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3. Oktober – Kurz nach Aumühle
9. Oktober – Verkehrshistorischer Tag 2016
14. Oktober – Dies und das unter der Woche
15. Oktober – Tramfantag im Hannoverschen Straßenbahnmuseum
23. Oktober – Leichenschmaus in der Prignitz
29. Oktober – Herbstspaziergang in Hamburg





Sonntag, 23. Oktober 2016 – Leichenschmaus in der Prignitz

798 610

Nachdem am 29. Juli nunmehr endgültig der Personenverkehr von Pritzwalk nach Putlitz eingestellt wurde, kehrte über der wohl letzten klassischen Nebenbahn Deutschlands Ruhe ein. Güterverkehr findet hier seit über 20 Jahren nicht mehr statt, so dass die Trasse seit Juli brach liegt. Aktuell ist noch kein Stilllegungsantrag nach § 11 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) gestellt, so dass die Strecke aktuell noch bei Bedarf befahrbar ist. Für 2017 ist jedoch zumindest eine Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit und der Streckenklasse zu erwarten.
So bestand im Oktober nochmals die Gelegenheit zu Fotofahrten, wobei dieses Jahr der Goldene Oktober zumindest im Norden weitgehend ausfiel. Wie bis Ende Juli 2016 steht 798 610 im früheren Keilbahnhof Putlitz und heutigen Streckenendpunkt zur Fahrt in Richtung Pritzwalk bereit, Reisende im Nahverkehr werden hier nicht mehr einsteigen – der Zug fährt nur noch im bestellten Sonderverkehr. Im Empfangsgebäude ist die Hanseatische Eisenbahn GmbH (kurz HANS) beheimatet, welche den verbliebenen Schienenpersonenennahverkehr in der Prigntz abseits des Prignitz-Express betreibt.

798 610

Alles sieht aus wie immer seit 20 Jahren, als der frühere DB-Lokführer Thomas Becken mit einem Uerdinger Schienenbus den Betrieb mit der Prignitzer Eisenbahn GmbH (PEG) aufnahm und u.a. 1999 im SPIEGEL dafür gewürdigt wurde. Später waren es bis zu zwölf Schienenbusse – nach einer erfolgreichen Expansion auch zahlreiche moderne Triebwagen und diverse Diesel- und E-Loks. Nach dem Verkauf der PEG an ARRIVA kehrte der Gründer zu den Wurzeln zurück und übernahm 2010 die Eisenbahngesellschaft Potsdam mbH (EGP), welche zunächst nur im Güterverkehr aktiv war. Die EGP-Tochter Hanseatische Eisenbahn GmbH (HANS) weilt nun wieder am Stammsitz des 1995 gegründeten Unternehmens.

Bf Putlitz

Der kleine Signalgarten mit einer in den Hausfarben der PEG gehaltenen Dampflokachse am früheren Postenhäuschen des Abzweiges nach Suckow (bzw. bis zum Abbau 1945 nach Parchim) ist gepflegt. Am Haltestellenschild prangt seit Ende Juli das Logo von prignitzbus – dem Unternehmen, welches die Ausschreibung des Busnetzes gewann und die Nachfolge der Verkehrsgesellschaft Prignitz mbH (VGP) antrat.

798 610

798 610 am Schuppen in Putlitz, wo bis zur Übernahme der Werkstatt in Meyenburg alle Fahrzeuge der PEG instandgehalten und aufgearbeitet wurden – auch viele der aus Griechenland zurückgeholten 20 Lokomotiven der Reihe V200.1 standen hier lange im Arbeitsvorrat, ehe der größte Teil in Neustrelitz aufgearbeitet und an verschiedene Eisenbahnunternehmen verkauft wurde. Die EGP hat von diesen Loks selbst noch zwei Loks im Bestand. Von der Quirligkeit einst ist man heute in Putlitz weit entfernt – nur drei Fahrzeugwracks stehen noch im Putlitzer Freigelände und im Schuppen steht der seit 2015 nicht mehr eingesetzte Doppelstockschienenbus VT 670.4 auf bessere Zeiten wartend.

798 610

Wenn das Wörtchen "Wenn" nicht wäre, dann wäre hier jetzt ein herrlicher Sonnenaufgang über der Dömnitz zu sehen. So ist es "nur" der 798 610 auf der Dömnitzquerung – welche 1993 bei einem Hochwasser zerstört wurde, aber von der Deutschen Reichsbahn mit einer Behelfsbrücke wieder errichtet wurde. In der Summe ist die Strecke seit den 1980er Jahren schon viele Tode gestorben und doch immer am Leben geblieben.

798 610

Nur wenige Meter weiter in Richtung Kuhbier dieser einsame Feldwegübergang, wo ein Andreaskreuz nach Normen der DDR überlebt hat, vorschriftsmäßig ergänzt um reflextierende Folien. Einzelne Andreaskreuze mit integriertem Blinklicht haben bis heute noch keine Folien erhalten, wie der Bahnübergang in Kuhbier.

798 610

Klassiker als Fotomotiv mit Feldsteinweg – der einsam gelegene Hp Jakobsdorf. Hier wird kein Reisender mehr auf einen Zug warten. Desto besser man die Strecke nach Putlitz kennt, desto verwunderter ist man eigentlich, dass es für diese Regelspurstrecke kein Museumskonzept gibt. Nicht weit von der Schiene nach Putlitz entfernt ist der Pollo, ein seit 2002 erfolgreich betriebenes Schmalspurbahnprojekt mit wieder aufgebauter Strecke – ihren Endpunkt hatten beide Strecken einst im Kleinbahnhof von Pritzwalk. Aber den Investitionsstau auf der Strecke nach Putlitz könnte wohl nur ein finanzstarker Investor ohne Renditeerwartungen abbauen – und die deutsche Museumsbahnszene ist Lichtjahre von der britischen Museumsbahnkultur entfernt.

798 610

Vor Laaske liegt dieser verlassen wirkende Hof, den 798 610 auf der Fahrt gen Pritzwalk passiert. Der 798 610 darf noch bis Oktober 2017 fahren, dann läuft seine Frist ab. Bis dahin wird er noch für Charterfahrten oder Ehrenlokführerlehrgänge genutzt. Im Planverkehr der HANS dürfte der Wagen nicht mehr zum Einsatz kommen.

798 610

Neugierig schaute dieses Pferd auf den lange nicht gesehenen Uerdinger Schienenbus – aber als aus diesem ein dutzend Fotografen ausstiegen und sich im Gelände verteilten, war das dem Vierbeiner etwas suspekt. Am Ende trabte das Pferd dann doch noch eine Runde vor den Fotografen.

798 610

Kaum an der Hst Groß Langerwisch angekommen, kam eine größere Gruppe Pferdefuhrwerke des Weges. Aber die Fuhrwerke haben keinen umweltfreundlichen Schienenersatzverkehr übernommen...

798 610

An der Hst Groß Langerwisch steht ein Gefallenendenkmal des ersten Weltkrieges, weitere Kunstwerke verteilen sich auf der Wiese.

798 610

Fotozüge haben den Vorteil, dass der Reisende neben der Bahnfahrt auch Fotostellen erreichen kann, die abseits der Straßen und Bahnhöfe liegen. Nicht weit von der Hst Groß Langerwisch entfernt liegt diese Stelle im Wald. Hier beißt sich aber die Katze in den Schwanz, denn zu Betriebszeiten hat der Fotograf in der Regel darauf geachtet, dass bei Besuchen die Sonne scheint – dann sind Waldabschnitte fototechnisch problematisch und bleiben meist unbeackert. Helle Bewölkung und sich lichtende Bäume ergeben eine herrliche Stimmung, die mit Fotozügen kein Problem sind.

798 610

In der Gegenrichtung der einsame Waldwegüberweg, auch hier haben die Schilder aus DDR-Zeiten mit neuen Folien überdauert.

798 610

Ein besonderes Kapitel in der Strecke Pritzwalk – Putlitz ist der Hp Putlitz Süd. Weitab jeglicher Wege gelegen, wurde der Hp seit 2004 stets nur wenige Tage im Jahr bedient, wenn das Musik-Festival VooV Experience in Putlitz stattfand. In der Woche vor Betriebseinstellung fand das Festival 2016 mit rund 3.500 Besuchern statt – 2017 zum 25. VooV-Festival wird die Strecke wohl nicht mehr als Zubringer dienen. Aber man weiß ja nie, schon 2007 wurden Sonderverkehre für das VooV-Festival auf der sonst zuglosen Strecke gefahren...

798 610

Vor Laaske waren Äpfel im Überangebot.

798 610

Warten auf Sonne am Hp Laaske. Die Sonne zeigte sich nur leicht, für wenige Sekunden brach sie fast ganz durch die Wolken. Passt.

798 610

Hinter Laaske hatte sich eine große Wolkenlücke gefunden und die Auslöser ratterten fast wie Maschinengewehre.

798 610

In Gegenrichtung noch mehr Herbstfärbung.

798 610

Aus den angekündigten drei bis vier Stunden Sonne wurde am Ende vielleicht eine Stunde, aber die war optimal genutzt. Am Hp Jakobsdorf hatte sich die Sonne wieder hinter – dafür eindrucksvollen – Wolken verzogen.

798 610

Die Sonne wanderte zum Sonnenuntergang haarscharf an Wolkenkanten – diese ließen einen Hauch von Sonne auf den Uerdinger Schienenbus fallen, während die Wolkentürme im Hintergrund voll in der Sonne lagen. Danke an die Mannschaft der EGP und den Dampflokfreunden Salzwedel e.V. für diese entspannte Fotofahrt über rund 10 Stunden auf rund zehn Kilometern Strecke. Wer weiß, war es nun das letzte Mal?

Fotos in Google Earth © 2016 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben