Ende der 1980er Jahre war die Deutsche Bundesbahn noch eine echte Behördenbahn, die sich zwar nach 1985 mit "Die neue Bahn" ein frisches Image gab und das auch in neuen Farben nach Außen zeigte – doch letztlich war das Unternehmen direktes politisches Instrument. Dafür wurden Strecken nicht einfach abbestellt, sondern langwierige Stilllegungsverfahren durchgeführt – derweil fuhr dann oft nur noch das berüchtigte Alibizugpaar. Es gab auch den Fall, dass man aufgrund politischer Wünsche Verkehre anbieten musste – ein solches Beispiel wurde 1988 in Wiesbaden geschaffen und davon erzählt diese Galerie der Bahnfotokiste.
Nachdem die DB die Landeshauptstadt Wiesbaden im Zuge der Fernverkehrsneuordnung mit Inbetriebnahme der NBS Fulda – Würzburg weitgehend vom IC-Verkehr abkoppeln wollte setzte Hessen bei der DB durch, dass eine zusätzliche IC-Linie 1a geschaffen wurde – welche zwischen Wiesbaden und Mainz verkehrte und in Mainz den Anschluss von und zu den IC-Linien der DB herstellte. Für den Einsatz auf dieser Kurzlinie waren zwei Umläufe vorgesehen für die erstmals im DB-Fernverkehr wendezuggesteuerte Kurzgarnituren vorgesehen waren, welche aus den LHB-Nahverkehrswagen von 1976 umgebaut wurden.
Diese Wagen waren damals vom BZA Minden zusammen mit den Waggonbauern LHB und MBB in 11 Probewagen als mögliche Nachfolger der seit über 20 Jahren baulich nur wenig verändert hergestellten Silberlinge entwickelt und gebaut worden. Nachdem die Wagen 1988 bei Betriebsaufnahme der Linie noch nicht zur Verfügung standen, kamen zunächst je ein Großraumwagen 2. Klasse Bpmz und ein Abteilwagen 1. Klasse Avmz zum Einsatz, welche beidseitig mit Loks der BR 141 bespannt waren, die jeweilige Schlusslok fuhr jedoch stets leer mit. Ab Januar 1989 standen die speziell umgebauten Wagen der Bauarten Apzf209 und Bpmz298 zur Verfügung, die dann planmäßig als Wendezüge fuhren.

Wiesbaden-City

Philosophie der Deutschen Bundesbahn war es ab 1987 zunächst, dass nur moderne oder modernisierte Wagen in die neuen Farben umlackiert wurden und "Die neue Bahn" repräsentieren sollten. Diese sollten stets artrein und nicht im Mischbetrieb mit nicht modernisierten Fahrzeugen verkehren. Da ein einheitliches Erscheinungsbild gewünscht war, wurden entsprechend auch die benötigten Lokomotiven in die neuen Farben umlackiert. Im Falle des Wiesbaden-City betraf dies die 141 200, 230, 401 und 404. Farbrein fährt der Wiesbaden-City mt 141 200 im März 1989 in den Mainzer Hauptbahnhof ein.
Wiesbaden-City

Den Mainzer Hauptbahnhof erkennt man heute nicht mehr wieder. Im März 1989 war die Welt dort jedoch noch beschaulich. Die örtliche Rangierlok in Form von 360 774 wartet auf neue Aufgaben, diverse Gepäckkarren stehen auf dem Bahnsteig herum und noch stehen die Rollbandanzeiger auf dem Bahnsteig.

Wiesbaden-City

Der Wiesbaden-City wird sich um 15.26 Uhr wieder auf den Weg nach Wiesbaden begeben, rechts fährt ein um rd. fünf Minuten verspäteter EC nach Amsterdam aus. Entspannte Szenerie vergangener Tage.

Wiesbaden-City

141 200 verlässt mit ihrem Zug den Hauptbahnhof Wiesbaden. So artrein wie hier auf dem Foto waren die Züge in späteren Jahren meist nicht mehr. Die Wagen waren störanfällig und wurden oft durch Wagen aller Art ersetzt, werbewirksam waren diese Kombinationen nicht mehr. 1995 wurde der eigenständige Wiesbaden-City aufgegeben, nachdem er inzwischen auch regelmäßig Frankfurt/M anlief. Die LHB-Wagen wurden 1998 ausgemustert – ein Mittelwagen steht heute bei der Drainsinenbahn in Marne als Büroraum, die beiden Steuerwagen wurden an die VPS in Salzgitter verkauft, auf deren Streckennetz die Wagen seit Jahren abgestellt stehen.

BR 420

Die S-Bahntriebzüge der BR 420 waren damals Alltag in Wiesbaden, 420 272 fährt als S1 mit dem Ziel Konstablerwache aus dem Wiesbadener Hbf aus.

BR 420

420 262 setzt als Langzug für eine Fahrt auf der S14 in Wiesbaden Hbf ein, im Hintergrund die zweite Garnitur des Wiesbaden-City. 

Wiesbaden-City

141 404 mit dem zweiten Umlauf des Wiesbaden-City. Seit 2002 hat Wiesbaden wieder regelmäßigen IC-Verkehr, derzeit verkehren alle zwei Stunden Züge in Richtung Dresden. Nur zweimal täglich hat Wiesbaden Anschluss an die 2002 in Betrieb genommene Neubaustrecke in Richtung Köln – der aufwendig erstellte NBS-Abzweig ab Breckenheim ist damit die unwirtschaftlichste Hochgeschwindigkeitstrecke in Deutschland: Mo-Fr ganze zwei Zugpaare, am Wochenende findet gar kein Verkehr über die Neubaustrecke statt.

BR 420

420 284 steht in Wiesbaden zur Abfahrt bereit.

Wiesbaden-City

Von den LHB-Steuerwagen gab es lediglich zwei Wagen, beide wurden 1988 für den Wiesbaden-City umgebaut. Es folgten 1993 weitere Mittelwagen für den Wiesbaden-City – zum Teil auch im Originalzustand. Heute wäre eine solche politische Linie wohl nicht mehr denkbar, auch wenn die Politik sicher auch heute die eine oder andere unternehmerische Entscheidung der DB beeinflusst. Der "WC" genannte Pendel bleibt in jedem Fall eines der interessanten Kapitel in der Geschichte des IC-Verkehrs bei der DB.

Zur Übersicht © 2013 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben