Das Streckennetz um Jerichow mit den Strecken nach Schönhausen, Güsen und Genthin wurde zum Sommerfahrplan 1999 abbestellt. Zum Verhängnis wurde dem Jerichower Netz die weite Fläche ohne einen Ballungsraum, welcher für ein Entwicklungspotenzial sorgen könnte sowie die oft parallel führenden Straßen. Die Strecken selbst waren oft gut erhalten, an einigen Stellen wurden bereits Modernisierungsarbeiten durchgeführt. Da das Streckennetz um Jerichow seit den 1990er Jahren kaum mehr Güterverkehr aufwies, ist dieses Netz heute fast vollständig ohne Verkehr.

Das Streckennetz der bis zur Verstaatlichung nach dem Krieg als "Genthiner Eisenbahn AG" firmierenden Bahnen bestand aus Strecken der zum 5. November 1923 zur "Kleinbahn-AG Genthin-Ziesar" fusionierten Kleinbahnunternehmen "Genthiner Kleinbahn AG" (am 22. Juli 1898 gegründet, u.a. Genthin – Jerichow – Schönhausen(Elbe) – Sandau) und der am 21. Mai 1901 gegründeten "Ziesarer Kleinbahn AG". Von Ziesar aus wurde bis 1916 als letzte neue Bahnverbindung dieses Gebietes eine Bahnverbindung von/zur Staatsbahn in Güsen angelegt.

Im März 1999 war dort eine Gruppe Eisenbahnfreunde unterwegs, welche neben den Strecken des Jerichower Netzes weitere Strecken befuhr, heute alle längst ohne Personenverkehr. Die Ferkeltaxen der Reihen 771 und 772 fahren heute in Rumänien oder Kuba. Nur wenige haben in Deutschland als Museumsexemplar überleben können.


771 034 im Bahnhof Schönebeck

Die am 8. Oktober 1896 von der Preußisch-Hessischen Staatseisenbahn eröffnete Strecke Schönebeck – Blumenberg bot den anliegenden Gemeinden der Börde einen bequemen Anschluss in Richtung Magdeburg. Die Anbindung der KBS 316 an die Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts verhinderte dennoch nicht die Stillegung der Strecke nach Blumenberg.
771 034 hat am 19. März 1999 den Bf Schönebeck erreicht und wird um 12.06 Uhr die Rückfahrt über die Bördebahn nach Blumenberg antreten. 
Ferkel im Bf Blumenberg

Blumenberg, bis zum Kahlschlag im Nebenbahnnetz der Börde ein Knotenpunkt mit einigen fotografischen Reizen. Zu Jahresbeginn 2008 wurde die durchgreifende Sanierung der Strecke Magdeburg – Halberstadt beschlossen. Nach entsprechenden Presseberichten soll der Bahnhof in Blumenberg für den Reiseverkehr entfallen und komplett zurückgebaut werden. Nach Modernisierung der Streckeninfrastruktur übrigbleiben soll nur noch der Anschluss der früher nach Eilsleben führenden Strecke nach Wanzleben. Die Infrastruktur dieser Strecke wurde von der Deutschen Regionaleisenbahn (DRE) übernommen.
Gleich drei Ferkeltaxen der BR 771 stehen am 19. März 1999 zur Abfahrt bereit – 771 009, 771 034 und 771 060, welche in Kürze nach Haldensleben, Stassfurt oder Schönebeck aufbrechen werden.

771 009 im Bf Blumenberg

771 009 wird sich am 19. März 1999 in Kürze über Egeln auf den Weg nach Stassfurt machen. Während der Abschnitt Blumenberg – Egeln der KBS 317 zum Sommerfahrplan 1999 stillgelegt wurde, hielt sich der Restabschnitt Egeln – Stassfurt noch bis zum 28. September 2002.
Der Abschnitt Stassfurt – Egeln wird vom Verein "Nebenbahn Staßfurt - Egeln e.V. (NbSE)" unter anderem mit dem LVT 172 003 für historsiche Fahrten wieder befahren. EIU der Strecke Stassfurt – Egeln ist nach Angaben des EBA heute die "ekr Bahnlogistik & Bauüberwachung GmbH".

772 021 im Bf Haldensleben

Am 20. März 1999 verlässt der 771 021 Haldensleben auf der Fahrt nach Eilsleben, rechts im Vordergrund die Anlagen der früheren Kleinbahn welche 1887 von der "Neuhaldensleber Eisenbahn-Gesellschaft", eröffnet wurde. Abbestellt wurde die 32 Kilometer lange Strecke, zuletzt KBS 313, zum Sommerfahrplan 1999.
Auf der anderen Bahnhofsseite ganz im Hintergrund wartet 771 009 in Haldensleben West zur Abfahrt nach Weferlingen. Die Querung des Mittellandkanals zwischen Haldensleben und Alt-Haldensleben wurde im März 2007 demoniert und zur Sperrung der Strecke weitere Fakten hinzu geschaffen.

Ferkeltreffen im Bf Altenhausen

Der Bahnhof Altenhausen auf der Strecke Haldensleben – Weferlingen war bis zur Stillegung im Personenverkehr im Mai 1999 immer etwas besonderes. Der aus Richtung Haldensleben kommende Triebwagen setzt nach dem Fahrgastwechsel in das als Kreuzungsgleis dienende Stumpfgleis, die Schlüsselweiche wird dazu von Hand vom Zugbegleiter umgestellt. Nachdem der Triebwagen "eingesperrt" ist, kann der Gegenzug aus Weferlingen in den Bahnhof einfahren. Zur Abfahrt muss die Weiche noch zweimal umgestellt werden.
Am 20. März 1999 wartet 771 009 im Stumpfgleis, während der 771 024 bereits angekommen ist und die Personale beider Züge einen kurzen Plausch halten. In den Schienennetz-Benutzungsbedingungen der Lappwaldbahn von 2006 ist der Bf Altenhausen noch immer als nutzbarer Kreuzungsbahnhof aufgeführt.


771 009 im Bf Weferlingen

Der Bahnhof Weferlingen verfügt über großzügige Gleisanlagen, welche auch zum Aufnahmezeitpunkt am 20. März 1999 noch genutzt werden, sowohl durch historische Fahrzeuge, als auch durch die Fahrzeuge des Güterverkehrs zur Zuckerfabrik Weferlingen. Die Zuckerfabrik in Weferlingen sorgte auch dafür, dass die Strecke Weferlingen – Haldensleben nicht vollständig aufgegeben wurde. DB Cargo bediente die Strecke bis 2001 im Güterverkehr weiter, seitdem wird der Betrieb dieser Strecke von der "Lappwaldbahn GmbH" (auch EIU dieser Strecke) geführt. Nach einer Sperrung 2005 aufgrund Oberbaumängeln wird die Strecke seit 2006 wieder im Güterverkehr betrieben.
771 009 ist in Weferlingen angekommen. Während die Zugbegleiterin in Kürze die Zugmeldung abgibt, erkunden zahlreiche Bahninteressierte den Bahnhof. "Echte" Fahrgäste waren an diesem Tag kaum im Zug.

772 174 im Bf Güsen

Von Güsen aus wurden noch bis 1999 zwei Strecken des "Jerichower" Netzes betrieben, die Strecken nach Ziesar und nach Jerichow. Beide Strecken wurden im Mai 1999 eingestellt und damit der Betrieb im Kleinbahnhof von Güsen. Im weit südlich der Ortschaft liegenden Bf Güsen stehen am 21. März 1999 772 174 zur Fahrt nach Jerichow und 972 763 mit dem 772 163 zur Fahrt nach Ziesar bereit.
Beide Züge werden praktisch gleichzeitig den Bahnhof verlassen – während der Zug nach Ziesar nach kurzer Parallelführung in Richtung Süden abschwenkt, überquert der Zug nach Jerichow die Hauptstrecke Brandenburg – Magdeburg auf einer im Zuge des Hauptstreckenausbaus neu gebauten Überführung nordwärts. Heute verkehren von Güsen aus unregelmäßig einzelne Güterzüge zur Neuschwellenabholung auf der Strecke bis Zerben.


772 174 im Bf Jerichow

Der Bahnhof Jerichow war einst das Zentrum der früher zahlreichen Kleinbahnen in diesem Bereich. Obwohl von der Strecke Schönhausen – Genthin hier nur die Strecke nach Güsen abzweigte, war Jerichow das Herz der örtlichen Kleinbahnen – hier stand auch das Bw Jerichow, welches seine Selbständigkeit erst zum 30. Juni 1993 kurz vor Aufgehen der Deutschen Reichsbahn in die Deutsche Bahn AG verlor.
772 174 ist am 21. März 1999 in Jerichow angekommen, die meist aus Eisenbahnfreunden bestehenden Reisenden sind ausgestiegen. Links im Bild zu sehen der einfache Zugrichtungsanzeiger mit den Zielen Schönhausen, Genthin und Güsen.

772 008 im Bf Jerichow

Nach einer Mittagspause wieder am Bahnhof angekommen, steht 772 008 zusammen mit 972 608 zur Abfahrt nach Genthin bereit. Im Hintergrund die weitläufigen Anlagen des am 21. März 1999 nur noch als Abstellanlage genutzten ehemaligen Bw Jerichow mit den 1921 umfassend modernisierten Betriebsgebäuden. Im Vorbau des Empfangsgebäudes ist das Stellwerk des Bf Jerichow.

771 163 im Bf Ziesar

Der neue Bahnhof Ziesar entstand erst 1916, als die neue Strecke aus Güsen in den Bahnhof eingeführt werden musste – bei dieser Gelegenheit entstand auch ein neuer Lokschuppen, welcher 1999 aber weit verfallen war.
Ziesar war einst bedeutender Bahnhof im Kleinbahnnetz, wie auch die Größe des Baues noch 1916 unterstrich. Von hier erreichte man per Bahn die Orte Groß Wusterwitz, Görzke oder Burg (Schmalspur, 1896 bis 1965). Zwischen Ziesar und Görzke wurden die 1996 endgültig stillgelegten Schienen 2003 unter fragwürdigen Umständen abgebaut. Am 21. März 1999 steht 772 163 zusammen mit 972 763 in Ziesar zur Abfahrt nach Güsen bereit.

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