In den Jahren nach der Wende fuhr ich öfter zu den Schmalspurbahnen in der früheren DDR – ein Auto besaß ich in den diesen Jahren nicht, entsprechend ging es dorthin entweder mit der Bahn oder mit anderen Hobbykollegen im Auto. Im September 1991 ergab sich mit einem vom Zivildienst her bekannten Hobbykollegen anlässlich Dreharbeiten die Möglichkeit in den Harz fahren. Die noch bis kurz nach der Wende mit Rangier- und Güterzugdiensten beschäftigte 99 6101 sollte nochmals auf den inzwischen nicht mehr bedienten Anschlüssen in Hasserode fahren. Eine kleine Reise zu den Harzer Schmalspurbahnen vor der Übernahme durch die Kommunen, mit Betrieb der heute in dieser Form auch längst Geschichte ist.

199 891 im Bf Stiege

199 891 im Bahnhof Stiege. Bereits am Tag zuvor waren wir im Harz auf der Selketalbahn auf Tour, die Diesellokomotiven der BR 199.8 tauchten unvermittelt auf – feste Umlaufpläne waren zumindest uns unbekannt. Damals waren diese Leistungen verpönt, nur Dampf zählte. Heute – 21 Jahre später – gibt es nicht wenige Fans, deren Herz höher schlägt, wenn ein Harzkamel wegen Triebwagenmangel vor Personenwagen gespannt werden muss.
199 891 war damals 13 Jahre alt und gerade ein Jahr auf Schmalspur umgebaut. Ein gutes Jahr später wurde die Lok an die Harzer Schmalspurbahnen (HSB) übergeben und 1998 an Adtranz verkauft. Heute fährt die Lok bei der Augsburger Localbahn unter der Nummer 43 wieder auf Regelspurgleisen im Güterverkehr.
99 7237 im Bf Straßberg (Harz)

Straßberg (Harz) war bis 1984 Endstation für die Züge aus Richtung Alexisbad. Die Strecke nach Stiege war 1946 als Reparationsleistung abgebaut worden und bis dahin nicht wieder aufgebaut worden. An diesem Abend wartet ein einzelner Reisender auf den von 99 7237 bespannten Personenzug gen Stiege.
99 247 im Bf Wernigerode-Westerntor

Am folgenden Morgen war das Wetter nicht mehr so prächtig wie am Vortag, später zog auch Regen auf. Mit den letzten Sonnenstrahlen des Tages fährt 99 247 in den Bf Wernigerode-Westerntor ein – die Lok fuhr bereits seit längerer Zeit unter ihrer alten Nummer 99 247, das Lokschild hatte aber zunächst einen falschen (Vorkriegs-)Schrifttyp erhalten. Inzwischen war dieser Fehler behoben und die Lok fuhr mit den korrekten Spitzziffern. Mit Inbetriebnahme der Triebwagen wurde die Lok fünf Jahre später im Oktober 1996 abgestellt und steht seitdem im Schuppen Gernrode abgestellt. Das Signal So 10 "Aschkasten schließen" erinnert an frühere Zeiten und findet sich heute wohl nur noch an Museumsbahnen.
99 6101 im Bf Wernigerode-Westerntor

Eigentlich sollte die speziell für die Filmaufnahmen nochmals in Betrieb genommene "Rollbocklok" 99 6101 einen entsprechenden Zug bespannen, wurde aber diesen Morgen im Rangierdienst eingesetzt. Während die Filmer natürlich wenig begeistert waren und erstmal um Klärung bemüht waren, war mir das relativ egal – Einsätze im normalen Rangierdienst gefielen mir auch.
99 6101 im Bf Wernigerode

Nachdem die Lok im Bf Wernigerode wieder angekommen war waren offenbar die Fronten geklärt, die Lok wurde im Bw gedreht und machte sich mit einem Packwagen wieder auf den Weg nach Westerntor. Hier ist nach dem Bau des "Altstadtkreisels" praktisch nichts mehr wiederzuerkennen.
99 6101 im Umladebahnhof Wernigerode

Das Wetter hatte sich eingetrübt, als 99 6101 nochmals in den Umladebahnhof fuhr, um mehrere Güterwagen in der inzwischen ausgedienten Rollbockanlage am Elmowerk auf die alten Görlitzer Rollböcke zu fahren. Rechts am Bildrand einer der speziellen Bremswagen, welche am Beginn und Ende eines Rollbockzuges angekuppelt wurden. Heute steht hier die moderne Wagenhalle der HSB.
99 6101 im Umladebahnhof Wernigerode

99 6101 an der Rangiererbude im Umladebahnhof.
Bw Wernigerode-Westerntor

Für eine dampflokbetriebene Schmalspurbahn ziemlich viel Diesel im Bw Wernigerode-Westerntor... Unmittelbar vor der Wende begann der Umbau von zunächst 10 Diesellokomotiven der BR 110 zu Schmalspurlokomotiven der BR 199.8 – mit der Wende änderten sich die Rahmenbedingungen und die weiteren 20 zum Umbau vorgesehen Loks wurden nicht mehr zu Schmalspurloks. Die Harzer Schmalspurbahnen wandelten sich rasch zur touristisch geprägten Bahn, die letzten regelmäßigen Güterverkehre endeten. Die 199.8 waren zum Fremdkörper geworden, Touristen konnte man mit diesen Loks nicht begeistern. So standen die meisten Loks oft arbeitslos abgestellt – hier zwei hinter der Baumusterlok 199 301, welche für eine indonesische Serie im Harz erprobt worden war und von der DR übernommen wurde.
Während der Verbleib der hier vor sich hin dampfenden 199 879 nach dem Verkauf an Adtranz unbekannt ist, ist die weiter rechts stehende 199 877 noch heute in Nordhausen abgestellt vorhanden, allerdings in nicht mehr sonderlich vorzeigbarem Zustand. 199 301 steht seit Mitte der 1990er Jahre im Ilfelder Schuppen abgestellt. Von ehemals drei bei den HSB vorhandenen Schmalspur-Kö ist heute noch die 199 011 als Rangierlok in Wernigerode im Einsatz.
99 6101 im Bf Wernigerode-Westerntor

99 6101 hat ihren Rollbockzug zusammengestellt und fährt in den Bf Wernigerode-Westerntor ein, auf den Bremswagen gut zu sehen die als Ballast dienenden Betonblöcke. Da der Zug ansonsten ungebremst ist, wurden die Görlitzer Rollböcke stets nur im Stadtgebiet von Wernigerode und Nordhausen eingesetzt.
99 6101 in Hasselfelde

99 6101 ist nochmals in den Anschluss Papierfabrik in Wernigerode-Hasserode eingefahren, soweit er noch befahrbar war.
99 6101 in Hasserode

99 6101 drückt aus dem Anschluss wieder in das Streckengleis, die längere Nichtbefahrung zeigt sich am reichlichen Grün an Kessel- und Güterwagen.
996101 und 199 874 im Bf Wernigerode-Hasserode

Die Bedienung der Anschlüsse in Wernigerode-Hasserode fiel leider aus, da der Weichenschlüssel auf wundersame Weise nicht aufzutreiben war, nach den Erfahrungen vom Vormittag bleibt natürlich die Frage, ob damals alles zufällig so lief. Egal, 99 6101 wird nach dem von 199 874 bespannten Personenzug umsetzen und wieder in Richtung Wernigerode aufbrechen.
Die 199 874 ist als eine von drei 199.8 noch heute betriebsfähig und wurde für die Beförderung der modernen Rollböcke der Bauart Vevey umgebaut, mit denen vornehmlich Schotterzüge befördert werden. Bei diesem Umbau wurde die Dampfheizung entfernt, eine Funkfernsteuerung eingebaut und die Lok erhielt an erhöhter Stelle die Zug- und Stoßeinrichtungen der Regelspur, da auch Lok und Wagen auf den modernen Rollböcken über diese Einrichtung ganz normal gekuppelt werden.

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© 2012 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben