standardfarbgebung für alle Fahrzeuge (mit Ausnahme des erstklassigen TEE-Wagenparks) eingeführt worden – so änderte sich das mit dem neuen lichtgrauen Farbschema. Dieses sollte nur an renovierten Fahrzeugen zur Anwendung kommen, einhergehend mit einem attraktiveren Fahrplanangebot mit neuen Zuggattungsnamen wie CB, RB und RE. 1987 wurde nach dem Vorbild der Kölner CityBahn zunächst die Strecke Neugraben – Stade auf modernisiertes CityBahn-Fahrzeugmaterial in mintgrüner Farbgebung umgestellt.

Als Alternative für stilllegungsbedrohte Nebenbahnen hatte die DB die Chiemgaubahn als Pilotstrecke für RegionalBahnen – dem Nachfolger des klassischen Nahverkehrszuges – ausgewählt. Mittels eines erheblich verdichteten Angebots im Stundentakt und Marketingmaßnahmen wie ein eigenes Logo sollte die Strecke eine neue Perspektive erhalten.

Nach Vorbild der Schienenbusse des Betriebswerkes Hof, welche im Zuge der damaligen Zonenrandförderung im Grenzgebiet zur DDR teilmodernisiert wurden, wurden im Frühjahr 1987 drei Uerdinger Schienenbusse für die Chiemgaubahn modernisiert. Sie erhielten neben der aktuellen Außenfarbgebung neu gepolsterte Sitze, eine Türautomatik sowie die weiteren Einrichtungen für die Einmannbesetzung der Schienenbusse.


798 653 im Bf Prien

Der Zug aus Aschau ist am 6. August 1988 soeben in den Bf Prien eingefahren, zahlreiche Fahrgäste steigen aus dem im Stundentakt verkehrenden Schienenbus aus.   
798 653 im Bf Aschau

Das andere Ende der Chiemgaubahn, der Bahnhof Aschau. Drei Gleise und eine Umsetzmöglichkeit. Seit dem Bau des Bahnhofs 1878 dürfte sich hier 1988 noch nicht viel verändert haben.

Inneneinrichtung Chiemgau-798 653

Die Uerdinger erhielten bei ihrer Modernisierung eine neue Innenraumgestaltung, welche sich allerdings im Gegensatz zu den Silberlingen aufgrund der nur noch zu erwartenden geringen Nutzungszeit auf einen neuen Anstrich und eine aufgefrischte Polsterung beschränkte. Neue Kleider machen Leute, die Schienenbusse sahen im neuen Look ungleich freundlicher aus. 

798 653 bei Umrathshausen

Nahe des Dörfchens Höhenberg passiert der 798 653 mit seinem Steuerwagen 998 896 einen Bahnübergang. Entgegen dem später ohne Modernisierung folgenden Einmannumbaues der meisten verbliebenen Schienenbusse von 798/998 zur neuen BR 796/996 behielten diese Fahrzeuge bis zur Ausmusterung 1997 die ursprüngliche Baureihennummer, obgleich ebenfalls im Einmannbetrieb gefahren.

798 653 beim Umrathshausen

Anfang August 1988 war die Ernte noch nicht eingefahren, als der Zug nahe Umrathshausen in Richtung Prien unterwegs ist. Die Schienenbusse der Chiemgaubahn blieben bis 1996 auf dieser Strecke Stammfahrzeuge, ehe Neubaufahrzeuge der BR 628/928 die Fahrzeuge ablösten. Sie wurden noch einige Monate an die Regentalbahn ausgeliehen, ehe sie im Mai 1997 zur RAB Alb-Bodensee wechselten. Dort werden die drei Fahrzeuge seitdem – ergänzt um weitere Fahrzeuge, welche von der RAB entsprechend umgebaut wurden – mit großem Erfolg als "Ulmer Spatz" eingesetzt.

798 652 bei Umrathshausen, Ort

Ein letztes Foto am Hp Umrathshausen Ort am frühen Abend, 798 653 fährt gen Aschau. Heute, 23 Jahre später, fährt die Nebenbahn noch immer im weitgehenden Stundentakt mit Fahrzeugen der BR 628/928. Sie ist eine unter vielen – zahlreiche Strecken haben seitdem spezielle Namen erhalten.
Die Episode der modernisierten Uerdinger Schienenbussen als Vorläufer der RegionalBahn bleibt eine interessante Facette in der Nebenbahngeschichte der Deutschen Bundesbahn – wo viele Nebenbahnen zuletzt nur noch ein Alibi-Zugpaar hatten, weil Stilllegungen seinerzeit ein enormer, jahrelanger bürokratischer Prozess waren. 

Zur Übersicht © 2011 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben