Die Strecke Murnau – Oberammergau war eisenbahngeschichtlich stets etwas Besonderes. Als private Eisenbahn von der Lokalbahn Aktien-Gesellschaft (LAG) Ende des 19. Jahrhunderts angelegt und im Jahre 1900 in Betrieb genommen, wurde 1905 der elektrische Betrieb mit 5.000 Volt und 16 Hz Wechselspannung aufgenommen. Aus dieser Elektrifizierung sollte einige Zeit später das endgültige System der Fernbahnelektrifizierung in Deutschland entwickelt werden.
Für den Güterverkehr und später auch den Personenverkehr beschaffte die LAG insgesamt fünf elektrische Lokomotiven, welche alle mehr oder weniger große Unterschiede aufwiesen, alle Lokomotiven sind 2011 noch vorhanden. Die E 69 01 steht in der
Lokwelt Freilassing, dem Depot des Deutschen Museums in München. Diese Lok war von der DB 1954 bei Umstellung der Strecke Murnau – Oberammergau auf das Stromsystem 15 kV, 16⅔ Hz nicht mehr umgebaut worden, sie wurde zunächst vor dem AW München-Freimann als Denkmal aufgestellt und später dem Deutschen Museum übergeben. Die E 69 04 steht in Murnau als Denkmal – sie entstand aus 1922 aus einer Hälfte der SIEMENS-Drehstromversuchslok von 1902. Die andere Hälfte der Lok wurde bis in die 1980er Jahre von der Siemensbahn in Berlin genutzt und steht heute im Deutschen Technikmuseum in Berlin. 1909 bzw. 1912 folgten für dem Personenverkehr die E 69 02 und 03, 1930 als letzte im Bunde die E 69 05 – wieder speziell für den Güterverkehr konzipiert. 169 002, 003 und 005 verkehrten bis 1981 auf der Ammergaubahn. Die 169 002 und 003 wurden 1985 von der DB für das große Jubiläum betriebsfähig hergerichtet und im Bw Garmisch stationiert. Die 169 005 wurde 1981 an das Bayerische Localbahnmuseum in Bayerisch Eisenstein verkauft.
Seit der Ausmusterung der E 69 1981 sind die Loks noch mehrmals auf ihre einstige Stammstrecke zurückgekehrt, die Strecke Murnau – Oberammergau war stets ein beliebtes Ziel von Sonderfahrten mit historischen und modernen Zügen. Im Juli 2002 wurden auf der Ammergaubahn Murnau – Oberammergau die Triebwagen der BR 426 eingeführt, was DB Regio Bayern zum Anlass nahm, auf dieser Strecke den modernen Fahrzeugen die Fahrzeuge der ersten Generation gegenüber zu stellen. Die beiden Loks E 69 03 (im Jahr 2000 vom
Bayerischen Eisenbahnmuseum in Nördlingen wieder betriebsfähig hergerichtet) und 169 005 (drei Tage vor der Veranstaltung am 24. Juli 2002 nach über 20 Jahren erstmals wieder zugelassen) bespannten am 27. Juli 2002 fünf Regionalbahnpaare anstelle des üblichen DB-Zuges.

110 236 in München Hbf

Das Wetter zeigte sich am 27. Juli 2002 zunächst leider überhaupt nicht von seiner Sommerseite, es war am Morgen regnerisch. Die blau lackierte 110 228 des Bh Stuttgart war an diesem Sonnabend sicher nicht zufällig vor den Zug nach Garmisch-Partenkirchen gespannt, der eine oder andere Mitarbeiter bei DB Regio Bayern wusste im richtigen Moment lenkend einzugreifen... Die letzten Halbgepäckwagen der DB hielten sich noch im Dienst und ermöglichten die stilvolle Anreise nach Murnau im klassischen Abteilwagen. Links rollt einer der frisch abgenommenen Triebwagen der BR 425 in den Starnberger Flügelbahnhof ein. Die BR 424-426 war lange aufgrund Problemen mit den Transformatoren und dem Nachweis der Sicherheit der Schweißnähte ohne Zulassung abgestellt.
169 005 in Murnau

Die beiden E 69 hatten sich bei Ankunft in Murnau auf den Gütergleisen bereits zur ersten Fahrt nach Oberammergau bereit gemacht und werden von zahlreichen Fotografen bildlich festgehalten.

E 69 03 in Oberammergau

Die schrittweise Reduzierung der Gleisinfrastruktur der Ammergaubahn hatte bereits zur Stilllegung aller Nebengleise im Bf Oberammergau geführt, einschließlich aller Umsetzmöglichkeiten. Ein Betrieb mit lokbespannten Zügen war seitdem nur noch mit Steuerwagen oder im Sandwichbetrieb möglich. Die Bahnhofsanlagen in Oberammergau waren 2002 noch weitgehend intakt – heute würde hier ein großer Supermarkt im Weg stehen, welcher auf das Bahnhofsgelände gesetzt wurde. Die Regionalbahnen fahren seitdem vom ganz hinteren Gleis ab.

169 005 in Oberammergau

Für die Bevölkerung war die Wiederkehr der E 69 natürlich ein Event. Die Züge waren voll, neben den planmäßigen Reisenden – die entsprechend überrascht waren – fuhren zahlreiche begeisterte Anwohner und Besucher mit den historischen Wagen mit. Die Schilder an den Prellböcken und die Bahnsteiglängen zeugen noch von früheren glanzvollen Zeiten, wo die Ammergaubahn gerade zu den Passionspielen eine wichtige Rolle in An- und Abreise gespielt hat.

169 005 in Altenau

169 005 hat Altenau verlassen.

E 69 02 in Seeleiten-Berggeist

E 69 03 zieht ihren Zug die Steigung bei Seeleiten-Berggeist hinauf – lautstark nachgeschoben von der 169 005, dessen Tatzlagermotore einen unverwechselbaren Sound erzeugen.

169 005 in Unterammergau

In Unterammergau war noch lange ein Stellwerk örtlich besetzt – als Deckungssignal für den Bahnübergang in Unterammergau aus Richtung Murnau stand hier ein Formsignal. Das Wetter hellte sich inzwischen merklich auf, für eine Aufnahme bei Sonnenschein reichte es hier leider noch nicht.

E 69 03 in Jägerhaus

Bei Jägerhaus schien die Sonne endlich von Himmel, als E 69 03 gen Murnau fährt. An dieser Stelle sei nochmal in Erinnerung gerufen, hier verkehrt ein planmäßiger Zug der Deutschen Bahn AG. ;-)

169 005 in Jägerhaus

Ebenfalls bei Jägerhaus ist 169 005 in Gegenrichtung unterwegs, den Wolkenkrimi gewann diesmal erfreulicherweise der Zug. Die auf der Strecke nach Oberammergau noch stehenden originalen Masten und Ausleger werden seit 2011 von der DB schrittweise durch neue Masten aus Beton ersetzt. Nach der Totalreduzierung der Streckeninfrastruktur für den ausschließlich planmäßigen Betrieb werden nun auch die Fahrleitungsmaste ersetzt. Vom einstigen Gesicht dieser hochinteressanten Localbahn wird dann kaum mehr etwas übrig sein, die 169 005 kehrte zwar 2004 nochmals auf diese Strecke zurück – seit einigen Jahren ist dieser historische Betrieb aber nicht mehr möglich. Eine E 69 auf ihrer Hausstrecke wird man wohl nicht wieder erleben können.

E 69 03 bei Oberammergau

Trotz kurzer Sonnenabschnitte hielten sich die Wolken im Ammergau hartnäckig. E 69 03 verlässt vor prächtiger Alpenkulisse den Bahnhof Oberammergau, welcher von einer Trapeztafel gesichert wird.

169 005 bei Seeleiten-Berggeist

Die letzte Begegnung bei schönster Abendsonne nochmals bei Seeleiten-Berggeist, als 169 005 unüberhörbar den Zug gen Murnau nachschiebt.

Zur Übersicht © 2011 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben