Am
2. September 2007 beging die S-Bahn Hamburg ihr 100jähriges
Bestehen. Nun ist es ja so, dass Begriffe gerne weit gedeutet werden,
S-Bahn zum Beispiel. Der Begriff "S-Bahn" wurde 1930 in Berlin erfunden
und setzte sich in der Folge in ganz Deutschland für ein
hochwertiges Stadtverkehrssystem der Eisenbahn in
Ballungsräumen
durch. Nun kann man an der Begriffsfindung sicher keine runden
Jubiläen festmachen, denn danach kann Hamburgs S-Bahn 2007
kaum
älter als 77 Jahre sein. An dieser Stelle ein Seitenhieb auf
Berlin, denn dort wurde 1999 das Jubiläum "75 Jahre Berliner
S-Bahn" gefeiert. Obgleich der Begriff ja erst 1930 – und
direkt
in Berlin – erfunden wurde.
So gesehen
muss man
eisenbahnhistorisch anders herangehen. In Hamburg wurden zu Beginn des
20. Jahrhunderts die Eisenbahnanlagen umgestaltet. Mit diesem
Großprojekt war auch der Aufbau der ersten Hamburger
Eisenbahn
für innerstädtische Erschließung
verbunden –
die Verlängerung der Verbindungsbahn über Hasselbrook
hinaus
über das Arbeiterviertel Barmbek nach Ohlsdorf. Diese
Verbindung
war dem innerstädtischen Verkehr vorbehalten, ergänzt
durch
örtlichen Güterverkehr. Weitere Vorortverbindungen in
Hamburg
waren zuvor auf den Fernverkehrsstrecken angelegt worden. Nur die Strecke Altona –
Blankenese machte hier eine Ausnahme, diese
war
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Zusammenhang mit
dem
Bau der Verbindungsbahn für den Vorortverkehr neu angelegt
worden.
Diese
beiden ausschließlich dem Vorortverkehr dienenden
Streckenäste wurden im Zusammenhang mit der Neugestaltung der
Bahnanlagen in Hamburg zur Elektrifizierung vorgesehen. Diese
Elektrifizierung war zugleich der Versuch der Preußischen
Staatsbahnen, die elektrische Traktion im Großversuch auf
ihre
Tauglichkeit im Bahnbetrieb zu testen.
Damit begann
in Hamburg
im Dezember 1907 mit der Elektrifizierung mittels Oberleitung und 6300
Volt bei 25 Hz Wechselspannung das Zeitalter der modernen, elektrischen
Zugförderung im städtischen Nahverkehr der Eisenbahn.
Auch
die anderen Strecken in Hamburg waren langfristig zur Einbeziehung in
dieses System vorgesehen, doch kamen geschichtliche Entwicklungen wie
der 1. Weltkrieg oder in den
1920er Jahren die Weltwirtschaftskrise
in den Weg. In den 1930er Jahren war die Fahrzeugerneuerung im
bestehenden Stromsystem vorgesehen. Die gigantischen Neubauplanungen
des Dritten Reiches sorgten für ein Umdenken und die
daraus folgende Umstellung der Stammstrecke der heutigen
S-Bahn
auf 1200 Volt Gleichspannung aus einer seitlich bestrichenen
Stromschiene. Bis in die 1950er Jahre sollte es real noch dauern, bis
über die Stammstrecke der S-Bahn hinaus Elektrifizierungen
stattfanden.
Am 2. September 2007 wurde das
100jährige Jubiläum mit einer großen
Fahrzeugparade, Dampfzugfahrten und einem "Tag der offenen Tür" im
S-Bahnwerk
in Ohlsdorf gebührend gefeiert. In dieser Galerie finden Sie
stellvertretend 25 Fotos dieser einmaligen Veranstaltung.
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Am Morgen
des 2. September 2007 wurden die Fahrzeuge zur Parade bereitgestellt.
Bei
dieser Gelegenheit gab es kurzzeitig immer wieder die Möglichkeit,
einzelne besondere
Szenen festhalten zu können.
Hier steht der
Wechselstromzug elT 1624a/b im Werk Ohlsdorf bereit. Die
zunächst vorgesehene nur einseitige Bespannung mit einer
Diesellok musste leider kurzfristig auf beidseitig abgeändert
werden, so dass der Zug auch in Fahrtrichtung Ohlsdorf mit einer Lok
bespannt war.
Bis wenige Tage vor Veranstaltung
war es unsicher, ob der Wechselstromzug überhaupt nach
Ohlsdorf kommen würde, umso mehr freute diese einmalige
Hintereinanderstellung in Ohlsdorf. Die
epochengerecht später folgenden 472 und 474 stehen leider
verdeckt.
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Bereits am
Tag vor der Veranstaltung stand der Preußenzug der
Museums-Eisenbahn Minden zur Verfügung. Kurzfristig wurden am
Sonnabend Stadtrundfahrten mit dem Dampfzug über die
Güterumgehungsbahn eingelegt, welche mit großem
Erfolg durchgeführt wurden.
Hier
durchfährt der Dampfzug unter Volldampf den Bf Barmbek.
Zahlreiche Fahrgäste auf dem Bahnsteig waren sichtlich
überrascht.
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Rund eine
Stunde später durchfuhr die
Überführungsfahrt aus Berlin mit dem "167er" und dem
481 den Bf Barmbek in Richtung Ohlsdorf. Durch eine zeitgleiche Fahrt
der S-Bahn kam es hier zur "Gegenüberstellung" des seltenen
Gastes 478 601 aus Berlin mit einem 474.
Durch die Besonderheiten
der S-Bahn Berlin wurden 1992 die 1995 von der BVG übernommenen
E-DE-Loks als elektrische Triebwagen einsortiert, obwohl die Loks auch
mit einem Dieselmotor ausgerüstet sind. Die Fahrzeugnummer
der 2007 noch eingesetzten Lok ist 478 601, unter 478 sind alle
Betriebsfahrzeuge der S-Bahn
Berlin eingruppiert, egal welcher Bauart.
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In der
Nacht von Donnerstag auf Freitag erreichte der Wechselstromzug 1624 das
Werk Ohlsdorf. Die Restaurierung des Fahrzeuges wurde zuvor vom VVM
forciert, um den Wagen rechtzeitig zum 100jährigen Bestehen
des elektrischen Betriebes präsentieren zu können.
Einzelne
Umstände stellten die Überführung des
Fahrzeuges noch ernsthaft in Frage, aber die Anwesenheit des Fahrzeugs
am Freitag in Ohlsdorf macht alle Mühen fast vergessen.
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Sahnehäubchen
der Veranstaltung in Ohlsdorf war die Gegenüberstellung von ET
167 (Berlin) und ET 171 (Hamburg). Diese beiden Fahrzeugbauarten sind
aufgrund der Systemfragen und der zeitnahen Konstruktion eng
miteinander verwandt. Beim Berliner Fahrzeug war 1937 die elektrische
Ausrüstung jedoch noch nicht so hoch entwickelt, wie beim
Hamburger Fahrzeug 1939.
Unübersehbar ist aber
in Außen- und Innengestaltung die gleiche Zeitepoche.
Während
in Berlin mit den "Rundköpfen" der windschnittige Knick in der
Front Einzug hielt, entschied man sich in Hamburg bewusst dagegen,
zumal im S-Bahnbetrieb kaum bessere Luftwiderstandsbeiwerte erreicht
werden konnten. Erst der ET 170 nahm diese Form ab 1959 auf.
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Zwei markante,
eigenwillige Fahrzeugköpfe. Der
sprichwörtliche "Wagenkasten" des ET99 und die umstrittene
Form des 481. In Hamburg trafen sie wohl einmalig zusammen.
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Ab 10.40
Uhr fand die große Fahrzeugparade von Poppenbüttel
nach Ohlsdorf statt. Angeführt wurde die Parade vom Mindener
Preußenzug. Loks dieser Bauform (hier pr. T11) kamen in
Hamburg bis zur Elektrifizierung auf der Stammstrecke der S-Bahn mit
preußischen Abteilwagen zum Einsatz. Die hier am Zug
befindlichen preußischen Wagen mit offenen Plattformen
entstammen der vorherigen Zeitepoche, waren aber zu Beginn
des 20. Jahrhunderts auch im norddeutschen Raum ein
alltägliches Verkehrsmittel.
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Als zweiter
Zug befuhr der Wechselstromzug elT 1624 a/b die Strecke Ohlsdorf –
Poppenbüttel, vorne die in Kürze abzustellende 333 028,
hinten die 333
104.
Um die erforderliche
Bremsleistung zu erreichen, war die Bespannung mit Kleinloks auf beiden
Seiten des Wechselstromzuges leider nicht zu vermeiden.
Der
elT 1624 a/b ist der einzige restaurierte Vertreter der
Wechselstrom-Ära in Hamburg. Der VVM konnte in den 1970er Jahren
das Fahrzeug zusammen mit einem weiteren Triebwagen (1642 a/b) von der
DB übernehmen, nachdem die Fahrzeuge im Bauzugdienst nicht mehr
benötigt wurden.
Nach der politischen Wende in der DDR
konnte der VVM von der Deutschen Reichsbahn den wohl letzten Vertreter
der Holzbauart mit Oberlichtern anstatt Tonnendach übernehmen.
Dieser Triebwagen wurde von der DR in der DDR ebenfalls als Bauzugwagen
genutzt und ist entsprechend umgebaut worden. Das Fahrzeug ist
unrestauriert in Aumühle abgestellt.
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Der
Museumszug ET/EM 171 082 folgte als dritter Zug, seit 1940 haben diese
Züge das Stadtbild Hamburgs entscheidend mitgeprägt.
Seit
April 2007 steht der Zug betriebsfähig auf Hamburgs
S-Bahngleisen als aufwendig restaurierter Museumszug für
Sonderfahrten zur Verfügung.
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Mit dem 470
128 ist ein weiterer Museumszug aus Hamburgs S-Bahngeschichte auf den
Gleisen der S-Bahn erhalten geblieben. Dieser Zug ist seit Juni 2006
mit Fristablauf abgestellt, mittels einer Tageszulassung konnte der Zug
nochmals mit eigener Kraft an der Veranstaltung teilnehmen.
Eine
erneute Hauptuntersuchung des Zuges ist vorgesehen, erfordert aber
erhebliche Investitionen in das Fahrzeug, so dass vor den
entsprechenden Arbeiten noch viel Hintergrundarbeit nötig ist.
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Mit dem 472
054 nahm ein Vertreter der seit 1974 bei der S-Bahn eingesetzen
Baureihe 472/473 an der Parade teil. Diese Fahrzeuge wurden von 1997
bis 2005 umfassend modernisiert und kommen vsl. noch rund 10 Jahre bei
der S-Bahn Hamburg zum Einsatz.
Seit 2004
reduziert sich ihr Bestand aber schrittweise, nachdem
einzelne Fahrzeuge überzählig wurden. Mittelfristig
sollen 48 Fahrzeuge im Einsatz gehalten werden.
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Mit
den
Zweistromfahrzeugen erreicht die S-Bahn Hamburg ab Dezember 2007
Buxtehude und Stade. In Neugraben wurde in den vergangenen Monaten die
Systemwechselstelle errichtet, bis Dezember 2007 werden die
Bahnhöfe umgebaut bzw. neu errichtet. Letzte Restarbeiten an der
S-Bahnerweiterung werden noch bis Anfang 2009 benötigen. Am 7.
September 2007 wurde die erste S-Bahnfahrt nach Stade mit
Fahrgästen in Form einer Pressefahrt durchgeführt.
Insgesamt neun
Neubauzüge und 33 Umbauzüge wurden zweisystemtauglich
hergerichtet.
Hier fährt 474 114 als
siebtes Paradefahrzeug in Ohlsdorf ein. Der "Einstrom"-474 ist nicht im
Bild festgehalten.
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Als
Abschluss der Parade fuhren die Berliner Gäste mit dem ET 167
führend, E-DE-Lok und 481 am Zugschluss in Ohlsdorf ein. Zum
Potsdamer Platz wird man von Ohlsdorf aus trotz aller
Zweisystemfahrzeuge wohl nie fahren können...
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Nach der
Parade wurden die Fahrzeuge im Werk Ohlsdorf an ihre
Standplätze rangiert.
Deutlich wird auf
diesem Foto der rege Besucherandrang für die Parade bzw. die
anschließend erfolgte Werköffnung.
Die
Summe der an diesem Tag die Veranstaltung besuchenden Besucher
ließ bei einigen Teilnehmern den Gedanken kreisen, ob solche
Marketingaktivitäten nicht ein ebenso nachhaltiges Echo wie
manch andere Medienkampagne erreichen kann.
Wollen
wir hoffen, dass solche Veranstaltungen auch künftig
möglich sein werden, und für alle Bahninteressierten
das richtige bieten können.
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Hier rückt
der ET/EM 171 082 in das Werk ein, natürlich nicht ohne ausgiebig
im
Bild
festgehalten zu werden.
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Zwei
Hingucker waren die aus Nürnberg gekommenen Modelle von ET 171
und 472. Das Modell des ET 171 ist fahrtüchtig gebaut worden,
es spiegelt die Epoche der frühen Bundesbahn wieder. Allerdings
unübersehbar ist die nicht absolut detailgetreue Modellierung.
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Ein
absoluter Hingucker ist dagegen das Modell des 472 001 im Maßstab
1:10.
Dieses Modell ist kompromisslos bis ins kleinste Detail dem
großen Vorbild nachgebildet. Die Inneneinrichtung von
Fahrgastraum und Führerstand ist exakt nachgebildet, alle
Taster sind vorhanden, sogar der Buchfahrplan liegt auf dem
Führertisch. Gebaut wurde das Modell Mitte der 1970er Jahre in
der Lehrwerkstatt in Ohlsdorf. Leider ist dieser Hingucker seit einigen Jahren mit vielen
weiteren Modellen im DB-Museum in Nürnberg eingemottet.
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Dicht
umlagert waren stets die Stände von der Historischen S-Bahn
Hamburg e.V. Im Hintergrund der Berliner Gast esT 3839 (ET 167, zuletzt
277 003).
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In den
Hallen waren Fahrzeuge aller Baureihen ausgestellt, auf den Gleisen 33,
34 und 36 die historischen Gleichstromfahrzeuge aus Hamburg und Berlin.
Stets dicht von Besuchern belagert.
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Ein
weiteres Highlight war das Verkehren des Dampfzuges zwischen Ohlsdorf
und Poppenbüttel im Stundentakt.
Durch ein
Entgegenkommen der Hochbahn konnte ihr Lagerbahnhof für das
Umsetzen der Dampflok und das notwendige Wassernehmen (THW) genutzt
werden.
Hier setzt der Dampfzug zur Fahrt nach
Poppenbüttel aus dem Lagerbahnhof ein.
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Durch die
kostenlose Mitfahrt im Dampfzug war dieser heiß begehrt und
ständig voll. Neben den Fensterplätzen 2. bis 4.
Klasse waren die Plattformen der wohl beliebteste Ort des Zuges. Hier
steht der Zug in Ohlsdorf zur Abfahrt nach Poppenbüttel
bereit.
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Durchfahrt
in Hoheneichen. Unter Volldampf durchfährt der Zug den
Haltepunkt, stets dabei Fotografen. Ob Gelegenheitsfotograf oder Profi
– der Dampfzug war das Highlight und wohl einmalig auf
dieser Strecke.
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In
Poppenbüttel fährt der Preußenzug nach Gleis
2 ein. In Windeseile wird die Dampflok umsetzen und die
Rückfahrt nach Ohlsdorf antreten. Alles mitten im
10-Minutentakt der S-Bahn...
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Natürlich
dicht umlagert waren die Rangierarbeiten in Poppenbüttel. Im
Hintergrund ein abgestellter 472, Fotomotiv war dieser an diesem Tag
höchstens als Beiwerk...
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Abfahrbereit
steht der Dampfzug in Poppenbüttel bereit. Am
Bahnsteiganzeiger steht "S11 Ohlsdorf". Nun, auch der Bergedorf-Express
war seinerzeit als S2 beschildert. Am 2. September 2007 wird somit
letztlich eine
dampfbespannte Express-S-Bahn Ohlsdorf –
Poppenbüttel in die Annalen eingehen...
Ohne
das Engagement der S-Bahn Hamburg GmbH, der Unterstützung von
DB Netz, der MKB, der MEM, der Hochbahn, des THW, des VVM, der S-Bahn
Berlin GmbH, der Historischen S-Bahn e.V., Berlin, und nicht zuletzt
der Historischen S-Bahn Hamburg e.V. und all den ungenannten Helfern
der vorgenannten Institutionen wäre dieser Tag
unmöglich gewesen!
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