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Sonntag, 13. Oktober 2019
– Finale: Schnellzugdampf, Ferkeltaxi und ICE in der Prignitz
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Dunkle Wolken ziehen über dem
Eisenbahnnetz in der Prignitz auf – 2000 bzw. 2015 wurden vom
Land Mecklenburg-Vorpommern im Bereich der
Prignitz wesentliche Teile des
Schienenpersonennahverkehrs abbestellt. Das einst umfangreiche
Gleisnetz rund um die Mecklenburgische Seenplatte wird damit ggf. schon
im
kommenden Jahr fast komplett Geschichte sein. In
Zeiten des Stichworts Klimawandel
und der beabsichtigten Stärkung
des ÖPNV wirkt die Landesverkehrspolitik wie aus der Steinzeit –
dem Vernehmen nach sind die Omnibusunternehmen in der Kommunalpolitik
gut vernetzt, was am Ende in Deutschland nicht nur einer Bahn
die Existenz gekostet
hat.
Die Mecklenburgische Südbahn
ist in MV das jüngste Opfer. Die
Infrastruktur ist in gutem Zustand, noch aus DDR-Zeiten stammende
Bahnübergangssicherungen wurden erst kurz vor der Abbestellung
erneuert. Im Frühjahr 2015 war Schluss, auch wenn das zuletzt
auf der Südbahn verkehrende Unternehmen HANSeatische Eisenbahn
GmbH (HANS) noch einige Wochen
eigenwirtschaftlichen Verkehr angeboten hat.
Die wie die HANS zur ENON GmbH
& Co.KG gehörende RegioInfra
Gesellschaft mbH & Co. KG (RIG)
hat die Infrastruktur auch nach April 2015 bereitgehalten,
zog aber zu Jahresbeginn 2019 die Notbremse und leitete das
förmliche Stilllegungsverfahren für die Strecken Priemerburg
– Karow – Meyenburg und Parchim – Karow – Malchow ein, nachdem die
Landespolitik keinen Willen zur Bestellung von – ggf.
touristischen – Verkehren an der Mecklenburgischen Seenplatte erkennen
ließ und weiter lässt.
Umleiter im Güterverkehr auf dem Prignitzer Netz blieben
bis Frühjahr 2019 trotz aller Angebote aus, erst die Sperrung des
Bf Waren(Müritz) hat im Frühjahr 2019 Umleiter über
Karow nach Malchow auf das RIG-Netz gebracht – welche dem Vernehmen
nach im Dezember 2019 auslaufen sollen.
Die Verbindung Parchim – Lübz – Karow profitiert von diesen
Verkehren nicht und nach Wochen ohne jeden Verkehr ist
der Sonderzug der IG Schienenverkehr
Ostfriesland von Wismar nach
Wittenberge zum dortigen Herbstfest im Museumsbahnbetriebswerk der
erste Zug der die Mecklenburgische Südbahn wieder
befährt.
35 1097 passiert mit ihrem Sonderzug den 1991 zur Haltestelle
degradierten früheren Bahnhof Zarchlin, welcher 1994 zum
Haltepunkt ohne Weichen
und schließlich 1996 aufgelassen wurde. Der Zustand der
Infrastruktur täuscht, seit Ende April 2015 ruht
hier der Betrieb – in wenigen Monaten dürfte hier
die endgültige Stilllegung, Sperrung und Abbau der Anlagen
bevorstehen.
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Zu DDR-Zeiten verließen den
Bahnhof
Karow neben dem Reisezugverkehr täglich rund 50
Güterzüge auf insgesamt fünf Streckenzweigen. Die
Bahnsteige in Karow ermöglichten lange Reisezüge, welche
einst auf den Hauptstrecken der DR alltäglich waren. Zuletzt
verkehrten hier im Zweistundentakt nur
noch einzelne zweiachsige LVT/S,
seit Ende April 2015 ist das
Signalklappern in Karow endgültig verstummt. 35 1097 reißt
mit ihrer Ausfahrt den früheren Eisenbahnknoten noch einmal kurz
aus seiner Lethargie
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Nur mit viel lokalem Engagement
konnte die auf brandenburgischem Gebiet liegende Verbindung Meyenburg –
Pritzwalk (– Kyritz) gerettet
werden. Aktuell ist die Verbindung vom
Land und den Landkreisen Prignitz und Ostprignitz-Ruppin
bis zumindest 2025 bzw. 2028 abgesichert
– was Investitionen seitens der RIG ermöglicht, welche derzeit den
Abschnitt Pritzwalk – Kyritz modernisiert und die besetzten
Betriebsstellen Wutike und Bölzke
auflassen wird.
35 1019 passiert mit ihrem Sonderzug aus Wismar in der Einfahrt des Bf
Pritzwalk die Infrastrukturgrenze zwischen DB und RIG, der Zug wird in
Kürze auf der Trasse des gründlich modernisierten Prignitz-Express
nach Wittenberge weiterfahren.
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Auch wenn das Herbstfest der Dampflokfreunde
Salzwedel e.V. in Wittenberge lockte, war das
anschließende Ziel Neustrelitz. Hier hatte sich für heute
der letzte noch betriebsfähige ICE-TD der DB, der aus dem Triebzug
605 017/517 bestehende advanced
TrainLab für einen Kurzbesuch angekündigt. Dieser soll
die kommenden Tage zwischen Meyenburg und Karow Messfahrten machen und
besuchte vorab die Hafenbahn Neustrelitz.
Vorhut des Besuchs war der 172 001/601 des DB Museums, welcher beim Verein Hafenbahn
Neustrelitz e.V. (HBN) beheimatet ist und im Mai 2019
eine neue Hauptuntersuchung erhalten hat. Hier bringt der Zug die vom
Hauptbahnhof in Neustrelitz anreisenden Gäste zum Hafenbahnhof und
befährt als „Straßenbahn“ die Useriner Straße.
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1985 war der ICE ein
elektrisierendes Schlagwort. Er stand für das Reisen in der
Zukunft, besaß eine innovative Inneneinrichtung und war für
350 km/h zugelassen. Heute sind die ICE1 die Oldtimer des
Schnellverkehrs
der DB und stehen in einigen Jahren zum Ersatz an.
Um die Jahrtausendwende versuchte die DB auch auf
nichtelektrifizierten Strecken den ICE-Standard einzuführen und
entwickelte neben den elektrischen ICE-T den dieselelektrischen ICE-TD
– am Ende wurden die Züge eines der dunkleren Kapitel der
deutschen Bahngeschichte. Nach der vom Eisenbahnbundesamt (EBA)
angeordneten Stilllegung 2003, zwei
Jahre nach der Inbetriebnahme, wurden 2006 einige Fahrzeuge für
den WM-Verkehr wieder in Betrieb genommen und ab Ende 2007 schrittweise
in den EC-Verkehr (Berlin –)
Hamburg – Kopenhagen gebracht. Die DB beendete die
Kooperation mit der DSB 2016, Anfang Oktober 2017 verkehrte der letzte
ICE-TD zwischen Hamburg und Kopenhagen.
Die verbliebenen – rund 15 Jahre alten – ICE-TD wurden von der DB zum
Verkauf angeboten, exotische Käufer wurden genannt – aber bis
heute kam kein Verkauf zustande. Die 605 017 und 019 werden DB-intern
weitergenutzt, der 605 017 wurde dabei als advanced TrainLab
betriebsfähig hergerichtet und wird als Versuchsträger
vielfältiger Innovationen im Bahnbetrieb genutzt, er kam u.a. auch
auf der ebenfalls nicht mehr im regulären Verkehr befahrenen
Strecke Annaberg-Buchholz – Schwarzenberg zum Einsatz. Die Strecke soll
langfristig als sächsische Regelspurmuseumsbahn
erhalten bleiben und wird zugleich als Erprobungsstrecke für den
autonomen Zugverkehr genutzt – am Ende ein
Winwin-Geschäft für beide Seiten.
Die Anreise des ICE-TD,
für den Fahrgastbetrieb kein Innovationsträger mehr,
mobilisierte in Neustrelitz wie einst vor rund 35 Jahren beim ICE-V im
Westen Deutschlands die
örtliche Bevölkerung. Hier befährt er die Useriner
Straße und
Autos halten respektvoll Abstand.
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Auf der 1927 in Betrieb genommenen
und heute im Eigentum des Vereins HBN befindlichen Neustrelitzer
Hafenbahn
kann man die Eisenbahn hautnah erleben, der ICE-TD fährt entlang
des Spielplatzes …
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… und entlang des Hafenbeckens. Wie
vor über 150 Jahren in den Großstädten zwischen den
Bahnhöfen der einzelnen Bahngesellschaften üblich sichern
Posten die Fahrt des Ungetüms ab. Wohl kaum einer der Initiatoren
hat diesen Auflauf erwartet, das im Kopf kreierte Motiv ICE-TD vor
Hafenkulisse war obsolet – zu dicht umlagert der Zug.
Der Fotograf wurde während der Zugverfolgung zu Fuß mehrmals
als „der neue Krüger“ angesprochen.
Die Form der Ansprache
ließ vermuten, dass man hier ungewollt Assoziationen zu einem
Neustrelitzer Urgestein weckte. Und in der Tat führte eine
Websuche zum 2019 verstorbenen Neustrelitzer Fotografen Herbert
Krüger, dessen Markenzeichen eine stets mitgeführte Leiter
war.
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Einst industriell genutzes Gebiet,
hat sich der Hafen Neustrelitz in den letzten 20
Jahren zum sanierten Wohnviertel gewandelt. An der Zierker
Nebenstraße
war ein Fototermin zwischen dem Gast ICE-TD und dem heimischen LVT
vorgesehen. Stand der 172 001/601 bereits für den Fototermin
bereit, musste der advanced TrainLab noch
passend drapiert werden – der Posten sichert die letzten Meter.
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Beim anschließenden
Fototermin waren die
Eisenbahnfahrzeuge wie Popstars umlagert. Gegen die Aufnahmewinkel der
modernen Kameras – die heute fast jeder in Form des Smartphones stets
dabei hat – kommt
man nicht an. Ein Versuch eines Eisenbahners, Abstand zu schaffen
verlief kläglich im Sande. Nun, fotografieren wir eben die
Popstars und ihre Fans auf der Neustrelitzer Hafenbahn.
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Steht man selbst ratlos im
Hintergrund, hilft die Tröte der Eisenbahn ungemein. Der
Fototermin ist beendet, zahllose Selfies sind im Kasten. Plötzlich
ist die Bahn frei für den ICE-TD auf ungewohnten Pfaden.
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Entlang des Neustrelitzer
Hafenbeckens
und den ehemaligen Speichergebäuden geht es zurück. Am Hafen
können Interessierte den advanced
TrainLab noch zur
Besichtigung entern.
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Die Fachkunde eines an
exponierter Stelle wartenden Fotografen war schnell entlarvt, als die
Frage kam ob er denn gezogen oder geschoben wird. Nun,
üblicherweise beziehen die Fahrzeuge dieser Form ihre Energie aus
der Fahrleitung – da kann es für den wartenden Fotografen schon
zum Rätsel werden, wie der Zug sich denn gleich bewegen wird. Wie
soll das denn erst bei den kommenden Hybridfahrzeugen werden? 605 517
verlässt ohne Zug- oder Schubfahrzeug den
Hafen und bahnt sich seinen Weg zur Useriner Straße und weiter in
Richtung Prignitz.
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Mitte Oktober lässt das Licht
ab 17 Uhr merklich nach – die Überführung des advanced
TrainLab in sein Einsatzgebiet der kommenden Tage war jedoch reizvoll,
da die vorgesehenen Versuchsfahrten außerhalb von Bahnhöfen
stattfinden sollen. In Verbindung mit der aktuellen Vorhersage für
den Rest des Tages war der Bahnhof Malchow potentielles Ziel der
Überführung.
Ein halbe Stunde vor Sonnenuntergang passiert der 605 517 den 2012 im
PV stillgelegten Bahnhof Malchow, dessen Verkehrshalt durch einen
ortsnahen Neubau
ersetzt wurde. Im Frühjahr 2019 fielen im Zuge von
Rationaliserungsmaßnahmen u.a. alle Signale und die Weichen
wurden auf Handbetrieb umgebaut.
Der zwischen Malchow und
Waren(Müritz) verkehrende LVT/S 504 001 wartet im Bahnhof Malchow
auf Durchfahrt des 605 517, ehe er nach Bedienung der
Handweichen zum in der
Ausfahrt nach Karow liegenden Haltepunkt
Inselstadt Malchow rangieren konnte.
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Fotos
in Google Earth |
©
2019 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de |
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