Als es im Februar 1991 zu einer mehrtägigen Tour in den Harz ging, war gerade das Betriebskonzept eines Herrn Giesecke als vorgeblicher Vertreter von enteigneten Alt-Eigentümern der NWE in aller Munde, welcher den Schmalspurbahnbetrieb im Harz auf den wieder aufzunehmenden Brockenverkehr reduzieren wollte und alle anderen Strecken des Harzer Schmalspurnetzes stilllegen wollte.
Eisenbahner, Bevölkerung und die neuen Kommunen waren in heller Aufregung und keiner wusste, wie es weitergehen sollte. Vergleichsmodelle gab es damals nicht und so war dem Giesecke-Konzept eine breite Bühne geboten – mit entsprechend fraglichen Perspektiven für die Mitarbeiter. Heute wissen wir, dass die Harzer Schmalspurbahnen ab 1992 in geordnete Bahnen gelenkt wurden und dass das Gesamtnetz in einem erfreulichen Gesamtbild erhalten blieb. Damals war dies aber keinesfalls selbstverständlich, viele oft windige Geschäftemacher verdienten sich im Vakuum der Nachwendejahre eine goldene Nase und manches Privatisierungsprojekt sollte sich später als Problemfall herausstellen, wie rund 15 Jahre später der Betrieb des Rasenden Rolands auf Rügen.


114 862 Ellrich

Die "Einreise" in das Dampfland erfolgte über den früheren Grenzübergang Ellrich, von dem im Hintergrund noch eine Grenzpostenbrücke zu erkennen ist. Gen Westen fährt die 114 862, ein kurzer Gruß der beiden Eisenbahner. Die üblichen Pilzleuchten reichten in den Grenzbahnhöfen nicht aus, Ausleger beleuchteten auch die abgewandten Seiten der Gleise.
99 7242

Vom strahlenden Sonnenschein des Vortages ist nichts übrig geblieben, als sich die 99 7242 mit ihrem Personenzug auf den Weg in Richtung Hochharz macht und die Westerntorkreuzung in Wernigerode passiert. Die 99 7242 ist seit einigen Jahren abgestelt und im Lokschuppen Benneckenstein hinterstellt. Rollierten in den ersten Jahren des reduzierten Lokbestandes noch die abgestellten Maschinen, so sind nach Rahmen- und Zylindererneuerung zehn Lokomotiven der Reihe 9923-24 für den langfristigen Betrieb im Harz ertüchtigt und die 99 7242 nicht mehr für eine Wiederinbetriebnahme vorgesehen.
Nicht wenige Aufnahmen aus der damaligen Zeit fallen heute durch so ziemlich alle Raster von vorzeigenswerten Fotos. Doch fast 25 Jahre später sind nicht wenige Fotos Zeugen einer heute kaum mehr nachvollziehbaren Zeit der ungeübten Verschmelzung zweier deutscher Staaten aus verschiedenen Systemen.
Zur mangelnden Erfahrung des noch fast jugendlichen Fotografen gesellt sich eine Ausrüstung, die den damaligen Möglichkeiten entsprach und deren Vorlage als Dia man heute keinem Besuch mehr zeigen möchte. Die aktuellen Möglichkeiten der elektronischen Bildbearbeitung führen nicht selten zu erstaunlichen Ergebnissen. Und aus Fotoaktionen, die man fast entsorgen möchte entstehen noch vorzeigbare Dateien – wo man heute bei vergleichbaren Lichtverhältnissen nur noch ein müdes Lächeln zur passenden Belichtung übrig hätte.
99 7234

99 7234 passiert das Einfahrsignal A vom Bahnhof Westerntor und in Kürze die Malzmühle. Die 99 7234 gehört nach der Rahmenerneuerung auch künftig zu den betriebsbereiten Loks der HSB.
99 247

Die 99 247 wurde bereits zu DDR-Zeiten als Traditionslok ausgewählt und verblieb im damaligen Bauzustand, was auch den Erhalt der Einrichtungen der Saugluftbremse umfasste. Mit dem typografisch nicht korrekten Nummernschild 99 247 fiel die im Regelbetrieb eingesetzte Traditionslok auf, 1996 wurde die Lok – nicht mehr benötigt – abgestellt.
2012 fiel der Entschluss die in Gernrode hinterstellte Lok – mit neuem Rahmen und neuen Zylindern ausgestattet – wieder in Betrieb zu nehmen. Leider entfielen dabei die Ausrüstungen, die die Lok als Traditionslok behalten hatte. 99 247
passiert die Kirchstraße in Wernigerode-Hasserode.
199 891

Der kurz vor der Wende angelaufene Serienumbau von Loks der Reihe V100 für die Schmalspurbahnen im Harz wurde nach der Wende gestoppt, da absehbar war, dass für die Loks so oder so kein langfristiges Einsatzfeld mehr bleiben würde. Ein künftig vornehmlich touristisch ausgerichteter Betrieb würde entweder mit Dampfloks oder – wie von Herrn Giesecke gewollt – mit modernen Triebwagen gefahren werden. Mit den Folgen der Währungsunion brach zudem der Güterverkehr im Harz zusammen, so dass auch dieses Einsatzgebiet fast vollständig entfiel.
Zu den zehn fertiggestellten Loks der BR 199.8 gehörte die 199 891, die 1998 an Adtranz verkauft wurde und nach Rückbau zur Regelspurlok heute als Lok 43 bei der Augsburger Localbahn GmbH im Einsatz steht. Im Februar 1991 dient die Lok in Wernigerode als Rangierlok und zieht den angekommenen Personenzug in die Abstellung.
199 301

Anfang der 1990er Jahre wurde im Harz noch intensiv rangiert und die Deutsche Reichsbahn hielt zu diesem Zweck entsprechend ausreichend Rangierloks vor. Dazu gehörte 1991 auch noch die 199 301, eine 1965 vom VEB Lokomotivbau „Karl Marx“ in Babelsberg als Muster für eine Serie von 20 Diesellokomotiven für die Indonesischen Staatsbahnen (PKNA) gebaute Lok, wobei die 20 Serienloks in Kapspur (1.067mm) ausgeführt wurden.
Die Lok hatte zunächst einen Motor MB 836 B von Maybach mit 350 PS und ein Voith-Getriebe. Spätestens seit den 1970er Jahren war die Lok jedoch mit Motor und Getriebe aus DDR-Produktion ausgestattet, 1989 wurde nach Angaben der Interessengemeinschaft Harzer Schmalspurbahnen (es gibt bezüglich der Leistungsdaten der Lok im Netz divergierende Angaben) nochmals ein neuer Motor mit nur noch 220 PS eingebaut. Seit spätestens 1997 ist die Lok nicht mehr betriebsfähig, mangels Bedarf ist die Lok im Lokschuppen Ilfeld hinterstellt.
199 301

Während heute im Regelverkehr feste Zugstämme eingesetzt werden, waren damals regelmäßig Rangierbewegungen zu beoabachten. Hier wurde ein Wagen in Wernigerode-Westerntor abgekuppelt und wird nun von 199 301 in das Bahnbetriebswerk Westerntor gebracht.
99 7231

Im Hochharz im Drängetal bot viele Jahre ein nach einem Waldbrand gerodeter Bereich beste Fotomotive. Erst seit rund fünf Jahren ist der Bereich nach der Aufforstung wieder weitgehend zugewachsen. Die 99 7231 schied im Jahr 2001 aus dem Bestand aus, nachdem zahlreiche Leistungen von Triebwagen übernommen worden waren. Die in früheren Jahren zusammen mit 99 7233 im Güterverkehr strapazierte Lok steht seitdem in Ilfeld abgestellt und wird wiederholt in Zusammenhang mit einer Aufstellung als Denkmal in einem Kreisverkehr in Wernigerode genannt.
99 7234

Im Februar 1991 ist noch in Schierke Endstation für die Züge der Brockenbahn. Immerhin liegt Schierke seit rund einem Jahr nicht mehr im Sperrgebiet – dennoch fuhren damals nur wenige Züge täglich nach Schierke. Hier verlässt die 99 7234 den Bf Drei Annen Hohne.
Eisfelder Talmühle

Längst ist in Eisfelder Talmühle für fast alle Dampfzüge Endstation, den Betrieb weiter nach Ilfeld und Nordhausen haben Triebwagen übernommen – lediglich am Nachmittag verlässt noch ein Dampfzug den Bahnhof in Richtung Nordhausen. Die durch die Triebwagen überzählig gewordene 99 7233 ist seit dem Jahr 2000 abgestellt und im Lokschuppen Ilfeld hinterstellt.
99 7238

Südlich Eisfelder Talmühle führt die Harzer Schmalspurbahnen durch das enge Beretal, hier die 99 7238 auf der Fahrt nach Nordhausen. Die 99 7238 war noch bis ins Jahr 2014 betriebsbereit und wurde nach Aufarbeitung der 99 247 mit Fristablauf abgestellt.
Eisfelder Talmühle

99 7236 passiert aus Nordhausen kommend das Beretal. Der Güterverkehr ist im Februar 1991 bereits weitgehend eingestellt, dennoch sind dem Zug nach Wernigerode zwei leere Rollwagen und ein Niederbordwagen beigestellt.
199 861

Die 199 861 kommt aus dem Selketal nach Eisfelder Talmühle gefahren. Die noch fast werksfrisch strahlende Lok ist aktuell als eine von drei V100 bei den HSB betriebsbereit und verfügt als einzige über einen Heizkessel, um auch im Winter im Personenverkehr aushelfen zu können.
99 7235

99 7235 erreicht aus Alexisbad kommend Harzgerode und nimmt die letzte Steigung vor dem Bahnhof mit Volldampf. Längst sind die Reste der Anschlussgleise in Harzgerode verschwunden. Die 99 7235 erhielt im Sommer 2014 nochmals eine Kessel-HU – in spätestens vier Jahren ist aber mit Abstellung auch dieser Lok zu rechnen, da die inzwischen letzte Lok mit altem Rahmen nicht für eine Erneuerung vorgesehen ist.
99 7235

Mit dem nächsten Zugpaar erreicht die 99 7235 den Bf Harzgerode. Die Feuerwache links ist inzwischen umfangreich modernisiert, die Industrieanlagen rechts sind neuen Einkaufstempeln gewichen.
99 7235

Nichts los in Harzgerode. 99 7235 hat umgesetzt, das Personal hat die Lok angekuppelt und wird in Kürze bei der Aufsicht für einen Kaffee einkehren.
Mägdesprung

Das Selketal ist nach seiner Trennung von der Harzquerbahn 1946 durch Abbau großer Teile der Selketalbahn seit 1984 wieder mit der Harzquerbahn verbunden. Die Strecken dort liegen im Schatten der Harzquer- und Brockenbahn, haben aber ein nicht weniger reizvolles, verträumtes Streckennetz zu bieten. In den frühen 1990er Jahren mussten die Interessengemeinschaft Harzer Schmalspurbahnen e.V. und der Freundeskreis Selketalbahn e.V. viele Mühen aufbringen, dass die Strecken abseits des Brockens erhalten bleiben und auch heute noch täglich mit Dampfzügen befahren werden.
Als 99 7237 im Februar 1991 von Gernrode kommend Mägdesprung ereicht, waren die Weichen zum Erhalt der Selketalbahn noch längst nicht gestellt und der Gesamtbetrieb wurde noch mit Dampflokomotiven bzw. auch mit den Dieselloks der BR 199.8 gefahren. Wer sich heute – fast 25 Jahre später – die Züge im Selketal anschaut, gewinnt einen Eindruck davon, dass täglicher Eisenbahnbetrieb
im Selketal (möglichst mit täglichem Dampfbetrieb) längst keine Selbstverständlichkeit ist. Der Brockenbetrieb alleine fährt zwar – wie schon 1991 erwartet – Gewinne ein, doch reicht dieser Gewinn nicht aus, um auch das restliche Netz des Touristenmagneten "Harzer Schmalspurbahnen" eigenwirtschaftlich betreiben zu können.
Skl

Damals nicht selten im Netz anzutreffen waren die Bahndienstfahrzeuge der DR. Viele Baumaßnahmen wurden im Betrieb und ohne eigenen frei verfügbaren Transporter durchgeführt und entsprechend war arbeitstäglich immer mit dem unerwarteten Erscheinen der Schwerkleintriebwagen (Skl) zu rechnen. Hier hat der Skl Mägdesprung in Richtung Sternhaus-Haferfeld verlassen.
112 643

Seinerzeit bestand in Gernrode Anschluss an die Strecke Quedlinburg – Frose, die Gütergleise waren noch rege genutzt. Die 112 643 wartet in Gernrode auf Abfahrt nach Frose, während die Dampfschwaden von wohliger Wärme in den Rekowagen zeugen. Auch keine Spur vom heute allgegenwärtigen Unkraut, das nach dem Verbot von Diuron allerorten Besitz von den Gleisanlagen nimmt.
112 643

112 643 fährt aus dem Bf Gernrode gen Frose aus. Im Juni 2003 beschädigte ein Brand das benachbarte Stellwerk Ballenstedt – die DB führte keine Instandsetzungsmaßnahmen mehr durch, sondern betrieb mit Erfolg die Stilllegung der Strecke. Ende Januar 2004 fuhr der letzte Zug zwischen Gernrode und Quedlinburg. Heute sind die Regelspurgleise zwischen Gernrode und Frose stillgelegt und zu blühenden Landschaften geworden.
Immerhin konnte bis Juni 2006 der bereits vor dem Brand diskutierte Anschluss der HSB nach Quedlinburg realisiert werden. Anstelle des zunächst geplanten Dreischienengleises wurde das einige Jahre zuvor auf Betonschwellen erneuerte Regelspurgleis aufgenommen und als Meterspurgleis neu errichtet. Über den Zwischenhalt Bad Suderode ist die HSB nun direkt mit Quedlinburg verbunden.

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© 2014 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben