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Sonntag, 11. Dezember 2011
– Zeitreise in Sachen Reisekultur
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2012 wird
die Deutsche Bahn AG "volljährig". Vor 18 Jahren trat die DB AG an
die Stelle von Deutscher Reichsbahn und Deutscher Bundesbahn – die
vielgescholtene Behördenbahn hatte ihr Ende gefunden. Wie es bei
Unternehmensgründungen üblich ist, konnte die neue DB AG aus
dem Vollen schöpfen, die Bahn war befreit von allen Altschulden
schuldenfrei gestartet. Der Börsengang war weit weg und die "Neue
Bahn" tat viel, um den Reisenden die Vorteile des privatrechtlichen
Bahnfahrens vorzuführen. Seit Ende
der 1990er Jahre ist vom einstigen Glanz der privatisierten Bahn nicht
mehr
viel übrig geblieben, die Bahn ist wieder hochverschuldet – der
mit
einem straffen Sparprogramm einst vorbereitete Börsengang wurde
unmittelbar vor dem geplanten Termin abgesagt.
Die Probleme im Fernverkehr der Bahn haben
dazu geführt, dass seit
Sommer 2009 historische Fahrzeuge aus dem durch die "DB RegioNetz
Verkehrs GmbH" in Frankfurt übernommenen Bestand des DB Museums im
Fernverkehr aushelfen. Freitags bzw. sonntags verkehrt das Zugpaar IC
2410/17 "Hanseat" zwischen Köln und Flensburg, bespannt in der
Regel mit einer Lok der BR 103. Diese Fahrten waren bereits mehrfach im
Fototagebuch zu sehen, aber mitgefahren waren wir bisher nicht. Das
wollten wir heute ändern und so ging es zunächst über
Umwege via Lübeck und Kiel nach Flensburg und dann in eine kleine
Zeitreise.
In Flensburg hat die Bahnhofshalle viel historisches Flair behalten.
Man muss heute schon über 40 sein, um sich noch an die kleinen
Verkaufsschalter bei der Bundesbahn zu erinnern, wo man anstand und
hoffte, dass der Kunde vorher keinen komplizierten Reisewunsch hatte.
Hinter der Scheibe saß der Beamte und neben ihm stand der
große Schrank, wo der Beamte dann die für die
gewünschte Verbindung passende Druckplatte herausnahm und die
Fahrkarte druckte. In Flensburg sind die früheren Schalter noch
erkennbar, auch die Richtung des Durchganges ist an den
Backsteinklinkern vorgegeben – kunstvoll die Beleuchtung über den
Schaltern.
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Ebenso
kunstvoll
wurde die Verglasung des Flensburger Bahnhofs gestaltet – warum die
links oben eingesetzte Fenstergruppe falsch herum eingesetzt ist, wird
heute wohl kaum noch einer beantworten können.
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Der
Fernverkehr hat sich seit Ende der 1990er Jahre schrittweise aus der
Fläche weitgehend
zurückgezogen, den in
den 1980er und 1990er Jahren von den Staatsbahnen aufwendig
eingeführten und großzügig ausgestatteten InterRegio
gibt es nicht
mehr. Der übrige Fernverkehr wird nach den ICE-Achsproblemen von
Wagenmangel
geprägt, in den Sommermonaten beherrschen Schlagzeilen über
ausgefallene
Klimaanlagen sowie überfüllte und zwangsweise geräumte
ICE die Presse
über die Bahn.
Der Reisende wurde auf seiner Reisekette einst von vielen Eisenbahnern
begleitet, nach dem Fahrkartenkauf wurde das Gepäck am
Gepäckschalter aufgegeben, am Passimeter wurde die Fahrkarte
nochmals geprüft. Für im Zug mitgenommenes Handgepäck
gab es den Gepäckträger, der für kleines Geld das
Gepäck zum Zug brachte. Sein stummer (längst nur noch gegen
Pfand ausleihbarer) Nachfolger aus Stahl gehört inzwischen auch
immer seltener zur Bahnhofsausstattung. In Flensburg dient der alte
Passimeter der örtlichen Bahnhofsbuchhandlung als Werbevitrine.
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Der
Fernverkehrszug der 1980er Jahre: Eine Lok der Baureihe 103, 1. Klasse
und
Speisewagen klimatisiert, die 2. Klasse
aus unklimatisierten
Abteilwagen. Ab Mitte der 1980er Jahre kam der klimatisierte
IC-Großraumwagen 2. Klasse in großen Stückzahlen
hinzu, heute ist der Großraumwagen der Standardwagen im
Fernverkehr. Neue Fahrzeuge werden nur noch als als reine
Großraumwagen beschafft, ein verkürzter Sitzabstand zusammen
mit der 2+2-Sitzanordnung in der 2. Klasse ermöglicht eine – im
Unternehmenssinne – bessere Platzausnutzung.
Die bei den
InterRegio-Wagen angewandte Philosophie der "Sitzlandschaften" und der
angenehmen Raumaufteilung mit nur fünf – gegeneinander versetzten
– Plätzen je Abteil treibt heute jedem Betriebswirtschaftler
der Bahn nur noch Tränen in die Augen. Der IC 2417
"Hanseat" wird in Flensburg von 103 184 zur Fahrt nach Köln
bereitgestellt.
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Der
klassische Schnellzugwagen Bm235 der Deutschen Bundesbahn.
Ausfallsichere Klimaanlage in Form von Übersetzfenstern, welche
hervorragend zum Abschied vom Besuch am Bahnhof genutzt werden
können. Drei Minuten noch bis zur Abfahrt um 12.53 Uhr. Im
modernen Fernverkehr wäre der Bahnsteig bereits weitgehend
leer – nur vereinzelt würde man Versuche sehen, an den Türen
oder durch die verspiegelten Scheiben noch einmal Kontakt zu den
Freunden oder der Familie zu finden.
Rund 10 Jahre nach dem Ausscheiden kehrt einmal in der Woche
der klassische Bundesbahnabteilwagen nochmals in den Alltag zurück
– nicht wenige Reisende machen bei Einfahrt des Zuges große
Augen, was denn da "ihr" Zug ist.
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Wer hat es
nicht noch in Erinnerung? Das regelmäßige "Rumms" der
Türen, wenn der Schaffner mit festem Zug am Griff die
Abteiltür öffnet und bald wieder schließt – das
Zeichen, dass es Zeit ist die Fahrkarten hervorzuholen. Später der
Schaffner mit scharfem Blick eine Nachkontrolle durchführte und
man
als "nicht neu zugestiegen" erkannt wurde.
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Das Abteil
– im Winter wohlige Wärme, die man durch ein in jedem Abteil
vorhandenes Rädchen steuern konnte. Das Abteilfenster – das
im Sommer selbst bei
hohen Temperaturen mit nur einem Spalt Öffnung angenehme
Frischluft verschaffte, bei Regen aus den Ecken
oft Wasserspritzer am Fensterplatz verteilte. Das Fensterbrett – ausklappbar und
einem kurzen Schlag auf die Fläche einrastbar, wo im
Winter stets Zugluft durch die Schlitze zog. Die Leseleuchten – bei
Dunkelheit konnte man auch mit sechs Leuten im abgedunkelten Abteil
sitzen und lesen, während man am Fenster in die Nacht
hinausschaute und etwas in der Dunkelheit sah. Die Gepäckablagen –
wo man sich im Bahnhof immer fürchterlich erschreckte, wenn im
Nachbarabteil der schwere Koffer schwungvoll in der Ablage landete. Die
Sitze – ausziehbar und wunderbar zum Nickerchen geeignet. Die Gardinen
– bestens zum Abschotten geeignet, wenn man das großzügige
Abteil gegen Neueinsteiger verteidigen wollte (und der Schaffner um
einen Spalt für die Sichtkontrolle auf Neueinsteiger bat). Das
Faltblatt (einst "IZB", heute "Ihr Fahrplan") und die Kundenzeitung –
man staunt – das gibt es auch heute noch in allen
Fernverkehrszügen. Aber die
Reisekultur des klassischen
Abteilwagens, die ist unvergessen.
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Der
Speisewagen – in den späten 1990er Jahren als großer
Verlustbringer auf der Streichliste des DB-Managements. Der frisch
ausgelieferte ICE3 musste extra vor Inbetriebnahme der NBS
Köln-Frankfurt umgebaut werden, weil man hier kein Restaurant mehr
haben
wollte – übrig blieb nur ein Bistro. Heute hat die DB hier wieder
zurückgesteuert und baut in künftige Züge wieder echte
Restaurants ein, die Verluste werden dem Marketingbudget zugeordnet.
Vorbei sind aber die Zeiten, wo in den Speisewagen gekocht
wurde. Heute werden nur noch fertig zubereitete Menüs in die
Speisewagen geliefert, die hier aufgewärmt werden.
Die Ausnahme sind die historischen Speisewagen der DB, die
üblicherweise bei den Fahrten des TEE "Rheingold" eine zentrale
Rolle spielen. Hier ist noch eine echte Küche vorhanden, wo die
Speisen vor Ort zubereitet werden. Bei den aktuellen Einsätzen des
Wagens im
IC-Verkehr wird ein kleines Speisenangebot angeboten und
zubereitet. Der Fotograf war bannig erstaunt, als in der Küche
gerade Bratkartoffeln zubereitet wurden. Vielleicht sollte eine weitere
Fahrt mit dem Zug als Essensreise im Speisewagen geplant werden?
Zwischen Flensburg und Hamburg war im Speisewagen noch wenig
Betrieb, was sich zwischen Hamburg und Köln geändert haben
dürfte – hier ist der Zug stets sehr gut nachgefragt.
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Die BR 103 –
nur wenige Lokomotivbaureihen haben es zu einer vergleichbaren
Bekanntheit geschafft. Auch fast 10 Jahre nach dem Ende des
planmäßigen Einsatzes der Baureihe bei der DB ist die Lok
nicht nur bei Eisenbahnfreunden DAS Symbol für den Schnellverkehr
bei der Eisenbahn. Nur von wenigen, aber ebenso legendären,
Baureihen gibt es mehr museal erhaltene Exemplare – 17 Exemplare der BR
103 sind heute noch (meist als Leihgaben des DB Museums an Vereine)
erhalten – rd. 11% der gebauten Lokomotiven.
Der Blick aus dem ersten Wagen auf die Lok und ihre am Zughaken
deutlich sichtbar arbeitende Kraft war stets beliebt, das Motiv ist und
bleibt einzigartig.
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Der Blick
aus dem geöffneten Abteilfenster, in Bahnhöfen stets gerne
genommen. Nicht wenige Eisenbahnfotos in den zahllosen Sammlungen sind
auf diesem Wege entstanden. Die Luft weht um die Nase, in den Kurven
ein Blick auf den oft langen Zug. In Rendsburg gehört der Blick
auf die Hochbrücke mit dazu. Und zum IC '79 die
zahlreichen Fotografen.
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Die
Rendsburger Hochbrücke ist die imposanteste Querung des
Nord-Ostsee-Kanals. Die Eisenbahn fährt innerhalb Rendsburgs eine
Ehrenrunde und befährt rund fünf Minuten nach Abfahrt das
langgezogene Bauwerk, welches eigentlich immer eine
Baustelle ist. Das trübe Wetter des Vormittags hat sich deutlich
aufgeklart, woüber ich hier auch nicht traurig war – eigentlich
herrscht hier gerade völliges Gegenlicht.
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Von der
Hochbrücke hat man eine grandiose Aussicht auf Rendsburg. Im
Hintergrund das Berufsbildungszentrum Rendsburg-Eckernförde. Damit
endet die kleine Reise in vergangene Kultur des Reisens. Es ist fraglos
angenehm, heute keine acht Stunden mehr mit dem Zug von München
nach Hamburg zu brauchen und die modernen Annehmlichkeiten des
Alltags
im Zug nutzen zu können – aber so manch Gutes von einst ist heute
nicht mehr vorhanden, da darf man schon einmal den Nostalgie-Modus
einschalten.
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