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Für die mit 1200 Volt Gleichspannung betriebene elektrische Werkbahn der Heeresversuchsanstalt Peenemünde bestellte die Deutsche Wehrmacht im Spätsommer 1940 zehn und im Januar 1941 weitere fünf Triebzüge, bestehend aus Trieb- und Steuerwagen. Hersteller waren die Dessauer Waggonfabrik für die Triebwagen und die Waggon- und Maschinenfabrik Bautzen AG, vormals Busch, für die Steuerwagen, der elektrische Teil stammte von den Siemens-Schuckertwerken. Diese Züge glichen im wagenbaulichen Teil weitgehend der Berliner S-Bahn-Bauart 1939 (ET/EB 167 081 bis 211) und im elektrischen Teil den von Siemens gelieferten U-Bahn-Wagen für die Linien C-D-E in Buenos Aires.

Der elektrische Werkbahnbetrieb endete am 21. April 1946, als auf Befehl der sowjetischen Militäradministration der gesamte elektrische Eisenbahnbetrieb in Ostdeutschland eingestellt werden musste. Die Anlagen wurden demontiert und abtransportiert.

Den heutigen 426 002 / 826 602 fand man im Bereich der RBD Nürnberg auf, er wurde fortan auf der mit 750 Volt Gleichspannung betriebenen Isartalbahn eingesetzt und erhielt dort die Fahrzeugnummer ET/ES 182 01
.

Nach Umstellung der Isartalbahn auf das bei der Deutschen Bundesbahn übliche Stromsystem 15 kV Wechselspannung, 16 2/3 Hz wurde der ET/ES 182 01 im Jahr 1957 von Wegmann und BBC Mannheim für dieses System umgebaut. Anschließend konnten die insgesamt vier ET/ES 26 frei im Wechselstromnetz der Deutschen Bundesbahn eingesetzt werden.

Der Umbau erforderte
speziell beim Triebwagen massive Eingriffe in die Fahrzeugtechnik. Hier musste der neue Transformator und der neue Antriebsmotor untergebracht werden. Der Dachstromabnehmer erhielt ein Podest, welches den Unterschied zwischen dem niedrigeren Lichtraumprofil der Peenemünder/Berliner Züge und dem der üblichen Wechselstromtriebwagen der Deutschen Bundesbahn ausglich. Das vordere Drehgestell wurde neu gebaut und entsprach der Bauform München-Kassel, wurde aber speziell für den ET 26 konstruiert.

Die zuletzt vom Bahnbetriebswerk Koblenz-Mosel aus eingesetzten 426 wurden 1978 endgültig außer Dienst gestellt. Der von der Werkbahn Peenemünde – Zinnowitz stammende 426 002 mit dem zugehörigen Steuerwagen 826 602 wurde vom Verkehrsmuseum Nürnberg übernommen. Über viele Jahre wurde der Zug von der BSW-Gruppe München Ost betreut, welche das Fahrzeug optisch wieder ansprechend herrichtete. Sogar an eine betriebsfähige Herrichtung dachte man Ende der 1980er Jahre.

Durch die Auflösung des Bw München Ost als eigenständige Dienststelle kam das Fahrzeug 1988 zum Bw Augsburg, wo es im Freigelände abgestellt war. Für die BSW-Gruppe war dort eine Instandhaltung des Fahrzeugs aufgrund der großen räumlichen Entfernung mit enormen Aufwand verbunden – der Zustand verschlechterte sich in den folgenden Jahren erheblich.


Bw Augsburg
Im August 1988 steht der Zug im Bw Augsburg hinterstellt. Zu diesem Zeitpunkt ist der 426 002 rund 11 Jahre außer Betrieb. Die den Zug zu dieser Zeit betreuende BSW-Gruppe aus München Ost hat das Fahrzeug in einem optisch und technisch hervorragenden Zustand halten können.

Durch die Auslagerung nach Augsburg begann der schleichende Verfall des Fahrzeugs, welcher erst 2004 aufgehalten werden konnte.

Seit den 1990er Jahren war der Zug 426 002 / 826 602 in Garmisch-Partenkirchen heimisch, wo am Triebwagen mit der Beseitigung von zwischenzeitlich eingetretenen Substanzschäden begonnen wurde. Nachdem die Arbeiten nach nur geringem Fortschritt eingestellt wurden, wurde der Triebwagen mit zum Teil fehlenden Fenstern im Freien abgestellt. Der Steuerwagen verblieb im Freigelände des Bw Garmisch.

Durch umfangreiche Neustrukturierung in der Fahrzeugerhaltung beim nun als Firmenmuseum der Deutschen Bahn AG fimierenden Verkehrsmuseums Nürnberg war seitens des DB-Konzerns keine weitere Erhaltung des 426 002 / 826 602 vorgesehen. Das Fahrzeug wurde mit der Option der Verschrottung im Falle einer nicht zustande kommenden Abgabe ausgeschrieben. Trotz der interessanten Geschichte dieses Fahrzeugs schien die Zerlegung des inzwischen in weiten Bereichen desolaten Fahrzeugs nur noch eine Frage der Zeit.

Zum gleichen Zeitpunkt war auf der Insel Usedom das "Historisch-Technische Informationszentrum Peenemünde" im Entstehen, welches die Historie der Heeresversuchsanstalt Peenemünde aufarbeitet und vor Ort einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen möchte. In den Jahren seit der politischen Wende 1989 war einige Zeit die Installation einer Erlebniswelt für Raumfahrt vorgesehen – ein Projekt, welches aus verschiedenen Gründen nicht realisiert wurde.


Rund 14 Jahre liegen zwischen der obigen Aufnahme im Bw Augsburg und dieser im Juli 2002 im Bw Garmisch entstandenen Aufnahme des 826 602. Das Bw Garmisch war zu diesem Zeitpunkt eine nicht öffentlich zugängliche Außenstelle des DB-Museums. Nach deren Schließung im Juli 2005 kamen die Fahrzeuge meist zum Bahnpark in Augsburg.

Nicht zu übersehen sind die Schäden aus jahrelanger Freiluftabstellung. Die Fahrzeugfront wurde zum Aufnahmezeitpunkt
durch eine Plane vor Witterungseinflüssen gesichert – welche hier durch den Wind hochgeweht wurde.
Zu diesem Zeitpunkt war die Zukunft des Zuges höchst fragwürdig, begonnene Arbeiten zur Substanzerhaltung mussten abgebrochen werden – am 826 602 sind diese Arbeiten an der recht frisch lackierten Pufferbohle zu erkennen.

Der Triebwagen 426 002 war ausgelagert im Güterbahnhof abgestellt, mit zum Teil nur notdürftig abgedeckten Fenstern.

Bw Garmisch

Seitens des Informationszentrums bestand bereits lange der Wunsch, einen Original-Peenemünder Werkbahnzug nach Peenemünde zu holen. Hierfür stellte die Deutsche Reichsbahn 1992 den ursprünglich aus Peenemünde stammenden 276 069/070 zurück, welcher vom Verein Historische S-Bahn e. V. in seine Obhut genommen wurde. Nachdem eine Abgabe dieses Fahrzeugs nicht zustande kam, wurden die Mitarbeiter des Informationszentrums auf den zur Abgabe stehenden 426 002 / 826 602 aufmerksam. Im Winter 2003/04 wurde der Leihvertrag auf 20 Jahre abgeschlossen und das Fahrzeug Ende Februar 2004 nach Usedom überführt.

Seither ist das Fahrzeug umfassend restauriert worden und wurde am 17. Juli 2007 feierlich der Öffentlichkeit übergeben.


Steuerwagen Peenemünde
Fast genau fünf Jahre nach der Aufnahme des 826 602 im Bw Garmisch entstand diese Aufnahme des 826 602 im Gelände des Historisch-Technischen Informationszentrums Peenemünde am 1. Juli 2007.

In über dreijähriger Arbeit wurden Trieb- und Steuerwagen umfassend restauriert und neu lackiert. Bei diesen Arbeiten blieben zahlreiche Originalanschriften aus der letzten Einsatzepoche des 426 002 / 826 602 erhalten. Diese wurden sauber von jeglichen Anstrichsarbeiten ausgenommen.

Während das Außenfinish des Steuerwagens eine Ähnlichkeit zur Werkbahn erkennen lässt, zeugt die Schraubenkupplung mit ihren Puffern eindeutig vom Einsatz bei der Deutschen Bundesbahn. Auch die Türanordnung ist eine andere, als die in Berlin und Peenemünde übliche von vier Türen je Wagenseite.

Im Hintergrund die Einspeisung des zu DDR-Zeiten auch der Versorgung der zivilen Bevölkerung dienenden Kraftwerks der früheren Heeresversuchsanstalt. Das Kraftwerk konnte bis zu 40 MW Leistung erzeugen, es wurde 1990 stillgelegt.

Während durch die Initiative des Historisch-Technischen Informationszentrums Peenemünde das Fahrzeug erhalten bleibt und von 2004 bis 2007 umfassend restauriert wurde, bleibt für den Eisenbahnhistoriker leider ein unschöner Beigeschmack – denn das Fahrzeug wurde in der Farbgebung der Peenemünder Werkbahn lackiert. Gerade durch die sehr einschneidenden Umbauten der Deutschen Bundesbahn zwischen 1950 und 1957 hat der Triebwagenzug nur noch wenig Ähnlichkeit mit dem Original-Werkbahnzug der Werkbahn Peenemünde – Zinnowitz. Der Triebwagen erhielt im vorderen Drittel einen völlig neuen, um 1100 mm verlängerten Triebwagenkopf – auch der Rahmen und das Drehgestell wurde in diesem Bereich völlig neu gebaut. Die Türanordnung und -einstiegshöhe wurde dem Einsatz im ländlichen Raum angepasst.

Während bei der vorherigen Aufnahme noch eine Zugehörigkeit zu den Fahrzeugen der früheren Werkbahn Peenemünde – Zinnowitz erkennbar war, hört diese Erkennbarbeit auf dieser Aufnahme auf.

Der Triebwagen 426 002 ist im vorderen Drittel ein völliger Neubau von 1957, anlässlich des Umbaus auf 15 kV 16 2/3 Hz. Hier erinnert äußerlich nichts an den Werkbahneinsatz von 1941 bis 1945.

Im Gegenteil: Vier Jahre Werkbahneinsatz stehen rund 20 Jahre Betriebseinsatz bei der Deutschen Bundesbahn in diesem speziell umgebauten Zustand gegenüber.

Der 826 602 ist seit Juli 2007 auf einem neu gebauten Bahnsteig von außen zu besichtigen, die Inneneinrichtung wurde jedoch vollständig von der Deutschen Bundesbahn eingebaut. Lediglich die Deckenverkleidung samt Beleuchtung stammt noch vom Einsatz auf der Werkbahn Peenemünde – Zinnowitz und entspricht in weiten Bereichen den Berliner ET/EB 167 und Hamburger ET/EM 171.

Triebwagen

Seitens des Landesamtes für Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern – auch Geldgeber für das Historisch-Technische Informationszentrum Peenemünde – wurde sehr viel Wert auf die Lackierung des Fahrzeugs in Originalfarben der Werkbahn gelegt. Die Originalfarben konnten vor einigen Jahren von auf Usedom geborgenen Fahrzeugtrümmern entnommen werden. Dass Bauzustand des Fahrzeuges und Lackierung historisch nicht im geringsten harmonieren, fand beim Beauftragten des Landesamtes leider kein Gehör.

Front Steuerwagen
Betrachtet man dieses Foto ein wenig genauer, so sieht man die heutige Widersprüchlichkeit des 826 602 anschaulich dokumentiert. Die Front entpricht den ET 167 der Berliner S-Bahn. Rund zweihundert Viertelzüge sind in dieser Form gebaut worden. Alle hatten die Scharfenberg-Kupplung, meist mit elektrischer Kupplung. Die Frontpartie des 826 602 wird durch die Puffer der Regelkupplung entscheidend geprägt.

Die Lackierung von Berliner S-Bahn und der Werkbahn Peenemünde – Zinnowitz ähnelte sich in den Grundsätzen. Abweichend waren die Farbtöne, welche bei Berlins S-Bahn durchweg dunkler waren. Die Farbtöne der Triebwagen der Werkbahn entsprachen den Farbtönen der übrigen Triebwagen der Deutschen Reichsbahn. Im Vergleich zur Berliner S-Bahn waren die Farbtrennkanten der Werkbahn beige statt schwarz.

Der 826 602 hat die für Werkbahn bzw. ET 167 typischen Scheinwerfer bei seinem Umbau von ES 182 zu ES 26 verloren – seit dieser Zeit hat der Wagen ein Dreilichtspitzensignal, welches die Altbaufahrzeuge bei Berlins S-Bahn bis zum Schluss nicht erhielten. Auch die Luftpfeife auf dem Dach ist ein Merkmal der Deutschen Bundesbahn. Das Horn bei den ET 167 der Berliner S-Bahn ist vor dem vorderen Drehgestell (hier DB-typisch mit Indusi statt mechanischer Fahrsperre!) montiert.
Rechts neben dem Seitenfenster des Führerstandes ist die erhalten gebliebene, typische Beschriftung von Wagen und Triebwagen der DB mit ihren technischen Kenndaten zu sehen.

Dennoch ist die Erhaltung und Aufarbeitung dieses Zuges – dessen Zustand einige Zeit die Verschrottung wahrscheinlicher als die Erhaltung sein ließ – zu begrüßen, der im Juli 2007 erreichte Zustand sichert die Erhaltung des Fahrzeuges auf absehbare Zeit. Bleibt zu hoffen, dass auch künftig die Fahrzeugsubstanz gepflegt wird – Aufstellung in Freiluftausstellung erfordert ständige Pflege, das Alter von über 65 Jahren ist letztlich auch am 426 002 / 826 602 nicht spurlos vorbeigangen.

Vor der Kulisse des zunächst mit Kohlenstaub gefeuerten Kraftwerks der früheren Heeresversuchsanstalt steht am 1. Juli 2007 der 426 002 / 826 602 am Ausstellungsort.

Rund um den früheren Werkbahntriebwagen soll in den kommenden Jahren eine Ausstellung rund um die Werkbahn mit Originalexponaten entstehen, 2008 stand dort bereits eine restaurierte Walter-Schleuder, zusammen mit der V1-Nachbildung des Museums.

Im Triebwagen ist eine Ausstellung zur Geschichte der Werkbahn, der Triebwagen ist von Süden her über eine Treppe zugänglich, auf der Nordseite läuft ein Steg entlang des Steuerwagens wo ein Blick in den im DB-Zustand erhaltenen Wagen geworfen werden kann.
Triebwagen mit Kraftwerk

Kupplung
Beim näheren Hinschauen auf dieses Foto sind zwei recht unscheinbare Details zu erkennen:

Zum einen die elektrische Kurzkupplung zwischen Trieb- und Steuerwagen mittels Steuerkabel nach DB-Norm, wie es auch bei Schienenbussen zur Anwendung kam. Die Regelkupplungen von ET bzw. ES 26 wurden dagegen mittels der bei der DB üblichen 36-poligen KWS-Steuerleitungen elektrisch gekuppelt.

Zum anderen ist hier an der vorderen Ecke des Triebwagens die von der Deutschen Bundesbahn angebrachte Verkleidung der Langträgerelemente entfernt worden. Darunter befand sich das Original-Fabrikschild des Peenemünder Triebwagens.

Entsprechend des damaligen Lackierschemas ist unterhalb des beigen Zierstreifens an der freigelegten Stelle ein roter Farbstreifen der Wagenkastenlackierung zu sehen.

Die Umrisse des Fabikschildes lassen sich erahnen. An dieser Stelle ist heute der Besucherbahnsteig einem Foto im Weg.

Die Lackierung des Triebwagenzuges war ein heikles Thema. Betrachtet man die Fahrzeuggeschichte näher, so wäre historisch korrekt ausschließlich die Lackierung im klassischen DB-Triebwagenrot. Die einzigen Punkte, über die man diskutieren könnte, sind Farbe des Daches (einst silberfarben) oder die Farben der Zierstreifen. Die Farbe der Ziersteifen wandelte sich bei der Deutschen Bundesbahn von beige zu zuletzt hellgrau.

Bei der Restaurierung wurden einzelne Felder mit dem letzten Anstrich aus DB-Zeiten unaufgearbeitet gelassen. Historiker freuen sich fraglos über derartige Möglichkeiten. Tiefgehende Korrosionsschäden scheinen an dieser Stelle nicht vorhanden zu sein. Fragwürdig bleibt dies dennoch, denn was will man eigentlich abbilden? Am 826 602 ist auf diese Art und Weise gar unfreiwillige Bemalung neuzeitlicher Künstler in Teilbereichen erhalten geblieben.

Die Frage, ob es vielleicht sinnvoll gewesen wäre, den Triebwagen 426 002 im DB-Look zu erhalten – aber den 826 602 im Werkbahnoutift herzurichten, sei an dieser Stelle gestattet. Wer mag sie beantworten?

Anschriften

Flugzeug mit Triebwagen
Der frühere Werkbahnzug ist im Gelände des Historisch-Technischen Informationszentrums Peenemünde nur ein Mosaikstück inmitten zahlreicher Originalexponate aus der Zeit der Heeresversuchsanstalt, aber auch der Nutzung durch die NVA nach dem Krieg.

Im weitläufigen Gelände sind unter anderem Flugzeuge, Hubschrauber, Schiffe, ein U-Boot sowie Exemplare der Raketen V1 und V2 ausgestellt. An zahlreichen Stellen erzählt Originalsubstanz von der deutschen Forschung in der Raketen- und Weltraumtechnik bis 1945.

Externe Links
Historisch-Technisches Informationszentrum Peenemünde
Artikel des Tourismusverbandes Usedom e.V. anlässlich der Übergabe des Werkbahnzuges am 17. Juli 2007
Die Peenemünder Schnellbahnwagen (von Mike Straschewski)
Die Baureihe 426/826 bei Wikipedia
Ein Peenemünder kehrt auf die Insel Usedom zurück
Signalanlagen der Werkbahn Peenemünde (von Steffen Buhr)
Die Isartalbahn (von Andreas Weigand)
Bahnpark Augsburg

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