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3. Oktober – Abschiedsrunde für den Doornkaat-Express
13. Oktober – Finale: Schnellzugdampf, Ferkeltaxi und ICE in der Prignitz
26. Oktober – Zeitreise auf der Sauschwänzlebahn I
27. Oktober – Zeitreise auf der Sauschwänzlebahn II
28. Oktober – VT11.5 vor dem Ende






Sonntag, 13. Oktober 2019 – Finale: Schnellzugdampf, Ferkeltaxi und ICE in der Prignitz

35 1097

Dunkle Wolken ziehen über dem Eisenbahnnetz in der Prignitz auf – 2000 bzw. 2015 wurden vom Land Mecklenburg-Vorpommern im Bereich der Prignitz wesentliche Teile des Schienenpersonennahverkehrs abbestellt. Das einst umfangreiche Gleisnetz rund um die Mecklenburgische Seenplatte wird damit ggf. schon im kommenden Jahr fast komplett Geschichte sein. In Zeiten des Stichworts Klimawandel und der beabsichtigten Stärkung des ÖPNV wirkt die Landesverkehrspolitik wie aus der Steinzeit – dem Vernehmen nach sind die Omnibusunternehmen in der Kommunalpolitik gut vernetzt, was am Ende in Deutschland nicht nur einer Bahn die Existenz gekostet hat.
Die Mecklenburgische Südbahn ist in MV das jüngste Opfer. Die Infrastruktur ist in gutem Zustand, noch aus DDR-Zeiten stammende Bahnübergangssicherungen wurden erst kurz vor der Abbestellung erneuert. Im Frühjahr 2015 war Schluss, auch wenn das zuletzt auf der Südbahn verkehrende Unternehmen
HANSeatische Eisenbahn GmbH (HANS) noch einige Wochen eigenwirtschaftlichen Verkehr angeboten hat.
Die wie die HANS zur ENON GmbH & Co.KG gehörende RegioInfra Gesellschaft mbH & Co. KG (RIG) hat die Infrastruktur auch nach April 2015 bereitgehalten, zog aber zu Jahresbeginn 2019 die Notbremse und leitete das förmliche Stilllegungsverfahren für die Strecken Priemerburg – Karow – Meyenburg und Parchim – Karow – Malchow ein, nachdem die Landespolitik keinen Willen zur Bestellung von – ggf. touristischen – Verkehren an der Mecklenburgischen Seenplatte erkennen ließ und weiter lässt.
Umleiter im Güterverkehr auf dem Prignitzer Netz blieben bis Frühjahr 2019 trotz aller Angebote aus, erst die Sperrung des Bf Waren(Müritz) hat im Frühjahr 2019 Umleiter über Karow nach Malchow auf das RIG-Netz gebracht – welche dem Vernehmen nach im Dezember 2019 auslaufen sollen.
Die Verbindung Parchim – Lübz – Karow profitiert von diesen Verkehren nicht und nach Wochen ohne jeden Verkehr ist der Sonderzug der IG Schienenverkehr Ostfriesland von Wismar nach Wittenberge zum dortigen Herbstfest im Museumsbahnbetriebswerk der erste Zug der die Mecklenburgische Südbahn wieder befährt.
35 1097 passiert mit ihrem Sonderzug den 1991 zur Haltestelle degradierten früheren Bahnhof Zarchlin, welcher 1994 zum Haltepunkt ohne Weichen und schließlich 1996 aufgelassen wurde. Der Zustand der Infrastruktur täuscht,
seit Ende April 2015 ruht hier der Betrieb – in wenigen Monaten dürfte hier die endgültige Stilllegung, Sperrung und Abbau der Anlagen bevorstehen.

35 1097

Zu DDR-Zeiten verließen den Bahnhof Karow neben dem Reisezugverkehr täglich rund 50 Güterzüge auf insgesamt fünf Streckenzweigen. Die Bahnsteige in Karow ermöglichten lange Reisezüge, welche einst auf den Hauptstrecken der DR alltäglich waren. Zuletzt verkehrten hier im Zweistundentakt nur noch einzelne zweiachsige LVT/S, seit Ende April 2015 ist das Signalklappern in Karow endgültig verstummt. 35 1097 reißt mit ihrer Ausfahrt den früheren Eisenbahnknoten noch einmal kurz aus seiner Lethargie

35 1097

Nur mit viel lokalem Engagement konnte die auf brandenburgischem Gebiet liegende Verbindung Meyenburg – Pritzwalk (– Kyritz) gerettet werden. Aktuell ist die Verbindung vom Land und den Landkreisen Prignitz und Ostprignitz-Ruppin bis zumindest 2025 bzw. 2028 abgesichert – was Investitionen seitens der RIG ermöglicht, welche derzeit den Abschnitt Pritzwalk – Kyritz modernisiert und die besetzten Betriebsstellen Wutike und Bölzke auflassen wird.
35 1019 passiert mit ihrem Sonderzug aus Wismar in der Einfahrt des Bf Pritzwalk die Infrastrukturgrenze zwischen DB und RIG, der Zug wird in Kürze auf der Trasse des gründlich modernisierten Prignitz-Express nach Wittenberge weiterfahren.

172 001

Auch wenn das Herbstfest der Dampflokfreunde Salzwedel e.V. in Wittenberge lockte, war das anschließende Ziel Neustrelitz. Hier hatte sich für heute der letzte noch betriebsfähige ICE-TD der DB, der aus dem Triebzug 605 017/517 bestehende advanced TrainLab für einen Kurzbesuch angekündigt. Dieser soll die kommenden Tage zwischen Meyenburg und Karow Messfahrten machen und besuchte vorab die Hafenbahn Neustrelitz.
Vorhut des Besuchs war der 172 001/601 des DB Museums, welcher beim Verein Hafenbahn Neustrelitz e.V. (HBN) beheimatet ist und im Mai 2019 eine neue Hauptuntersuchung erhalten hat. Hier bringt der Zug die vom Hauptbahnhof in Neustrelitz anreisenden Gäste zum Hafenbahnhof und befährt als „Straßenbahn“ die Useriner Straße.

605 017

1985 war der ICE ein elektrisierendes Schlagwort. Er stand für das Reisen in der Zukunft, besaß eine innovative Inneneinrichtung und war für 350 km/h zugelassen. Heute sind die ICE1 die Oldtimer des Schnellverkehrs der DB und stehen in einigen Jahren zum Ersatz an.
Um die Jahrtausendwende versuchte die DB auch auf nichtelektrifizierten Strecken den ICE-Standard einzuführen und entwickelte neben den elektrischen ICE-T den dieselelektrischen ICE-TD – am Ende wurden die Züge eines der dunkleren Kapitel der deutschen Bahngeschichte. Nach der vom Eisenbahnbundesamt (EBA) angeordneten Stilllegung 2003, zwei Jahre nach der Inbetriebnahme, wurden 2006 einige Fahrzeuge für den WM-Verkehr wieder in Betrieb genommen und ab Ende 2007 schrittweise in den EC-Verkehr (Berlin –) Hamburg – Kopenhagen gebracht. Die DB beendete die Kooperation mit der DSB 2016, Anfang Oktober 2017 verkehrte der letzte ICE-TD zwischen Hamburg und Kopenhagen.
Die verbliebenen – rund 15 Jahre alten – ICE-TD wurden von der DB zum Verkauf angeboten, exotische Käufer wurden genannt – aber bis heute kam kein Verkauf zustande. Die 605 017 und 019 werden DB-intern weitergenutzt, der 605 017 wurde dabei als advanced TrainLab betriebsfähig hergerichtet und wird als Versuchsträger vielfältiger Innovationen im Bahnbetrieb genutzt, er kam u.a. auch auf der ebenfalls nicht mehr im regulären Verkehr befahrenen Strecke Annaberg-Buchholz – Schwarzenberg zum Einsatz. Die Strecke soll langfristig als sächsische Regelspurmuseumsbahn erhalten bleiben und wird zugleich als Erprobungsstrecke für den autonomen Zugverkehr genutzt – am Ende ein Winwin-Geschäft für beide Seiten.
Die Anreise des ICE-TD, für den Fahrgastbetrieb kein Innovationsträger mehr, mobilisierte in Neustrelitz wie einst vor rund 35 Jahren beim ICE-V im Westen Deutschlands die örtliche Bevölkerung. Hier befährt er die Useriner Straße und Autos halten respektvoll Abstand.

605 017

Auf der 1927 in Betrieb genommenen und heute im Eigentum des Vereins HBN befindlichen Neustrelitzer Hafenbahn kann man die Eisenbahn hautnah erleben, der ICE-TD fährt entlang des Spielplatzes …

605 017

… und entlang des Hafenbeckens. Wie vor über 150 Jahren in den Großstädten zwischen den Bahnhöfen der einzelnen Bahngesellschaften üblich sichern Posten die Fahrt des Ungetüms ab. Wohl kaum einer der Initiatoren hat diesen Auflauf erwartet, das im Kopf kreierte Motiv ICE-TD vor Hafenkulisse war obsolet – zu dicht umlagert der Zug.
Der Fotograf wurde während der Zugverfolgung zu Fuß mehrmals als
der neue Krüger“ angesprochen. Die Form der Ansprache ließ vermuten, dass man hier ungewollt Assoziationen zu einem Neustrelitzer Urgestein weckte. Und in der Tat führte eine Websuche zum 2019 verstorbenen Neustrelitzer Fotografen Herbert Krüger, dessen Markenzeichen eine stets mitgeführte Leiter war.

605 017

Einst industriell genutzes Gebiet, hat sich der Hafen Neustrelitz in den letzten 20 Jahren zum sanierten Wohnviertel gewandelt. An der Zierker Nebenstraße war ein Fototermin zwischen dem Gast ICE-TD und dem heimischen LVT vorgesehen. Stand der 172 001/601 bereits für den Fototermin bereit, musste der advanced TrainLab noch passend drapiert werden – der Posten sichert die letzten Meter.

605 517 und 172 601

Beim anschließenden Fototermin waren die Eisenbahnfahrzeuge wie Popstars umlagert. Gegen die Aufnahmewinkel der modernen Kameras – die heute fast jeder in Form des Smartphones stets dabei hat – kommt man nicht an. Ein Versuch eines Eisenbahners, Abstand zu schaffen verlief kläglich im Sande. Nun, fotografieren wir eben die Popstars und ihre Fans auf der Neustrelitzer Hafenbahn.

605 517 und 172 601

Steht man selbst ratlos im Hintergrund, hilft die Tröte der Eisenbahn ungemein. Der Fototermin ist beendet, zahllose Selfies sind im Kasten. Plötzlich ist die Bahn frei für den ICE-TD auf ungewohnten Pfaden.

605 517

Entlang des Neustrelitzer Hafenbeckens und den ehemaligen Speichergebäuden geht es zurück. Am Hafen können Interessierte den advanced TrainLab noch zur Besichtigung entern.

605 517

Die Fachkunde eines an exponierter Stelle wartenden Fotografen war schnell entlarvt, als die Frage kam ob er denn gezogen oder geschoben wird. Nun, üblicherweise beziehen die Fahrzeuge dieser Form ihre Energie aus der Fahrleitung – da kann es für den wartenden Fotografen schon zum Rätsel werden, wie der Zug sich denn gleich bewegen wird. Wie soll das denn erst bei den kommenden Hybridfahrzeugen werden? 605 517 verlässt ohne Zug- oder Schubfahrzeug den Hafen und bahnt sich seinen Weg zur Useriner Straße und weiter in Richtung Prignitz.

605 517

Mitte Oktober lässt das Licht ab 17 Uhr merklich nach – die Überführung des advanced TrainLab in sein Einsatzgebiet der kommenden Tage war jedoch reizvoll, da die vorgesehenen Versuchsfahrten außerhalb von Bahnhöfen stattfinden sollen. In Verbindung mit der aktuellen Vorhersage für den Rest des Tages war der Bahnhof Malchow potentielles Ziel der Überführung.
Ein halbe Stunde vor Sonnenuntergang passiert der 605 517 den 2012 im PV stillgelegten Bahnhof Malchow, dessen Verkehrshalt durch einen ortsnahen Neubau ersetzt wurde. Im Frühjahr 2019 fielen im Zuge von Rationaliserungsmaßnahmen u.a. alle Signale und die Weichen wurden auf Handbetrieb umgebaut.
Der zwischen Malchow und Waren(Müritz) verkehrende LVT/S 504 001 wartet im Bahnhof Malchow auf Durchfahrt des 605 517, ehe er nach Bedienung der Handweichen zum in der Ausfahrt nach Karow liegenden Haltepunkt Inselstadt Malchow rangieren konnte. 

Fotos in Google Earth © 2019 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben