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Dezember 2011

1. Dezember 2011 – Auf Gleis 3 hat Einfahrt der DT5
9. Dezember 2011 – 1999-2009: Der gläserne Zug Berlins - Die Panorama-S-Bahn
11. Dezember 2011 – Zeitreise in Sachen Reisekultur








Sonntag, 11. Dezember 2011 – Zeitreise in Sachen Reisekultur

Bf Flensburg

2012 wird die Deutsche Bahn AG "volljährig". Vor 18 Jahren trat die DB AG an die Stelle von Deutscher Reichsbahn und Deutscher Bundesbahn – die vielgescholtene Behördenbahn hatte ihr Ende gefunden. Wie es bei Unternehmensgründungen üblich ist, konnte die neue DB AG aus dem Vollen schöpfen, die Bahn war befreit von allen Altschulden schuldenfrei gestartet. Der Börsengang war weit weg und die "Neue Bahn" tat viel, um den Reisenden die Vorteile des privatrechtlichen Bahnfahrens vorzuführen. Seit Ende der 1990er Jahre ist vom einstigen Glanz der privatisierten Bahn nicht mehr viel übrig geblieben, die Bahn ist wieder hochverschuldet – der mit einem straffen Sparprogramm einst vorbereitete Börsengang wurde unmittelbar vor dem geplanten Termin abgesagt.
Die Probleme im Fernverkehr der Bahn haben dazu geführt, dass seit Sommer 2009 historische Fahrzeuge aus dem durch die "DB RegioNetz Verkehrs GmbH" in Frankfurt übernommenen Bestand des DB Museums im Fernverkehr aushelfen. Freitags bzw. sonntags verkehrt das Zugpaar IC 2410/17 "Hanseat" zwischen Köln und Flensburg, bespannt in der Regel mit einer Lok der BR 103. Diese Fahrten waren bereits mehrfach im Fototagebuch zu sehen, aber mitgefahren waren wir bisher nicht. Das wollten wir heute ändern und so ging es zunächst über Umwege via Lübeck und Kiel nach Flensburg und dann in eine kleine Zeitreise.
In Flensburg hat die Bahnhofshalle viel historisches Flair behalten. Man muss heute schon über 40 sein, um sich noch an die kleinen Verkaufsschalter bei der Bundesbahn zu erinnern, wo man anstand und hoffte, dass der Kunde vorher keinen komplizierten Reisewunsch hatte. Hinter der Scheibe saß der Beamte und neben ihm stand der große Schrank, wo der Beamte dann die für die gewünschte Verbindung passende Druckplatte herausnahm und die Fahrkarte druckte. In Flensburg sind die früheren Schalter noch erkennbar, auch die Richtung des Durchganges ist an den Backsteinklinkern vorgegeben – kunstvoll die Beleuchtung über den Schaltern.

Verglasung

Ebenso kunstvoll wurde die Verglasung des Flensburger Bahnhofs gestaltet – warum die links oben eingesetzte Fenstergruppe falsch herum eingesetzt ist, wird heute wohl kaum noch einer beantworten können. 

Passimeter

Der Fernverkehr hat sich seit Ende der 1990er Jahre schrittweise aus der Fläche weitgehend zurückgezogen, den in den 1980er und 1990er Jahren von den Staatsbahnen aufwendig eingeführten und großzügig ausgestatteten InterRegio gibt es nicht mehr. Der übrige Fernverkehr wird nach den ICE-Achsproblemen von Wagenmangel geprägt, in den Sommermonaten beherrschen Schlagzeilen über ausgefallene Klimaanlagen sowie überfüllte und zwangsweise geräumte ICE die Presse über die Bahn.
Der Reisende wurde auf seiner Reisekette einst von vielen Eisenbahnern begleitet, nach dem Fahrkartenkauf wurde das Gepäck am Gepäckschalter aufgegeben, am Passimeter wurde die Fahrkarte nochmals geprüft. Für im Zug mitgenommenes Handgepäck gab es den Gepäckträger, der für kleines Geld das Gepäck zum Zug brachte. Sein stummer (längst nur noch gegen Pfand ausleihbarer) Nachfolger aus Stahl gehört inzwischen auch immer seltener zur Bahnhofsausstattung. In Flensburg dient der alte Passimeter der örtlichen Bahnhofsbuchhandlung als Werbevitrine.

103 184 mit IC 2417 in Flensburg

Der Fernverkehrszug der 1980er Jahre: Eine Lok der Baureihe 103, 1. Klasse und Speisewagen klimatisiert, die 2. Klasse aus unklimatisierten Abteilwagen. Ab Mitte der 1980er Jahre kam der klimatisierte IC-Großraumwagen 2. Klasse in großen Stückzahlen hinzu, heute ist der Großraumwagen der Standardwagen im Fernverkehr. Neue Fahrzeuge werden nur noch als als reine Großraumwagen beschafft, ein verkürzter Sitzabstand zusammen mit der 2+2-Sitzanordnung in der 2. Klasse ermöglicht eine – im Unternehmenssinne – bessere Platzausnutzung.
Die bei den InterRegio-Wagen angewandte Philosophie der "Sitzlandschaften" und der angenehmen Raumaufteilung mit nur fünf – gegeneinander versetzten – Plätzen je Abteil treibt heute jedem Betriebswirtschaftler der Bahn nur noch Tränen in die Augen. Der IC 2417 "Hanseat" wird in Flensburg von 103 184 zur Fahrt nach Köln bereitgestellt.

Abschied

Der klassische Schnellzugwagen Bm235 der Deutschen Bundesbahn. Ausfallsichere Klimaanlage in Form von Übersetzfenstern, welche hervorragend zum Abschied vom Besuch am Bahnhof genutzt werden können. Drei Minuten noch bis zur Abfahrt um 12.53 Uhr. Im modernen Fernverkehr wäre der Bahnsteig bereits weitgehend leer – nur vereinzelt würde man Versuche sehen, an den Türen oder durch die verspiegelten Scheiben noch einmal Kontakt zu den Freunden oder der Familie zu finden.
Rund 10 Jahre nach dem Ausscheiden kehrt einmal in der Woche der klassische Bundesbahnabteilwagen nochmals in den Alltag zurück – nicht wenige Reisende machen bei Einfahrt des Zuges große Augen, was denn da "ihr" Zug ist.

Fahrkartenkontrolle

Wer hat es nicht noch in Erinnerung? Das regelmäßige "Rumms" der Türen, wenn der Schaffner mit festem Zug am Griff die Abteiltür öffnet und bald wieder schließt – das Zeichen, dass es Zeit ist die Fahrkarten hervorzuholen. Später der Schaffner mit scharfem Blick eine Nachkontrolle durchführte und man als "nicht neu zugestiegen" erkannt wurde.

Reisende

Das Abteil – im Winter wohlige Wärme, die man durch ein in jedem Abteil vorhandenes Rädchen steuern konnte. Das Abteilfensterdas im Sommer selbst bei hohen Temperaturen mit nur einem Spalt Öffnung angenehme Frischluft verschaffte, bei Regen aus den Ecken oft Wasserspritzer am Fensterplatz verteilte. Das Fensterbrett – ausklappbar und einem kurzen Schlag auf die Fläche einrastbar, wo im Winter stets Zugluft durch die Schlitze zog. Die Leseleuchten – bei Dunkelheit konnte man auch mit sechs Leuten im abgedunkelten Abteil sitzen und lesen, während man am Fenster in die Nacht hinausschaute und etwas in der Dunkelheit sah. Die Gepäckablagen – wo man sich im Bahnhof immer fürchterlich erschreckte, wenn im Nachbarabteil der schwere Koffer schwungvoll in der Ablage landete. Die Sitze – ausziehbar und wunderbar zum Nickerchen geeignet. Die Gardinen – bestens zum Abschotten geeignet, wenn man das großzügige Abteil gegen Neueinsteiger verteidigen wollte (und der Schaffner um einen Spalt für die Sichtkontrolle auf Neueinsteiger bat). Das Faltblatt (einst "IZB", heute "Ihr Fahrplan") und die Kundenzeitung – man staunt – das gibt es auch heute noch in allen Fernverkehrszügen. Aber die Reisekultur des klassischen Abteilwagens, die ist unvergessen.

Mahlzeit!

Der Speisewagen – in den späten 1990er Jahren als großer Verlustbringer auf der Streichliste des DB-Managements. Der frisch ausgelieferte ICE3 musste extra vor Inbetriebnahme der NBS Köln-Frankfurt umgebaut werden, weil man hier kein Restaurant mehr haben wollte – übrig blieb nur ein Bistro. Heute hat die DB hier wieder zurückgesteuert und baut in künftige Züge wieder echte Restaurants ein, die Verluste werden dem Marketingbudget zugeordnet. Vorbei sind aber die Zeiten, wo in den Speisewagen gekocht wurde. Heute werden nur noch fertig zubereitete Menüs in die Speisewagen geliefert, die hier aufgewärmt werden.
Die Ausnahme sind die historischen Speisewagen der DB, die üblicherweise bei den Fahrten des TEE "Rheingold" eine zentrale Rolle spielen. Hier ist noch eine echte Küche vorhanden, wo die Speisen vor Ort zubereitet werden. Bei den aktuellen Einsätzen des Wagens im IC-Verkehr wird ein kleines Speisenangebot angeboten und zubereitet. Der Fotograf war bannig erstaunt, als in der Küche gerade Bratkartoffeln zubereitet wurden. Vielleicht sollte eine weitere Fahrt mit dem Zug als Essensreise im Speisewagen geplant werden?
Zwischen Flensburg und Hamburg war im Speisewagen noch wenig Betrieb, was sich zwischen Hamburg und Köln geändert haben dürfte – hier ist der Zug stets sehr gut nachgefragt.

Zugkraft

Die BR 103 – nur wenige Lokomotivbaureihen haben es zu einer vergleichbaren Bekanntheit geschafft. Auch fast 10 Jahre nach dem Ende des planmäßigen Einsatzes der Baureihe bei der DB ist die Lok nicht nur bei Eisenbahnfreunden DAS Symbol für den Schnellverkehr bei der Eisenbahn. Nur von wenigen, aber ebenso legendären, Baureihen gibt es mehr museal erhaltene Exemplare – 17 Exemplare der BR 103 sind heute noch (meist als Leihgaben des DB Museums an Vereine) erhalten – rd. 11% der gebauten Lokomotiven.
Der Blick aus dem ersten Wagen auf die Lok und ihre am Zughaken deutlich sichtbar arbeitende Kraft war stets beliebt, das Motiv ist und bleibt einzigartig.

Ausfahrt

Der Blick aus dem geöffneten Abteilfenster, in Bahnhöfen stets gerne genommen. Nicht wenige Eisenbahnfotos in den zahllosen Sammlungen sind auf diesem Wege entstanden. Die Luft weht um die Nase, in den Kurven ein Blick auf den oft langen Zug. In Rendsburg gehört der Blick auf die Hochbrücke mit dazu. Und zum IC '79 die zahlreichen Fotografen.

Horizonte

Die Rendsburger Hochbrücke ist die imposanteste Querung des Nord-Ostsee-Kanals. Die Eisenbahn fährt innerhalb Rendsburgs eine Ehrenrunde und befährt rund fünf Minuten nach Abfahrt das langgezogene Bauwerk, welches eigentlich immer eine Baustelle ist. Das trübe Wetter des Vormittags hat sich deutlich aufgeklart, woüber ich hier auch nicht traurig war – eigentlich herrscht hier gerade völliges Gegenlicht.

Ausblick

Von der Hochbrücke hat man eine grandiose Aussicht auf Rendsburg. Im Hintergrund das Berufsbildungszentrum Rendsburg-Eckernförde. Damit endet die kleine Reise in vergangene Kultur des Reisens. Es ist fraglos angenehm, heute keine acht Stunden mehr mit dem Zug von München nach Hamburg zu brauchen und die modernen Annehmlichkeiten des Alltags im Zug nutzen zu können – aber so manch Gutes von einst ist heute nicht mehr vorhanden, da darf man schon einmal den Nostalgie-Modus einschalten.

Fotos in Google: Maps Earth © 2011 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben