In den 1980er Jahren wurde immer wieder diskutiert, wie man den Berlin-Verkehr attraktiver machen kann. Die üblichen Transitzüge waren langsam und boten wenig Komfort, in der Regel waren hier die Am- und Bm-Wagen der frühen Generationen eingesetzt. Die DDR schrieb peinlich genau vor, welche Ausrüstungen und Ausstattungen die Wagen haben durften, die über ihre Gleise rollten. Die TEE-Triebzüge der DB wurden im Zusammenhang mit möglichen Verbesserungen genannt – die Fahrzeuge hatten noch immer eine vornehme Eleganz und boten reichlich Reisekomfort.

Letztlich wurden alle Ideen nicht realisiert, die Triebzüge der BR 601 wurden im April 1988 von der DB ausgemustert und an die Fa. Jelka verkauft. Vor dem Mauerfall im November 1989 wurde lediglich noch das Projekt einer Schnellfahrstrecke Hannover – Berlin konkret, realisiert wurde die Strecke erst als die DDR nur noch Bestandteil deutscher Geschichte war.

Nach dem Mauerfall wurden plötzlich Dinge möglich, die jahrzehntelang unmöglich schienen – es war in dieser Zeit für die Deutsche Reichsbahn geradewegs eine sportliche Herausforderung, die bis dato undenkbarsten Dinge auf die Beine zu stellen.

Die Deutsche Reichsbahn betrieb das Raw und heutige Dampflokwerk Meiningen
1990 rund zwei Jahre nach Aufgabe des Regelspurdampfbetriebs noch im Vollbetrieb und hielt hier die zahlreichen Heizloks und Dampfspender der DR instand, von denen in der Nachwendezeit eine Reihe Loks auf Wunsch der Dienststellen für den Streckendienst voll betriebsfähig aufgearbeitet wurden. Die Bilanz der Deutschen Reichsbahn fragte damals nicht nach Kostenstellen...

In einem Tauschgeschäft wurde die zuletzt nur noch als Torso erhaltene 01 519 1990 voll betriebsfähig aufgearbeitet und an die Fa. Jelka abgegeben. Diese überließ dafür
der Deutschen Reichsbahn den 1989 von der Fa. FERVET als Muster voll aufgearbeiteten TEE-Triebzug der BR 601 incl. einem Reservetriebkopf für zwei Monate.

Während die 01 519 später noch zu einer endlosen Geschichte werden sollte und die Lok jahrelang nicht eingesetzt werden konnte, fuhr der VT 601 zwischen dem 1. August und dem 29. September 1990 im IC-Verkehr zwischen Berlin und Hamburg, nachdem m
it der Währungsunion im Juli 1990 alle Kontrollen in den Transitzügen entfielen. Der VT 601 war der erste InterCity auf dem Gebiet der Deutschen Reichsbahn und verkehrte zwischen Berlin und Hamburg ohne Verkehrshalte.

BR 601 in Hamburg Hbf

Damals verrichtete ich meinen Zivildienst bei der Bahnhofsmission, der Zug war regelmäßig bei den Rundgängen Pflichtprogramm und wenn ich gerade keinen Dienst hatte war ich nicht selten mit der Kamera unterwegs. Aber wie es so ist, heute sagt man sich, egal was man gemacht hat – es war zu wenig... So manches Motiv hätte ich heute gerne in der Sammlung. So auch die Durchfahrt Hamburg-Bergedorf. Der Zug rollte damals an und ich stellte fest, dass ich noch keinen Film eingelegt hatte. Immerhin, dieses Missgeschick kann einem noch heute passieren – auch wenn es jetzt eine volle oder fehlende Speicherkarte ist...
Die Gleise 5 und 6 haben 1990 im Hamburger Hauptbahnhof noch keinen Fahrdraht, während Gleis 7 für Lokumläufe bereits einen Fahrdraht hat. Heute findet der Fotograf an dieser Stelle (hier 601 006) nur schwer noch eine taugliche Möglichkeit, einen Zug passend abzulichten.
BR 601 im Bf Sternschanze

Dadurch, dass der Zug morgens von Berlin kam und abends zurückfuhr, fuhr der Zug fast stets gegen die Sonne – so dass bei Sonnenschein die eigentlich verpönten Nachschüsse im besten Licht standen. Unglücklicherweise fiel der Schatten des Fernsehturms um die planmäßige Durchfahrzeit des 601 nach Altona direkt auf das Stellwerk "Stz" und das erste Bahnhofsgebäude Sternschanze, hier wieder 601 006.
Rund 21 Jahre später sieht man das alles entspannt, denn das Motiv an der Sternschanze ist nach dem Ausbau der Hamburg Messe praktisch nicht mehr umsetzbar – die Neubauten reichen direkt an die Streckengleise heran und das Reiterstellwerk ist verschwunden.

BR 601 im Bf Reinbek

In Reinbek rollt der 601 006 in schneller Fahrt als IC 130 gen Hamburg durch den Bahnhof und unter dem kleinen Reiterstellwerk "Rf" hindurch.

BR 601 im Bw Altona

In seiner alten Heimat Hamburg-Altona steht der 601 015 im ehemaligen Triebwagen-Bahnbetriebswerk an der Ladesteckdose und wartet auf die abendliche Heimfahrt nach Berlin. Auf diesem Gleis standen bis zum April 1988 auch die als "Alpen-See-Express" eingesetzten 601 während der Wende in Hamburg. Von den Zeiten, wo in Hamburg-Altona auch noch die 612/613 beheimatet waren, gar nicht erst zu reden.

BR 601 im Bw Altona

601 006 wartet im Bw Hamburg-Altona auf den nächsten Einsatz als IC 139. Das Bahnbetriebswerk war 1990 bereits nur noch ein Schatten seinerselbst, in der Fahrzeughalle war des öfteren eine der MaK-DE 1024 der BR 240 zu sehen, welche von Hamburg aus auf dem schleswig-holsteinischen Dieselnetz erprobt wurden. Die Wende und die damit zahlreich verfügbaren sowjetischen Loks der BR 132 beendeten auch dieses Projekt.
Das Bw Hamburg-Altona hat heute keine Drehscheiben mehr, die Triebwagenhallen sind gesperrt – die NOB nutzt die links zu sehenden Gleise noch zum abstellen ihrer Marschbahn-Zugverbände. An dieser Stelle soll bei Realisierung des neuen Durchgangsbahnhofs am Diebsteich der neue Stadtteil Altona-Nord entstehen. Von den einst umfangreichen Anlagen des Bahnbetriebswerkes Hamburg-Altona, Dampflok- und Schnelltriebwagen-Bw, wird dann nur noch der unter Denkmalschutz stehende Wasserturm übrig bleiben.

BR 601 im Bf Altona

In den letzten Sonnenstrahlen des Abends wird der IC 139 "Max Liebermann" mit 601 013 an der Spitze nach Berlin in Altona bereit gestellt – im Hintergrund das Stellwerk "R I", eines der damals zahlreichen Wärterstellwerke im Bf Altona. Zum Einsatz kamen neben dem 601 013 die 601 006 und 015 sowie die Mittelwagen 901 301, 202, 305, 208, 402, 103, 109 und 104.

BR 601 im Bf Altona

Die Zugzielanzeige, die den 601 013 als IC 139 "Max Liebermann" nach Berlin ankündigte, war noch extrem ungewohnt – nach Berlin verkehrten bis Ende Juli 1990 ausschließlich D-Züge, IC verkehrten bis dahin nicht auf den Gleisen der DR.

BR 601 im Bf Altona

Der 601 015 beschleunigt rasant und macht sich auf den Weg in das rund 290 Kilometer entfernte Berlin. Die abendlichen Abfahrten des "Max Liebermann" waren in Altona stets ein Event, viele Sehleute standen auf dem Bahnsteig bestaunten den Zug und schauten wie einst zu Wirtschaftswunderzeiten durch die Bullaugen in den Maschinenraum des 601. 1996 wurde das Stellwerk "Af" durch ein neues ESTW ersetzt, welches in den ersten Betriebswochen mit seinem "Speicherüberlauf" bundesweit für Schlagzeilen und in Altona wochenlang für eingeschränkten Zugverkehr sorgte.

BR 601 auf der Lombardsbrücke

Das Motiv der Lombardsbrücke mit Rathaus und Nikolai-Kirche lässt sich praktisch nur im Hochsommer frühmorgens umsetzen – abends gegen 19.30 Uhr steht die Sonne wieder in der Gleisachse, so dass die begonnene Abendstimmung bei der Durchfahrt des IC 139 mit 601 015 an der Spitze mit der damals üblichen ISO 100 Filmempfindlichkeit gerade noch mit Offenblende umsetzbar war.
Das Problem der durchgehenden Erstklassigkeit hatte die DR einfach durch Deklassierung der Großraumwagen und früheren Barwagen gelöst, welche seit dem Umbau für den Reisebürosonderverkehr Anfang der 1980er Jahre ohnehin das Gestühl der damals nagelneuen Großraumwagen
2. Klasse besaßen.

BR 601 im Bf Reinbek

Bei Reinbek verläuft die Berliner Strecke in einem Einschnitt, wo für die Sicherung des östlichen Bahnhofskopfes das Stellwerk "Ro" zuständig war, welches aber seit den 1950er Jahren unbesetzt war. Lediglich während des Ausbaues der Berliner Strecke wurde es ab 1994 nochmals einige Monate besetzt, ehe es abgerissen wurde. 601 006 fährt als IC 130 gen Hamburg-Altona.

BR 601 im Bf Reinbak

Von der Brücke über den Bahnhof hatte man einen prächtigen Ausblick auf den Bahnhof Reinbek, im Hintergrund das Stellwerk "Rf". Heute kann ich mich nur über die Nutzung des damaligen Teleobjektivs ärgern. Trotz bester Sonne lässt die Qualität des Dias leicht zu wünschen übrig, aber mittels digitaler Technik kann man heute den einen oder anderen Pixel geraderücken.
Die Gleise liegen an dieser Stelle heute noch in vergleichbarer Lage – selbstredend von hohen Lärmschutzwänden eingerahmt. Der Bahnhof wurde zur S-Bahnwiederinbetriebnahme 1997 provisorisch ausgebaut und erst ab 2005 nach längerem Finanzierungsstreit neu errichtet.

BR 601 im Hp Dammtor

601 015 hat als IC 130 "Max Liebermann" den Hp Hamburg-Dammtor erreicht und fährt weiter in Richtung Altona. Auch wenn völlig gegenlichtig, gefällt mir der "Vorschuss" fast besser als der eigentlich geplante Hauptschuss – der Nachschuss im passenden Licht – so dass ich an dieser Stelle dieses Bild zeige.

BR 60^1 im Bf Hamburg Hbf

In den zwei Monaten des Verkehrens zwischen Hamburg und Berlin gab es auch schlechtes Wetter, hier 601 015 wenige Tage vor Ende des Betriebes im September 1990 vor der Kulisse des noch in Sanierung befindlichen Hamburger Hauptbahnhofes. Der nördliche Uhrenturm war nach der Kriegszerstörung erst kurze Zeit wieder aufgebaut, während der Neubau der Wandelhalle mit umfangreicher Fassadenwiederherstellung noch in vollem Gange ist und im Mai 1991 zur Aufnahme des ICE-Verkehrs abgeschlossen sein wird.

Zur Übersicht © 2011 Jan Borchers, www.bahnfotokiste.de Nach oben